Sie galten lange Zeit als die uncoolste Band Deutschlands: Trotzdem, oder gerade deswegen, hat sich Kettcar bei seinen Fans unsterblich gemacht. Seit einiger Zeit setzen die Hamburger vermehrt auf Polit-Rock. Mit dem Album „Gute Laune schlecht verteilt“ legen sie nun nach. Vor dem Graz-Konzert am 29. Juli bat die „Krone“ Sänger Marcus Wiebusch zum Interview.
„Krone“: Mit „Gute Laune ungerecht verteilt“ hat Kettcar vor kurzem das siebente Album veröffentlicht. Wie entscheidet sich eigentlich, dass es Zeit ist für ein neues Album?
Marcus Wiebusch: Wir arbeiten konstant an neuen Songs und wenn genug Songs fertig sind, dann gibt es ein neues Album. Aber vor allem wegen Covid, dass mich als Hauptsongwriter der Band ziemlich aus der Bahn geworfen hat, hat es nach dem letzten Album von 2017 doch ein wenig länger gedauert.
Schon mit dem Album „Ich Vs. Wir“ von 2017 hat die Band einen bewussten Schritt hin zu politischen Songs gemacht. Das geht auf dem neuen Album weiter. Warum eigentlich?
Naja, ich war vor Kettcar ja in einer Punkband und hab dort sehr, sehr politische Songs gemacht. Als wir dann 2001 mit Kettcar begonnen haben, wollte ich das nicht mehr. Die frühen Kettcar-Songs sind daher eher geprägt von Introspektiven und eigenen Befindlichkeiten. Und das kommt für uns seit einigen Jahren einfach nicht mehr infrage, weil die Zeiten so ruppig geworden sind, dass es uns bescheuert vorkommen würde, wenn wir das nicht in der Musik ansprechen und auch Haltung beziehen würden.
Das Resultat sind Songs über Krieg, Alltagsrassismus, Ausbeutung im Job. Gibt es da nicht die Angst, zu sehr ins Predigen zu kommen?
Das ist immer ein Spagat – man will Haltung beziehen, aber auch nicht zu einem Problemonkel werden, der nichts anderes mehr tut, als die Welt kommentieren und die linke Bubble bedienen. Deshalb muss man sich und seine eigenen Privilegien immer auch kritisch hinterfragen. Und natürlich gibt es auf dem neuen Album auch Liebeslieder oder Lieder über Elternschaft. In letzter Konsequenz will ich mit jedem Song, den ich schreibe, die Menschen entertainen. Und mein vorrangigstes Ziel, wenn ich auf die Bühne gehe, ist, dass die Leute eine gute Zeit haben. Feiern und nachdenken ist aber natürlich kein Widerspruch.
Der Song „Kanye in Bayreuth“ behandelt die Cancel Culture. Gibt es die Angst als Texter auch selber Opfer zu werden?
Da mach ich mir ehrlich gesagt keine großen Gedanken. Wir sind jetzt nicht die großen Provokateure. Aber es ist natürlich eine spannende Frage, wie man mit problematischen Künstlern und ihrem Werk umgeht. Denn eines ist fix: Solange es Künstler gibt, wird es auch Künstler geben, die Arschlöcher sind. Aber deshalb ist ja nicht per se ihre Kunst schlecht. Worum es mir im Song geht, ist zu sagen: Mit einer digitalen Mobbildung werden wir die Lösung für dieses Problem auf jeden Fall nicht finden.
Gibt es für dich als Texter, der Dinge sehr poetisch auf den Punkt bringen kann, eigentlich Vorbilder?
Ja klar, ich hab es ja nicht erfunden, Songs zu schreiben, die Menschen berühren (lacht). Mein größtes Vorbild ist Bruce Springsteen – war er schon, als ich noch Punk war. Was mich an ihm am meisten fasziniert, ist die Fähigkeit, das Herz zu berühren, ohne den Intellekt zu beleidigen. Natürlich ist das manchmal auch ein wenig pathetisch, aber irgendwie kriegt er es immer hin, dass ich mich in seinen Songs verstanden gefühlt habe.
Das Konzert Ende Juli auf der Kasemattenbühne ist ja nicht das erste in Graz. Welche Beziehung habt ihr zu der Stadt?
Graz ist besonders, weil wir als Hamburger nie weiter weg von zu Hause sind als bei euch am letzten Zipfel der deutschsprachigen Welt. Und ich kann mich erinnern, dass beim letzten Mal in Graz die Leute echt gut mitgegangen sind. Also freu ich mich schon sehr.
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