Mordprozess in Tirol

Vater von Leon (6) erklärt die letzten Stunden

Tirol
17.07.2024 20:08

War der eigene Vater der Mörder des kleinen Leon (6) aus dem Tiroler Unterland? Prozessauftakt um eine Sektflasche als Tatwaffe, Schrittzähler und um ein Familienleben zwischen Hoffnung und Aufopferung. Gespickt war der Tag auch mit Emotionen und Tränen. 

Ein Dutzend TV-Teams umringt den Angeklagten (40), als er nach 509 Tagen U-Haft konzentriert und zunächst gefasst vor den Geschworenen Platz nimmt.

„Ich glaube, dass Sie ein guter Mensch sind“
„Ich glaube, dass Sie ein guter Mensch sind“, blickt der Staatsanwalt zum ehemaligen deutschen Gebirgsjäger und Personal-Trainer – doch das schwierige Leben mit dem behinderten und oft ruhelosen Kind (Syngap- Syndrom) habe er irgendwann nicht mehr verkraftet.

Der angeklagte Vater beim Betreten des Gerichtsaals. (Bild: Birbaumer Christof/Krone KREATIV)
Der angeklagte Vater beim Betreten des Gerichtsaals.

Leon fühlte sich von Wasser sehr angezogen
Laut Anklage habe er im August 2022 vorgetäuscht, von einem Räuber mit einer Flasche bewusstlos geschlagen worden zu sein. Der Vater beharrt auch am Landesgericht Innsbruck darauf, dass Leon danach in die hochwasserführende Großache gekrabbelt und ertrunken sei. Was spricht für und was gegen diese Version?

krone.at-Ticker: Das war der erste Prozesstag

Kein Kindergartenplatz, ein Tiefpunkt für Familie 
Das Motiv: Der Staatsanwalt skizziert, wie Leon vier Tage vor der Tragödie die Absage eines Kindergartens erhielt. „Der bisher schlimmste Tag“, tauschten sich die Eltern im Chat darüber aus. „Dieser weitere Niederschlag“, glaubt der Ankläger, „hat das Fass zum Überlaufen gebracht“.

Die Flasche als Tatwaffe: Am Tatort fand man Scherben einer Frizzante-Flasche, die eine 15 Millimeter lange Rissquetschwunde am Hinterkopf verursacht haben soll. Ein selbst angefertigtes Video und eine Überwachungskamera in St. Johann zeigen, dass die Flasche vor der Tat im Kinderwagen war, sie also nicht vom Täter stammen kann. „Die Flasche lag wie vieles im Ramschfach des Buggys, ich habe sie nie zuvor gesehen“, beteuerte der Vater.

Richter Andreas Fleckl hakte mehrmals nach. (Bild: Birbaumer Christof)
Richter Andreas Fleckl hakte mehrmals nach.
Staatsanwalt Joachim Wüstner (Bild: Birbaumer Christof)
Staatsanwalt Joachim Wüstner
Albert Heiss (links) und Mathias Kapferer, die Verteidiger des Angeklagten. (Bild: Birbaumer Christof/Krone KREATIV)
Albert Heiss (links) und Mathias Kapferer, die Verteidiger des Angeklagten.

Die Verteidigung weist hingegen auf Fortschritte von Leon hin, er habe meist durchgeschlafen, sich mit Gebärden verständigt, man hatte eine neue Betreuung. Unter Tränen schildert der Vater: „Leon hat jede einzelne Schneeflocke gefeiert, als wäre sie aus purem Gold.“ Er sei ein Sonnenschein gewesen – „und viele haben ihn sehr gemocht, obwohl er nicht mal sprechen konnte“.

Schrittzähler: Am iPhone des Angeklagten wurden die Schritte in der Tatnacht aufgezeichnet. Entscheidende 13 Meter, die der angebliche Räuber mit dem Beute-Handy bis zu einem Müllkübel zurückgelegt haben müsste, fehlen aber. Die Verteidigung kontert vehement: Der Schrittzähler sei fehlerhaft.

Google-Suche: Dem 40-Jährigen wird vorgehalten, rund vier Wochen vor der Tat „Ohnmacht“ gegoogelt zu haben. Er erklärte dies mit einem Feuerquallen-Erlebnis im Jesolo-Urlaub. Nur deshalb sei er auf „Kreislaufkollaps“ und „Ohnmacht“ gestoßen.

Ist Bewusstlosigkeit nach Schlag realistisch?
Der Gerichtsmediziner sieht das Verletzungsbild mit den Angaben des Angeklagten („wie ein Blitzschlag im Kopf“) vereinbar, eine lange Bewusstlosigkeit sei aber nicht plausibel. Gutachter der Verteidigung zogen dies vehement in Zweifel.

Zwischenfazit nach Tag eins: Selbst erfahrene Beobachter rätseln, wie dieser Prozess endet. Heute ist Leons Mama als Zeugin geladen, den ersten Prozesstag hat sie nicht live mitverfolgt. „Zwischen ihr und dem Angeklagten passt kein Blatt Papier“, verweist die Verteidigung auf den großen Rückhalt der gesamten Familie.

Größter Medienandrang, den das Landesgericht Innsbruck je erlebte
Übrigens: Der Medienandrang beim Prozessauftakt stellte unter Beweis, dass es einer der aufsehenerregendsten Kriminalfälle ist. Rund 25 Medienvertreter nicht nur aus Österreich, sondern vor allem auch aus Deutschland waren live vor Ort dabei.

Interviews, Live-Einstiege, Reportagen
So zum Beispiel die TV-Sender RTL und ZDF. Beide Teams reisten bereits einen Tag vorher nach Tirol, um erste Eindrücke sowie auch Interviews zu drehen – jeweils mit Redakteur, Kameramann und Tontechniker. Gestern waren sie schon ab den frühen Morgenstunden vor dem Landesgericht Innsbruck anzutreffen – bei Live-Einstiegen für ihre Nachrichten-Sendungen bzw. für ihre Reportagen. Auch ein Vertreter der Bild-Zeitung nahm die weite Reise nach Tirol in Angriff.

Ihr Fazit: „Es ist wirklich schwer zu sagen, wie es ausgehen wird.“ 

Fortsetzung am 18. Juli und 1. August
Am morgigen Donnerstag, den 18. Juli, geht die Verhandlung weiter. Das Urteil wird aus jetziger Sicht für Donnerstag, den 1. August, erwartet. Die „Krone“ ist auch an diesen beiden Tagen live im Gerichtssaal vor Ort.

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