Live in der METAstadt

Khruangbin: Der Freiluft-Königreichssaal ruft

Musik
18.07.2024 00:51

Bei ihrer Österreich-Live-Premiere zeigten sich bei Khruangbin in der restlos ausverkauften Wiener METAstadt Mittwochabend nicht weniger als 8000 Fans aus aller Herren Länder. Gemeinsam mit den Parcels ließ man Improvisation und Instrumentalkunst walten und zog das Publikum in einen Sog der sonischen Psychedelik.

(Bild: kmm)

In die Wiener METAstadt zu kommen, fühlt sich ein bisschen wie ein Festival an – nur ohne Camping und mit adäquater öffentlicher Anbindung. Dazu hat man viele Déjà-vus. Die Temperaturen sind an diesem Mittwoch ähnlich wie am Dienstag – zwischen heiß und schwül. Die Gesichter im Publikum sind mitunter dieselben wie am Vortag, was auch am gelungenen Nischenbooking liegt. Jungle und Khruangbin ziehen natürlich dieselben Musikbegeisterten an, glänzen doch beide mit vornehmlich instrumentaler Tonkunst, die sich perfekt für sommerliche Open-Airs mit Qualitätsanspruch eignet. Wer genauer schaut, findet aber doch leichte Nuancierungen. Der Foodtruck mit dem schmackhaften Gyros steht heute seitenverkehrt, statt 6.500 Leuten sind rund 8.000 da, was nichts anderes als „restlos ausverkauft“ bedeutet und ein paar mehr Wolken sorgen zumindest bei der Anreise für leichte Hoffnung auf windige Abkühlung.

(Bild: Andreas Graf)

Live kein Trance mehr
Nach einem R&B-souligen Auftakt des aufstrebenden Wieners Lukas Oscar (18 Uhr wochentags ist halt auch im Sommer schwierig für Berufstätige) koalieren die gebürtigen Australier Parcels mit dem aufziehenden Sonnenuntergang. Eine bessere Mischung könnte man thematisch gar nicht finden, auch wenn die Band mittlerweile wieder die Party-Trance-Pfade des 2023 veröffentlichten Live-Albums verlassen haben, wie Gitarrist Jules Crommelin vor dem Gig im „Krone“-Interview erzählt. „Eine Zeit lang sind wir da voll reingekippt, aber jetzt gehen wir wieder zur Basis zurück.“ Den halben Sommer über wäre man bei fetten Electro-Partys auf nächtliche Zeltbühnen gestellt worden, in der Hoffnung, dass „wir unser Trance-Set spielen. Aber das war nie der Plan“, lacht Crommelin. Mit dem opulenten Konzeptdoppelalbum „Day/Night“ betrat man vor drei Jahren neue Songwriting-Sphären, die man aber jetzt wieder verlassen möchte.

(Bild: Andreas Graf)

„Vielleicht liegt es daran, dass wir heuer unser zehnjähriges Jubiläum haben“, sinniert der Gitarrist, „aber wir wollen eigentlich wieder zum Sound der frühen Tage. Er war ungezwungener und wir haben dahingehend schon einige Pläne und viel vor.“ Auf neue Songs und ein eventuelles Album darf man sich wohl bald freuen. „Würden nicht so viele Interessen von Plattenfirmen dahinterstecken, würden wir schon längst mehr veröffentlichen, aber wir müssen ein bisschen nach den Regeln des Business spielen.“ Parcels sind fünf Kinder-/Surferfreunde aus Australien, die 2015 gemeinsam nach Berlin zogen und anfangs finanziell abgebrannt in einer Wohnung auf Couch und Boden schliefen. „Wir haben alles miteinander erlebt und durchgemacht, aber ich und ein Kollege wohnen mittlerweile wieder in Australien.“ Die Magie von Berlin als perfekter Ort der Subkultur sei passe. „Alles ist teurer geworden und nicht mehr so interessant. Aber das ist überall so. Zudem sind wir keine 19 mehr und leben unsere eigenen Leben.“ Die Umzüge haben der Freundschaft aber nicht geschadet.

(Bild: Andreas Graf)

Wiener Schnitzel und „Baywatch“
Die Live-Show in der METAstadt ist nicht nur ein Beweis des Parcel’schen Könnens, sondern auch der Tourabschluss, den man mit einer intensiven und spielfreudigen Show zelebriert. Die Seichtigkeit der Songs, die zuweilen irgendwo zwischen Yacht-Pop und „Baywatch“-Soundtrack angesiedelt ist, mögen manche bekritteln, aber sie geben einen zugänglichen Halt, der eine kräftige Kante Mainstream-Zugänglichkeit in den Grundstock des Indie-Pop der Band verwebt. Über das zehnjährige Band-Jubiläum freut man sich nicht ohne eine gewisse Portion Stolz. „Früher mal hieß es, dass wenn man als Band ein Jahrzehnt lang überlebt, man es schon ordentlich weit gebracht hat. Insofern können wir uns schon auch einmal darüber freuen.“ Wien als Live-Tourabschluss ist für Parcels auch nicht die schlechteste Station. „Wir hatten einen freien Tag und haben bis 13 Uhr geschlafen, bevor es zu einem richtig guten Wiener Schnitzel ging. So kann man leben.“

(Bild: Andreas Graf)

Der Hype um den Headliner Khruangbin lässt so manchen fragend zurück. Ein kurzes Gespräch in den Redaktionsstuben führt beim Gegenüber zu ungläubigem Staunen. Seit Jahren mischt das Trio Mark Speer, Laura Lee und DJ Johnson den amerikanischen Markt auf und feiert dabei auch in Europa zunehmend große Erfolge. Das Trio nahm seine ersten Alben in einer brüchigen texanischen Scheune auf, vertraut nur wenigen Mitstreitern und misstraut dem gesamten Musikbusiness und erschuf mit einer eklektischen Melange aus Surf Rock, Psychedelic-Sounds, Funk und etwas Dub ein Subgenre, das in normalen Genre-Kategorien nicht einzuordnen ist. Die zwei Frontleute treten ausschließlich mit Perücke auf, die Kostüme erinnern ein bisschen an eine weichgespülte 70er-Version von KISS und ganz dem aktuellen Album „A La Sala“ entsprechend, wählt man als Bühnenrequisite drei überdimensionale Fenster – auf den Podesten davor schreiten die kostümierten Künstler umher.

(Bild: Andreas Graf)

Wieder auf die Couch zurück
Wohin man mit diesen Fenstern verleiten will, bleibt ein Rätsel. Vielleicht in uns unbekannte Sphären der Gemeinschaft. Das lassen etwa die von der Band vor dem Konzert quer übers Gelände verteilten Flyer vermuten, in denen man nicht nur die wenigen Texte abdruckt, sondern gleich zur kulturellen Fusion aufruft: „Nehmen Sie sich bitte die Zeit, sich Ihrem Umfeld vorzustellen.“ Also doch ein Freiluft-Königreichssaal. Dort plätschern die liebevoll arrangierten und zuweilen verzerrt dargebotenen Preziosen gemütlich, aber auch gleichmäßig dahin. Das Trio spielt „A La Sala“ und ein Best-Of der vorigen Alben. Mit einem aufgeputschten Sportzigaretterl als Unterlage lässt es sich offenbar gut in die schräge Klangwelt eintauchen. Getanzt wird hier mit Distanz und Gemächlichkeit. Wo Jungle am Dienstag in die funky Disco luden, bringen uns Khruangbin langsam wieder auf die Couch zurück. Zuweilen fragt man sich: War das schon alles? Ja, war es! Und es ist ein bisschen tröstlich, dass eine so ereignisarme, in sich ruhende Musik noch immer den Geschmack der Massen trifft.

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