Teil 3 der „Krone“-Serie zu den Schätzen der steirischen Regionalmuseen: Im Südbahnmuseum in Mürzzuschlag erzählt ein Kursbuch der Eisenbahn von massenhaften Deportationen während der NS-Zeit.
Eigentlich ist es eine gloriose Ingenieurleistung, von der das Südbahnmuseum in Mürzzuschlag erzählt: 1854 ging die Südbahn über den Semmering in Betrieb – ein großer Schritt für die Wirtschaft der Monarchie und den beginnenden Tourismus. „Doch von Anfang an diente die Bahn auch militärstrategischen Zielen“, weiß Museumsleiterin Kerstin Ogris. Immerhin war der Bau der Bahnstrecke dem Kriegsministerium zugeteilt.
Kursbuch erzählt von trauriger Effektivität
Traurige Effektivität erreichte die militärische Nutzung der Südbahn in der Nazi-Zeit: Davon erzählt ein „Kursbuch“ aus dem Jahr 1944, in dem alle regulären Zugverbindungen des NS-Reichs verzeichnet sind – darunter auch all jene, die für Kriegsgefangene und Deportationen eingeteilt waren: „Eine der Hauptrouten verlief über den Semmering. Die Nazis überließen nichts dem Zufall, alles war perfekt organisiert und wurde genau dokumentiert“, weiß Ogris.
Von Dienstag bis Freitag standen derartige Transporte auf dem Plan: „In Mürzzuschlag gab es einen fahrplanmäßigen Halt von sechs bis zehn Minuten.“ Einige der Gefangenen wurden auch als Zwangsarbeiter in den Eisenbahn-Werkstätten in Mürzzuschlag eingesetzt. Für die meisten jedoch ging es nach dem kurzen Halt weiter – für allzu viele wohl in den sicheren Tod.
120.000 Kriegsgefangene über Semmering transportiert
„Insgesamt wurden rund 120.000 Kriegsgefangene über den Semmering transportiert“, weiß Ogris. Auch diesen Teil der Geschichte der Südbahn wollte man von Anfang an in diesem Museum erzählen, das 2004 eröffnet wurde und heuer seinen 20. Geburtstag feiert: „Deshalb wurde das Kursbuch bewusst von einem Antiquariat in Deutschland für das Museum angekauft.“ Es dokumentiert, wie gezielt und gut organisiert die Nazis die Vernichtung ihrer Gegner betrieben.
Aktuell ist das Kursbuch im Grazer Volkskundemuseum als Teil der Ausstellung „Wer bist du: Steiermark?“ über die Schätze der steirischen Regionalmuseen zu sehen. Ein Besuch im Südbahnmuseum lohnt sich aber jederzeit – am 27. Juli wird dort übrigens auch ein neuer Ausstellungsbereich eröffnet.
Kommentare
Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.
User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.