Interview WK-Chef

„Die Arbeiter fehlen dann selbst dem Wirt ums Eck“

Burgenland
14.07.2024 07:16

Seit bald einem Jahr ist der Steinbrunner Unternehmer Andreas Wirth Präsident der Wirtschaftskammer. Wie er zum Landes-Mindestlohn steht und warum er sich Sorgen um die Jugend macht.

„Krone“: Herr Präsident, Sie haben bei Ihrem Antritt gesagt, Sie wollen mit dem Ohr bei den Firmen sein. Was haben Ihnen die Unternehmer in den vergangenen Monaten alles gesagt?

Ich bin täglich im Land unterwegs und treffe da auf viele Unternehmer, die motiviert und kompetent sind und etwas bewegen wollen. Aktuell treffen viele – vor allem in der Baubranche – auf schwierige Rahmenbedingungen. Es fehlt an Aufträgen und die Investoren sind durch die steigenden Zinsen verunsichert, auch die Energie- und Materialpreise sowie die Lohn- und Lohnnebenkosten sind massiv gestiegen.

Geht es nur dem Bau so?

Nein, aber der Bau ist eine Branche, die massiv auf andere ausstrahlt. Wird nicht gebaut, dann braucht es auch keinen Installateur oder Elektriker, keinen Maler, keine Vorhänge und keine Möbel. Selbst dem Wirt oder dem Greißler ums Eck fehlen dann die Arbeiter, die nicht zum Essen kommen oder sich eine Jause holen.

Was kann dagegen getan werden?

Ich sehe die öffentliche Hand in der Verantwortung, für einen zusätzlichen Anschub zu sorgen, schließlich geht es um Wertschöpfung für alle. Daher müssen bereits geplante Bauprojekte noch schneller auf Schiene gebracht werden. Die Wirtschaft braucht jetzt die Aufträge aus öffentlicher Hand und von den Siedlungsgenossenschaften, die jahrzehntelang der Motor der burgenländischen Handwerksbetriebe waren.

Beim Antritt versprach der neue WK-Chef, das Ohr nahe bei den Betrieben zu haben. „Ich bin täglich im Land unterwegs und treffe auf viele Unternehmer“, sagt Wirth. (Bild: WK Bgld.)
Beim Antritt versprach der neue WK-Chef, das Ohr nahe bei den Betrieben zu haben. „Ich bin täglich im Land unterwegs und treffe auf viele Unternehmer“, sagt Wirth.

Thema Fachkräftemangel: Wie groß ist der Bedarf?

Das Paradoxe ist derzeit, dass der Mangel an Aufträgen den Arbeitskräftemangel sogar etwas entschärft hat. Dennoch sind tüchtige Hände in allen Branchen immer willkommen. In manchen Bereichen – zum Beispiel der Pflege – werden unverändert verzweifelt Mitarbeiter gesucht. Was mir wirklich Sorgen macht, ist das Thema Leistungsbereitschaft. Die Wirtschaftskammer Steiermark hat kürzlich eine Studie veröffentlicht, in der 87 Prozent der Befragten zustimmten, dass „Leistung die Basis unseres gesellschaftlichen Wohlstands“ ist. Ein Alarmsignal ist, dass bei den 18- bis 25-Jährigen nur knapp zwei Drittel dieser Aussage zustimmen. Bei der älteren Generation – 61 Jahre und älter – sind es mit 96 Prozent fast alle. Wir müssen also dringend für einen Imagewandel von Leistung sorgen.

Will die Jugend heutzutage nicht mehr arbeiten?

Nein, ich treffe tagtäglich tüchtig junge Menschen in den Betrieben. Aber die Studie ist für mich der Beweis dafür, dass viele nicht mehr daran glauben, durch ihre Leistung auch Wohlstand zu erlangen. Diesen Pessimismus müssen wir abschütteln und durch Zuversicht ersetzen. Dafür braucht es Reformen bei den Rahmenbedingungen. Die derzeitige Situation bietet keine interessanten Anreize für Mehrarbeit, Leistung muss sich im wahrsten Sinne des Wortes wieder „auszahlen“.

Was schwebt Ihnen dabei genau vor?

Die Gesellschaft muss spüren, dass sich Leistung lohnt. Wer mehr leistet, muss das deutlich im Börserl spüren. Einerseits müssen die Steuern auf Arbeit und andererseits die Lohnnebenkosten spürbar gesenkt werden. Derzeit liegt in Österreich die Abgabenlast auf den Faktor Arbeit bei Vollbeschäftigung bei 47,9 Prozent. Das bedeutet, dass ein Unternehmer dem Mitarbeiter 2000 Euro bezahlt, dieser nach den Abzügen jedoch nur 1042 Euro auf die Hand bekommt. Das ist für die Unternehmer enorm belastend und für die Beschäftigten demotivierend.

Man könnte aber auch mehr bezahlen. Das Land Burgenland zeigt es bekanntlich mit dem Mindestlohn vor.

Ich sehe den Mindestlohn sehr kritisch, das habe ich schon mehrmals mit Landeshauptmann Hans Peter Doskozil persönlich besprochen. Im Gegensatz zur Politik müssen private Unternehmen das Geld selbst erwirtschaften, das sie nachher ausgeben können. Das betrifft auch Löhne und Gehälter. Jeder Unternehmer würde gerne mehr zahlen, wenn die Möglichkeit besteht – ein Weg dorthin wäre eben die Abgaben auf Arbeit zu reduzieren.

Der Mindestlohn des Landes sorgt immer wieder für Debatten. (Bild: stock.adobe.com, Krone KREATIV)
Der Mindestlohn des Landes sorgt immer wieder für Debatten.

Das Land steht in der Kritik, der Privatwirtschaft Konkurrenz zu machen.

Ich glaube, dass öffentlich finanzierte und gestützte Konkurrenz gegen die Privatwirtschaft im eigenen Land nicht förderlich ist, da die Wettbewerbsverzerrung immer auf Kosten einer Seite geht. Und das ist in diesem Fall jene Seite, die prägend für den Wohlstand in unserem Land ist. Land, Politik und Wirtschaft müssen daher noch enger zusammenarbeiten, in manchen Bereichen gelingt das bereits, in anderen arbeiten wir daran. Es kann nicht sein, dass private Unternehmer vor dem Zusperren stehen, weil ihnen Landesbetriebe das jahrzehntelang aufgebaute Geschäft wegnehmen.

Zurück zum Thema Fachkräfte. Es wird viel für die Lehre geworben, trägt dies Früchte?

Gerade rund um den Schulschluss hört man immer wieder Eltern, die erzählen, dass ihr Kind „nur“ eine Lehre macht. Dabei gibt es derzeit tolle Perspektiven für Lehrlinge in unterschiedlichsten Berufen, manche Handwerke sind echte Zukunftsbranchen mit tollen Karriere- und Verdienstaussichten. Jeder Jugendliche, der eine Lehre abschließt, wird weltweit einen Arbeitsplatz finden - dazu trägt auch Österreichs einzigartige und hochwertige Lehrlingsausbildung bei. Das „nur“ vor dem Wort Lehre ist so eigentlich fehl am Platz und höchsten ein Relikt aus vergangenen Tagen.

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