Lebensmittel-Report

Der große Selbstschwindel vor dem Supermarktregal

Österreich
13.07.2024 19:30

Ein jüngst präsentierter Report zeigt auf, dass unser Konsumverhalten höchst widersprüchlich ist. Lügen wir uns in die eigene Einkaufstasche?

Der Aufschrei in Leserbriefen und Online-Kommentaren ist immer groß, wenn ein neuer „Fleisch-Skandal“ aufgedeckt wird und erschütternde Bilder von grauenhafter Tierhaltung an die Öffentlichkeit gelangen. Kein Wunder, niemand möchte Fleisch auf dem Teller haben, das von einem gestressten und kranken Tier stammt, das noch nie Tageslicht gesehen hat. Es ist dann bemerkenswerterweise auch immer überall zu hören, dass viele von sich meinen, nicht Teil dieses Problems zu sein.

Wir predigen Bioqualität, greifen aber zum Billigsten
„Wenn überhaupt, dann beziehen wir nur Fleisch von Betrieben, wo wir uns den Stall angeschaut haben“, „Ich kaufe keine Billig-Aktionen beim Diskonter“ oder „Wir kaufen nur Bioware in höchster Qualität“ – so lautet dann vielerorts der Tenor.

Zitat Icon

Unsere Landwirte arbeiten von früh bis spät, um Nahrungsmittel in bester Qualität zu erzeugen. Wir Konsumenten müssen uns beim Griff ins Regal bewusst dafür entscheiden.

Maggie Entenfellner, Leiterin der „Krone“ Tierecke

Auch in einer Motivanalyse der AMA gaben 48 Prozent – also beinahe jeder Zweite – an, dass ihnen Tierwohl beim Einkauf wichtig ist. Doch die Realität an der Supermarktkasse spricht eine andere Sprache. Der Bio-Anteil bei unserem Fleischkauf beläuft sich auf mickrige vier Prozent. Wenn wir biologische Herstellung wählen, tun wir dies in erster Linie bei Milch und Milchprodukten.

So darf etwa jede vierte Packung Milch bio sein, bei Naturjoghurt mehr als jedes fünfte. Darüber hinaus werden knapp neun Prozent der Butter bio eingekauft, bei Käse sind es annähernd acht Prozent. Wir träumen also von den wunderschönen Weiden und dem Bauern mit dem herzigen Schweinderl, das uns die Werbung so farbenfroh verspricht, greifen dann aber dennoch eher zur billigeren Ware aus konventioneller Haltung.

(Bild: Krone KREATIV/Adobe Stock)

Report: Konsumverhalten widersprüchlich
„Genau vor diesem Dilemma stehen wir aktuell in der Diskussion rund um die Schweinehaltung und dem Vollspaltenboden. Wir lehnen das ab, haben sehr hohe Ansprüche an die Haltungsform und Produktion, kaufen dann aber das Billigste“, so Maria Fanninger, Gründerin von „Land schafft Leben“. Der Verein präsentierte diese Woche seinen aktuellen Report zum Lebensmittelkonsum und zeigt das widersprüchliche Konsumverhalten der Österreicher auf.

Unsere schwer arbeitenden Landwirte müssen daher von der Gesellschaft und auch der Politik unterstützt werden, wenn sie einerseits höchste Tierwohl-Standards umsetzen sollen, ihnen aber andererseits diese teureren Produkte zu wenige Menschen abkaufen. Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig ist sich dieser Umstände bewusst und möchte nun verstärkt Anreize zur Stärkung der biologischen Landwirtschaft setzen.

Österreich soll Bio-Land Nummer eins bleiben
Ab 2025 sollen jährlich rund 30 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich für Bio-Betriebe zur Verfügung stehen. „Mein Ziel ist, dass Österreich auch weiterhin Bioland Nummer eins bleibt“, so Totschnig.

Doch wir alle müssen einen Beitrag dazu leisten, denn jeder Griff ins Regal ist auch ein Produktionsauftrag. Vielen ist gar nicht bewusst, wie viel Macht sie mit ihrem Konsumverhalten haben. Wer sich beim Einkauf überlegt, was er eigentlich will, und dann schaut, was vor ihm im Einkaufswagerl liegt, kann so ganz einfach ein Zeichen setzen.

Maria Fanninger und Hannes Royer vom Verein „Land schafft Leben“ präsentieren den neuen Lebensmittelreport, in dem Widersprüche aufgezeigt werden.  (Bild: Christian Hoppe)
Maria Fanninger und Hannes Royer vom Verein „Land schafft Leben“ präsentieren den neuen Lebensmittelreport, in dem Widersprüche aufgezeigt werden. 

So wird Bio zur Erfolgsgeschichte
Unsere Landwirte leisten täglich unschätzbar wertvolle Arbeit und bringen Produkte hervor, um die uns andere Länder beneiden. Norbert Hackl wurde 2022 mit seinem Bio-Betrieb „Labonca„ zu den besten drei Europas gewählt! Die „Sonnenschweine“ auf dem Hof dürfen laufen, wühlen und suhlen. Die Schlachtung erfolgt ohne Transportwege im Weideschlachthaus.

Norbert Hackl landete 2022 am EU-Podest, Präsident Alexander van der Bellen ist erfreut. (Bild: Lueflight)
Norbert Hackl landete 2022 am EU-Podest, Präsident Alexander van der Bellen ist erfreut.

Auch das Bio-Landgut Esterhazy hat mit seiner Marke „Pannatura„ seit über 20 Jahren alle agrarischen Flächen auf eine rein biologische Wirtschaftsführung umgestellt. Die Bio-Angus-Mutterkuhherde mit aktuell rund 120 Stück ergänzt seit 2006 die Bio-Landwirtschaft am Seehof. Während der Sommermonate weiden die Rinder auf den Trockenrasen entlang des Schilfgürtels des Neusiedler Sees und schützen diesen Lebensraum vor Verbuschung. Geschäftsführer Matthias Grün hat die Vertriebswege perfekt ausgebaut und setzt auf einen Mix aus Ab-Hof-Verkauf, Onlinevermarktung und ausgewählte Partner im Lebensmitteleinzelhandel.

Elisabeth Winkler und Geschäftsführer Matthias Grün von „Pannatura“ zeigen Maggie Entenfellner ihren Vorzeige-Betrieb. (Bild: Radlinger)
Elisabeth Winkler und Geschäftsführer Matthias Grün von „Pannatura“ zeigen Maggie Entenfellner ihren Vorzeige-Betrieb.
Gastkommentar von Hannes Royer vom Verein „Land schafft Leben“
Sind wir alle Heuchler?

Laut Umfragen ist das Wohl der Tiere beim Fleischkauf für jeden Zweiten wichtig. Trotzdem liegt der Bio-Anteil bei nur vier Prozent. Warum? Wir sind Meister, lautstark Dinge zu fordern, aber nichts dafür zu tun. Stattdessen schieben wir die Verantwortung ab – an die Politik, an den Handel, an die Bauern. Es wird Zeit, dass wir uns ehrlich eingestehen: Niemand zwingt uns, Lebensmittel zu kaufen, die wir eigentlich gar nicht haben wollen. Nicht einmal der billigste Preis.

Stellen Sie sich vor, Sie müssten sich zwischen Schweinefleisch aus artgerechter Tierhaltung und solchem aus nicht-artgerechter Tierhaltung entscheiden. Was würden Sie wählen? Die Antwort ist für die meisten theoretisch wahrscheinlich klar. Tatsächlich stehen wir aber auch wirklich jeden Tag im Supermarkt vor genau dieser Wahl – und entscheiden uns dann eben nicht für Tierwohl, sondern für das billigste Fleisch.

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