Carlos Alcaraz hat am Sonntag seinen Wimbledon-Titel in der Wiederholung des Vorjahresfinales gegen Novak Djokovic souverän verteidigt. Der 21-jährige Spanier war gegen den Serben, der so gerne mit seinem 25. Major-Titel Tennis-Geschichte geschrieben hätte, aber um einiges zu stark. Im Gegensatz zum Fünfsatz-Finalthriller an der Church Road im Vorjahr siegte der Weltranglisten-Dritte nach 2:27 Stunden mit 6:2,6:2,7:6(4) recht glatt, spannend war es aber nur im dritten Satz.
Der Spanier legte damit am für sein Heimatland sporthistorischen Tag vor. Am Abend sollte ja die spanische Fußball-Nationalmannschaft nach dem Willen seiner Landsleute im Finale gegen England den vierten EM-Titel holen. „Ich habe meinen Job schon getan, schauen wir, was die im Fußball machen“, sagte Alcaraz im Zuge des Siegerinterviews und war dabei sehr vorsichtig. Denn so sehr in das Publikum liebt, in Sachen Fußball-EM-Finale sind sie eindeutig nicht auf seiner Seite.
Viel mehr stand der 21-Jährige noch unter dem Eindruck seines neuerlichen Sieges. „Ehrlich, es ist ein Traum für mich diese Trophäe zu gewinnen. In einem Interview als ich elf Jahre alt war, sagte ich, dass es mein Traum ist, Wimbledon zu gewinnen. Ich habe es schon vorher gesagt: für mich ist es das schönste Turnier, der schönste Platz und die schönste Trophäe.“ Letztere hatte er von Prinzessin Kate überreicht bekommen.
Als erst sechster Spieler in der Profi-Ära nach Rod Laver, Björn Borg, Rafael Nadal, Roger Federer und Djokovic hat er hintereinander innerhalb weniger Wochen das besonders schwierige Double, die French Open und Wimbledon, gewonnen. „Es ist eine große Ehre für mich, Teil dieses Kreises zu sein. Das sind große Champions, ich sehe mich selbst noch nicht als Champion“, sagte Alcaraz bescheiden und fügte nach dem „Einspruch“ des Publikums lachend hinzu: „nicht so wie sie“.
Alcaraz vergaß aber auch nicht, seinem Finalgegner allen Respekt zu zollen. „Novak, es waren sehr schwere Wochen für dich. Ihr habt tolle Arbeit nach der Verletzung geleistet. Du wusstest nicht, ob du hier überhaupt spielen kannst. Was für ein toller Lauf, ich habe großen Respekt vor dir.“
Der 24-fache Major-Sieger hatte freilich auch nur lobende Worte für den Youngster. „Er war heute definitiv sehr stark. Es ist nicht das Resultat, das sich wollte“, gestand Djokovic. Er habe in den ersten beiden Sätzen sein Level nicht gefunden, während Alcaraz aus seiner Sicht „komplettes Tennis“ gespielt hat. „Ich habe versucht, ihn zu pushen, und habe das Match ein bisschen rausgezögert. Aber er ist ein absolut verdienter Sieger heute.“
Djokovic, der vor rund fünf Wochen eine Knieoperation hatte, war aufgrund dieser Vorgeschichte dann letztlich doch auch zufrieden. Dass er sein zehntes Wimbledonfinale erreicht hat, schien vor dem Turnier kaum möglich. „Natürlich. Ich muss sehr stolz sein, aber natürlich ist da ein bisschen Enttäuschung dabei. Wenn ich zurückdenke was ich in den vergangenen vier, fünf Wochen durchgemacht habe, muss ich sagen, dass ich sehr zufrieden bin. Wimbledon war immer mein Kindheitstraum. Ich bin ein Kind, der seinen Kindheitstraum lebt.“
Beim Blick auf seine Kinder Stefan (9) und Tara (6) wurde Djokovic sentimental. „Ich bekomme jedes Mal Tränen, wenn ich meine Kinder sehe und bin dankbar, dass meine zwei Engel Tennis auch beginnen zu lieben.“ Zu seinem Sohn meinte er gar: „Ich weiß, nicht ob ich die Nerven habe, dich als Trainer zu begleiten, aber ich werde für dich da sein.“
Das Match hatte zuvor gar nicht nach dem Geschmack von Rekord-Major-Sieger Djokovic begonnen. Im 14 Minuten langen Auftaktgame wehrte er zunächst noch vier Breakchancen ab, die fünfte nutzte dann aber Alcaraz. Als der Spanier mit einem Zu-Null-Servicespiel auf 3:1 stellte und danach dem „Djoker“ erneut den Aufschlag zum 4:1 abnahm, war der erste Satz vorentschieden. Djokovic war ungewöhnlich oft ans Netz gekommen und machte am Netz auch nur vier von zwölf Punkten. Nach Abwehr einer Rebreakmöglichkeit des Serben stellte Alcaraz nach nur 41 Minuten die 1:0-Satzführung zum 6:2 her.
Wer nun das große Aufbäumen von Djokovic erwartet hat, wurde enttäuscht. Denn der siebenfache Wimbledonsieger musste erneut – u.a. vor den Augen von Prinzessin Kate und US-Schauspielstar Tom Cruise – gleich zum Auftakt seinen Aufschlag abgeben. Damit geriet das Unternehmen 25. Major-Sieg für Djokovic zur „Mission Impossible“. Zum 2:5 verlor er erneut sein Service und Alcaraz nutzte dann den ersten Satzball zum neuerlichen 6:2.
Den dritten Durchgang hielt Djokovic, der mit einem Sieg auch mit Roger Federer (acht Wimbledontitel) hätte gleichziehen können, etwas offener. Allerdings erst, nachdem er im dritten Game nicht weniger als vier Breakbälle abgewehrt hatte. Bei 3:2 für Djokovic schien eine Wende denkbar, als der Serbe einen Breakball hatte. Die Überlegenheit der ersten beiden Sätze war verflogen und dies lag vorwiegend an einer besseren Leistung von Djokovic. Das Match erreichte endlich jene Spannung, die man in den einseitigen ersten beiden Sätzen vermisst hatte.
Alcaraz verpasste drei Matchbälle
Alcaraz legte aber einen Gang zu und mit einem überzeugenden Break zum 5:4 schien alles klar. Noch viel mehr als Alcaraz bei 40:0 nach 2:07 Stunden drei Matchbälle vorfand. Doch der Spanier bekam den im Tennis nicht unüblichen „schweren Arm“, er wurde nervös und Djokovic spielte stabil die Bälle zurück. Dem Weltranglisten-Zweiten gelang so mit großer Hilfe von Alcaraz noch das Rebreak zum 5:5 und in der Folge die 6:5-Führung. Alcaraz servierte sich danach ins Tiebreak.
Als Alcaraz bei 6:4 dann seinen vierten Matchball hatte, behielt er die Nerven und servierte aus. Viertes Major-Finale, vierter Sieg hieß es am Ende für Alcaraz, der dafür einen Siegerscheck in Höhe von umgerechnet 3,21 Mio. Euro kassierte.
Zur Spannung am Ende meinte er rückblickend. „Novak ist ein unglaublicher Fighter. Ich wollte den Punkt mit dem Service gewinnen, das konnte ich nicht. Es war schwer für mich, ich habe versucht ruhig zu bleiben. Ich bin froh, dass ich ein tolles Tiebreak gespielt habe.“
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