Mit Album „Veritas“

Nu-Metal-Legende P.O.D.: „Wir haben überlebt“

Musik
20.07.2024 09:00

Mit „Youth Of The Nation“ schrieben die Kalifornier P.O.D. einen der besten und wichtigsten Songs in der Nu-Metal-Hochphase – 23 Jahre später veröffentlichen sie mit „Veritas“ ein fulminantes Studioalbum und brillierten am Nova Rock. Sänger Sonny Sandoval und Gitarrist Marcos Curiel erzählen uns im „Krone“-Talk von einer unüblichen Karriere.

(Bild: kmm)

Donnernde Grooves, nachvollziehbare Songstrukturen, überlegte Texte und memorable Riffs, die scheinbar mühelos aus dem Ärmel geschüttelt werden. Das kalifornische Nu Metal/Groove Metal-Kollektiv P.O.D. zeigte sich mit der Veröffentlichung seines neuen Albums „Veritas“, dem ersten seit sechs Jahren, in unerwarteter Bestform. Die Reggae- und Latin Rock-Ausflüge der Vorgängeralben hat man zugunsten der alten Stärken der Band hinter sich gelassen. Die Mischung aus viel Rap, noch mehr Groove, ein bisschen Nu Metal und einer kräftigen Portion Old-School-Hip-Hop ertönt unerwartet attraktiv und zeitlos. Das Besondere an der Sache? Es ist das mittlerweile elfte Studioalbum der Band in 30 Jahren. Wo also andere Combos auf reine Nachlassverwaltung aus sind und sich die fetten Schecks für Nostalgievorstellungen abholen, zeigen P.O.D. noch einmal Krallen.

Von Fans, für Fans
„Wir lieben es, neue Musik zu erschaffen und damit auf die Bühne zu gehen“, erzählt der charismatische Frontmann Sonny Sandoval, der nach einer kurzen Auszeit wieder seine mächtigen Dreadlocks unter die Haube gezwirbelt hat, „das Feedback auf das Album hat uns in positiver Hinsicht überrascht und bringt uns tolle Konzerte ein. Wir versuchen also, so gut es geht damit unterwegs zu sein.“ Auf Veritas überzeugt nicht nur das Songmaterial, sondern auch die Gästeliste. Unter anderem hört man Lamb Of God-Sänger Randy Blythe und Tatjana von der ukrainischen Erfolgsband Jinjer. „Es ist nicht so, dass wir herumsitzen und uns die hippsten Personen der Szene überlegen“, lacht Gitarrist Marcos Curiel, „diese Kooperationen passieren, weil entweder wir Fans von ihnen oder sie von uns sind. Features haben wir schon seit den frühen 2000ern. Jetzt scheinen sie nach außen hin mehr aufzufallen.“

In Österreich waren P.O.D. trotz aller Erfolge seltene Gäste. Neben den Nova-Rock-Auftritten 2013 und heuer, 2024, steht nur ein Gig im Wiener Flex 2019 in der Bilanz. „Ach ja, der kleine Punk-Rock-Club neben dem Fluss mit den abgefuckten Couches und Graffiti überall“, lacht Curiel, „das war eine Bombenshow. Die Bude war bis oben voll und es hat nur so gebebt. Ich habe das vorher auch nicht despektierlich gemeint, ich finde Locations mit einer solchen Seele großartig.“ Dass P.O.D. gerade in Europa nie so ganz Fuß fassen, liegt am Wirtschaftlichen. „Es war schon vor Corona schwierig, aber momentan ist das Touren in Übersee brutal“, so Sandoval, „wir sind alle rund um die 50 und wollen nicht auch noch Verluste machen, wenn wir so viel unterwegs sind. Wir würden gerne öfters hier spielen, aber es muss sich auch rentieren.“

Band als Auffangbecken
Die Einflüsse P.O.D.s kommen aus den verschiedensten Ecken und Genres, als wegweisende und prägende Bands können aber sicher die Suicidal Tendencies, die Bad Brains und Metallica genannt werden. Die Band beruft sich in ihrem Namen und den Texten auf das Christentum und geht offen religiös ans Werk. Bandgründer und Drummer Wuv Bernardo verlor 2021 die Lust am Spielen und ist seitdem außen vor. Er und Curiel gründeten die Band Anfang der 90er und holten kurz darauf Sandoval ans Mikrofon. Bernardo ist Sandovals Cousin und gab ihm eine Möglichkeit, sich vom schmerzlichen Verlust seiner Mutter zu lösen, die einer plötzlich aufkommenden Krankheit erlag und das Leben des sympathischen Sängers durchrüttelte. Als der Nu Metal rund ums Millennium die Welt eroberte, schwammen P.O.D. erfolgreich im Fahrwasser der Großen des Genres. Es begann schon 1999 mit „The Fundamental Elements Of Southtown“ und explodierte 2001 mit dem Meisterwerk „Satellite“. Die Singles „Youth Of A Nation“ und „Alive“ dürfen bis in alle Ewigkeit auf keiner 00er-Jahre Retroparty fehlen.

„Diese verdammten Songs sind mittlerweile älter als die Hälfte unseres Publikums hier“, lacht Curiel laut auf, „ich finde das insofern auch besonders, als dass Englisch nur selten die Muttersprache vieler unserer Fans ist, sie diese Songs aber bis ins letzte Detail kennen und verstehen. Musik muss sich mit Menschen verbinden und speziell mit ,Satellite‘ gelang uns das zum richtigen Zeitpunkt außerordentlich gut. Wir haben nie unsere Herkunft verleugnet, hatten immer was zu sagen und wollten die Leute mit unseren Songs dazu motivieren, positiv zu denken und für sich einzustehen.“ Es ist fraglos Tatsache, dass dieses Album die gesamte Karriere von P.O.D. gebildet und geprägt hat. Das hat den Vorteil, dass man immer in aller Munde blieb, aber auch den Nachteil, dass selbst ein amtliches Brett wie das aktuelle „Veritas“ nur verlieren kann - weil die Nostalgie immer gewinnt. Damit haben die Musiker überhaupt kein Problem, sehen den Kult um diese alten Songs viel mehr als großes Highlight, das man auf der Bühne immer und immer wieder erleben darf.

Kampf gegen Unsicherheiten
Seit drei oder vier Alben schreiben Sandoval und Curiel die Songs quasi zu zweit. Der Gitarrist kommt mit den ersten Riffs und Ideen, Sandoval arrangiert und schreibt die Texte dazu. „Wir hatten das große Problem, durch die Pandemie gezwungen, getrennt voneinander zu arbeiten. Das hatte auf Langstrecke aber den Vorteil, dass wir uns erstmals überhaupt Zeit nahmen, um die Ideen zu analysieren, zu überarbeiten und zu perfektionieren. Es lief uns ja nichts davon, wir hatten unendlich Zeit. Normalerweise haben wir ein Album in drei Wochen fertiggestellt.“ Nach sechs Jahren ohne musikalisches Lebenszeichen war sich die Band selbst unsicher über ihre Stellung in der gegenwärtigen Musikwelt. „,Veritas‘ bedeutet Wahrheit“, so Sandoval, „es geht um unsere Wahrheit. Wie wir uns als Menschen in dieser Welt fühlen. Deshalb ist auch der Sound so ungefiltert und echt. Es ist schön, dass das auch so ankommt.“

Mit einem weiteren Österreich- oder Europa-Comeback darf man nach dem Nova-Rock-Gig nicht zwingend rechnen, zu prekär ist die finanzielle Situation. „Wir würden gerne Teil eines riesigen Packages sein“, hofft Sandoval aber trotzdem, „vier oder fünf Bands aus unserer Generation, die die Fans begeistern. Wir steigen zusammen in zwei Busse, füllen die Hallen und haben die Zeit unseres Lebens. Das würde mir irrsinnig viel Spaß machen.“ Die beiden Musiker zeigen sich überrascht davon, dass es eine Art Revival ihres Sounds gibt. „In den USA spielen wir mit Kids, die so aussehen wie wir früher und sich auch so kleiden. Ziemlich irre, aber auch ziemlich cool. Aber noch cooler ist, dass wir noch immer da sind, dass man unsere Musik mag und zu unseren Shows kommt. Wir haben überlebt, das können nicht alle behaupten.“

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