In Wien sind dieses Jahr über den Familiennachzug jeden Monat im Schnitt 300 Kinder und Jugendliche neu ins Schulsystem gekommen, Lehrervertreter warnten deshalb vor einem „Kollaps“ der Wiener Pflichtschulen, die schon davor durch Personalmangel und viele Schülerinnen und Schüler mit Deutschprobleme gefordert waren. Mittlerweile gehen die Zahlen zurück, Kinder sind aber weiter die größte Gruppe, speziell jene bis sieben. Das spüren mittlerweile auch die Wiener Kindergärten.
Auch wenn es in Wien grundsätzlich genug Plätze gibt, wird das Angebot zunehmend knapp, wie der APA Expertinnen aus der Praxis berichten. Gerade von den Kindern, die über den Familiennachzug nach Wien kommen, bekämen nicht alle ein Angebot, so Natascha Taslimi vom Netzwerk Elementarer Bildung Österreichs (NEBÖ).
Personal fehlt
Es gebe in Wien zwar genug Raum für alle, es fehle aber das Personal, um die Gruppen zu bespielen. Die Situation sei von Bezirk zu Bezirk unterschiedlich. Gerade im innerstädtischen Bereich gebe es aber oft keine Plätze mehr, berichtet auch Viktoria Miffek von der Kindergarten-Plattform Educare.
Die Konzentration der Kinder in bestimmten Bezirken kann dabei durchaus zu Überforderung führen. „Wir haben ja jetzt schon einen Fachkraft-Kind-Schlüssel, der es uns nicht ermöglicht, in dem Ausmaß zu fördern und auf Kinder individuell einzugehen“, so Miffek.
In manchen Kindergärten bestehe nur noch die Hälfte des angestellten Personals aus ausgebildeten Elementarpädagoginnen, da fehle dann auch Fachwissen für den Umgang. „Das fällt einfach nicht in den Kompetenzbereich einer Elementarpädagogin, Kinder mit Traumata in ihrer Entwicklung zu begleiten. Das geht sich in dem Setting nicht aus“, kritisiert auch NEBÖ-Sprecherin Taslimi. Die Pädagoginnen und Pädagogen würden in dieser Frage alleingelassen.
„Tropfen auf dem heißen Stein“
Maßnahmen der Stadt wie zusätzliche Sprachförderkräfte oder regelmäßige Schulungen u.a. im Bereich Traumapädagogik sind für Miffek „natürlich gut, aber ein Tropfen auf dem heißen Stein eines sehr belasteten Systems“. Statt externer Sprachassistenz, die auch Taslimi kritisch sieht, bräuchte es vielmehr einen besseren Betreuungsschlüssel und einen langfristigen Stufenplan zur Verbesserung der Qualität in den Kindergärten.
Aus anderen Bundesländern hat man weder beim NEBÖ noch bei Educare bisher Rückmeldungen über Platzprobleme in Zusammenhang mit dem Familienzuzug. Wie viele Kinder unter diesem Titel jeden Monat neu hinzukommen und ob es ausreichend Plätze für sie gibt, ist weitgehend unklar. Die Daten würden nicht erhoben oder bei den Trägern – oft sind das die Gemeinden – liegen, hieß es aus den für die Kindergärten zuständigen Stellen der Länder beim APA-Rundruf.
Keine konkreten Daten aus Bundesländern
Auch im Schulbereich konnten die Bundesländer auf Anfrage keine Zahlen zum Familiennachzug liefern. Aus Niederösterreich hieß es etwa, die Daten würden nicht zentral erhoben. Derzeit seien die Herausforderungen an den Schulen jedenfalls bewältigbar. In Vorarlberg haben mit März knapp 500 Schüler mit Asylhintergrund eine Schule besucht, wie viele über Familiennachzug gekommen sind, ist nicht bekannt. Bei Kindern, die nicht alphabetisiert sind und die noch nie eine Schule besucht haben, sei die Herausforderung groß. Die Kapazitäten an den Schulen würden laut Landespressestelle aber aktuell grundsätzlich ausreichen.
In Tirol kämen nur in Einzelfällen unter dem Schuljahr Kinder hinzu, über Motive wie Familiennachzug führe man keine Statistik, hieß es aus der Bildungsdirektion. Prinzipiell gebe es aber genug Ressourcen, um jedem einen Schulplatz zur Verfügung zu stellen. Auch Kärnten dürfte nach eigener Einschätzung der Familiennachzug „nicht sehr stark betreffen“, laut Bildungsdirektion gibt es keine spürbaren Zuwächse bei Kindern mit einer anderen Erstsprache als Deutsch. Auch im Burgenland gab es zuletzt keine wesentliche Veränderung der Zahlen asylsuchender Kinder, zum Familiennachzug konkret gibt es keine Daten. Nicht alphabetisierte Kinder kämen jedenfalls nur vereinzelt hinzu.
„Keine Kapazitäten“
In Salzburg kommen pro Monat 44 Kinder aus dem Ausland neu ins Schulsystem. Noch kann laut Land eine adäquate Beschulung sichergestellt werden, die Mittelschulen und Polytechnischen Schulen in der Stadt Salzburg kämen aber an ihre Kapazitätsgrenzen. Die Raum- und Personalsituation an den steirischen Schulen sei angespannt, aber im Griff, hieß es auf APA-Anfrage aus dem Büro von Bildungslandesrat Werner Amon (ÖVP), ohne Zahlen zu nennen. „Allerdings gibt es keine Kapazitäten, um zusätzliche Kinder im Rahmen des Familiennachzugs aufzunehmen.“
In Oberösterreich kommen zwei Promille der rund 111.000 Pflichtschüler aus einem nicht-europäischen Land, Zahlen zum Familiennachzug werden laut Bildungsdirektion nicht erhoben. Für Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) liegt es ungeachtet dessen „auf der Hand, dass Österreich und Oberösterreich einfach durch die Verteilung der Asylwerber in der EU und daneben auch durch das Phänomen des Familiennachzugs an die Belastungsgrenzen gebracht worden sind“, wie er zuletzt im APA-Interview betonte.
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