Held oder Depp der Nation: Gareth Southgate ist es längst gewohnt, nach großen Spielen in Schubladen einsortiert zu werden. Es begann zu Spielerzeiten, als er im Halbfinale der Heim-EM 1996 gegen Deutschland den entscheidenden Elfmeter verschoss. Auch seit der Amtsübernahme als Englands Fußball-Teamchef 20 Jahre später hatten seine wichtigsten Partien fast immer etwas mit Elfmetern zu tun. Ein Überblick vor dem EM-Finale am Sonntag (21 Uhr) in Berlin gegen Spanien:
EM-Halbfinale 1996:
Selten hat ein Fußballer für einen verschossenen Elfmeter so viel Prominenz erlangt. Die ersten zehn Schützen in Wembley hatten allesamt getroffen, ehe Southgate an Deutschlands Torhüter Andreas Köpke scheiterte. Der dazu entstandene Radiokommentar „Gareth Southgate, the whole of England is with you“ (Gareth Southgate, ganz England ist mit dir) markiert den Beginn eines bekannten Popsongs. „It‘s coming home“ wird dem Mutterland des Fußballs darin versprochen. Trophäe hat es für England seit der WM 1966 aber immer noch keine gegeben.
WM-Achtelfinale 2018:
1996, 1998, 2004, 2006 und 2012 hatte England bei großen Turnieren fünf Elfmeterschießen in Serie verloren. Dann kam ausgerechnet Southgate – diesmal als Trainer. Der Ex-Verteidiger ging das Thema wissenschaftlich an und gründete eine Task Force, die sich unter anderem mit der Atemtechnik der Spieler befasste. Im WM-Achtelfinale gegen Kolumbien gab es nach 22 Jahren prompt erstmals wieder einen Sieg vom Punkt.
EM-Finale 2021:
Es war allerdings nur eine Auszeit vom Elfmeter-Trauma. Die Finalniederlage beim paneuropäischen Turnier gegen Italien wurde dann auch schnell wieder Southgate angekreidet. Im Wembley-Stadion, wo er selbst den bittersten Moment seiner aktiven Karriere erlebt hatte, verschossen beim Showdown vom Punkt mit Marcus Rashford, Jadon Sancho und Bukayo Saka gleich drei Profis. Pikant: Der Trainer hatte das Trio eingewechselt, Sancho und Rashford sogar erst in der 120. Minute und explizit fürs Elfmeterschießen.
WM-Viertelfinale 2022:
England gegen Frankreich galt in Katar als das Duell von Europas Giganten und aussichtsreichsten Titelkandidaten. Die „Three Lions“ hielten gut mit, mussten sich aber nach einem verschossenen Elfmeter von Kapitän Harry Kane in der regulären Spielzeit mit 1:2 geschlagen geben. Die Fußball-Nation war sich dennoch schnell einig: Diesem Trainer gebührt das Vertrauen bis zur EM in Deutschland.
EM-Halbfinale 2024:
In der Gruppenphase teils heftig kritisiert, zeigte das Southgate-Team in der K.o.-Phase Moral. Im Achtelfinale gegen die Slowakei verhinderte Jude Bellingham in der fünften Minute der Nachspielzeit per Fallrückzieher das Aus, gegen die Schweiz behielten alle fünf englischen Schützen vom Elfmeterpunkt die Nerven. Und im Halbfinale gegen die Niederlande sorgte – ebenfalls nach Rückstand – ausgerechnet das von Southgate eingewechselte Duo Ollie Watkins/Cole Palmer für die Entscheidung. „One more! One more!“, brüllte Southgate in Richtung der englischen Fans. Noch ein Sieg – dann wäre sein Elfer von 1996 endlich in den Hintergrund gedrängt.
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