Vor exakt 30 Jahren veröffentlichten Korn ihr gleichnamiges Debütalbum, mit dem sie nicht nur Millionen missverstandenen Jugendlichen aus der Seele sprachen, sondern auch den Nu Metal gründeten. Aktuell arbeiten sie an einem weiteren Album und kommen bald in die Wiener METAstadt. Wir unterhielten uns vorab mit Gitarrist Brian „Head“ Welch.
Green Day mit „Dookie“, Nine Inch Nails mit „The Downward Spiral“, Soundgarden mit „Superunknown“, Oasis mit „Definitely Maybe“, Blur mit „Parklife“ oder The Offspring mit dem bahnbrechenden Punkrock-Manifest „Smash“ – 1994 war für die Gitarrenmusik das wohl beste und wichtigste Jahr seit den späten 70ern und blieb es in dieser Ausführung bis heute. Noch eine Liga wichtiger als gerade genannte Werke war das gleichnamige Debütalbum einer kalifornischen Rasselbande namens Korn. Das ikonische Cover-Artwork, die famose Tracklist mit unvergesslichen Songs wie „Blind“, „Clown“ oder „Shoots And Ladders“ und dazu die fast schon nihilistische Einstellung junger Musiker, die ganz offen über tabuisierte Themen wie Mobbing, Drogensucht und Kindesmissbrauch referierten. Mit Korn war nicht nur eine wegweisende neue Band, sondern ein ganz neues Genre geboren. Das Debüt gilt als Ursprung und Ursuppe des Nu Metal, der sich rund ums Millennium schließlich zu globaler Prominenz steigern sollte.
Globale Superstars
„Dieses Album zu schreiben und einzuspielen war unheimlich aufregend“, erinnert sich Gitarrist Brian „Head“ Welch im „Krone“-Gespräch zurück, „die Leute haben sich gefragt, was das ist und wir wussten es selbst nicht einmal.“ Mit „Life Is Peachy“ (1996) und vor allem „Follow The Leader“ (1998) wurden Sänger Jonathan Davis und Co. zu globalen Superstars. Oder wie es Welch mit etwas zu viel Understatement analysiert: „Wir wurden richtig groß. Nicht Linkin-Park-groß, aber Korn-groß, was noch immer ein ordentlicher Boost war. Wir haben damals sicher die Türen für Bands wie eben Linkin Park, Slipknot, Limp Bizkit oder Disturbed geöffnet. Das Tolle daran ist, dass all diese genannten Bands total anders klingen. Irgendwann packten uns alle in die Nu-Metal-Schublade und erkoren uns als Pioniere davon aus. Das ist für mich absolut okay, aber man kann uns nicht vergleichen. So wie früher Public Enemy, Anthrax oder Rage Against The Machine ihr Ding durchgezogen haben, machten es die Bands in unserer Generation genauso.“
Nach 30 Jahren sind Korn noch immer unter den größten Bands des Genres zu finden, obwohl nicht nur die Combo an sich, sondern einzelne Mitglieder durch Drogen- und Alkoholexzesse, private Krisen und gesundheitliche Probleme mehrmals an der Kippe standen. Davis widmete sich etwa den Massenmörder-Memorabilien und seiner üppigen Porno-Videothek, Bassist Reginald „Fieldy“ Arvizu konzentrierte sich auf den Hip-Hop und „Head“ Welch fand über die Jahre zu Gott und sah seine Werte mit jenen der Band nicht mehr vereinbar. 2005 lässt er sich im Fluss Jordan taufen, um seine Verbundenheit mit Gott zu unterstreichen und schrieb ein offenes Buch über sein sündiges Leben. 2013 sollte er schlussendlich zu Korn zurückkehren. Immer noch christlich, aber entradikalisiert. Der missionarische Eifer ist längst auf ein Minimum zurückgefahren und heute agieren die unterschiedlichen Glaubensansätze in der Band ganz selbstverständlich.
Es geht um die Gemeinschaft
„Ich habe mich eine Zeit lang weit aus dem Fenster gelehnt und mich vielleicht zu sehr geöffnet“, bilanziert Welch rückblickend, „wenn wir als Band zusammenkommen, dann reden wir über Korn oder über unsere Familien, aber nicht über unseren Glauben und die einzelnen Interessen, die jeder hat. Es geht im Studio und auf der Bühne um die Gemeinschaft, um den Sound und das Zusammenspiel. Jonathan ist zum Beispiel extrem introvertiert. Er spielt seine Show, gibt alle heiligen Zeiten mal ein Interview, aber verschwindet dann wieder, weil er sich in sozialen Situationen nicht wohlfühlt.“ Alle Korn-Mitglieder stammen aus schwierigen Verhältnissen, wurden gehänselt und gemobbt und kennen die schwierigen Seiten von vielen ihrer Hörer aus eigener Erfahrung. Schrecken aus der Vergangenheit lassen sich auch mit Ruhm und Geld nicht löschen, doch nach 30 Jahren, wo man die Musik als gemeinsames Ventil heranzieht, haben sich viele Wogen geglättet.
„Die Weisheit im Leben entsteht aus Schmerzen, Rückschlägen und dem Altern. All diese Dinge kennen wir sehr gut und sie sind für uns immer wieder herausfordernd, aber das ist auch der Grund, warum wir als Band alle Krisen mehr oder weniger gut überstanden haben. Wir finden am Ende immer irgendwie zusammen, weil uns diese Dinge vereinen. Du verlässt deine Ehefrau nicht für immer, wenn es mal eine Zeit lang beschissen läuft. So ist das auch in einer Band. Ich war ein paar Jahre weg, das war nicht die beste Entscheidung, aber vielleicht war es notwendig, damit die Dinge heute so laufen, wie sie laufen.“ Nach diversen musikalischen Verirrungen fanden Korn 2022 mit „Requiem“ wieder in die Spur zurück. Am nächsten Werk wird bereits hart gearbeitet, erste Statements seitens der Bandmitglieder lassen auf ein hartes Brett hoffen, das sich die Fans ersehnen.
Keine Tour in den 70ern
Wie lange Korn mit dieser Musik noch unterwegs sein werden, vermag Welch nicht zu beantworten. „Ich sehe den 80-jährigen Mick Jagger mit seiner beeindruckenden Figur über die Bühne wirbeln, aber wir sind das nicht. Haben wir noch drei, fünf oder zehn Jahre? Ich habe keine Ahnung. Solange wir das Gefühl haben, dass wir noch was sagen und Energie versprühen können, machen wir weiter. Ich sehe mich in meinen 70ern aber nicht auf Tour gehen, da will ich meine Zeit lieber daheim bei meinen Lieben verbringen. Wenn, dann müsste das Budget für ein System wie bei den Rolling Stones reichen. Man ist drei Wochen unterwegs und hat von Konzert zu Konzert drei Tage Pause, um sich auszuruhen und am nächsten Ort zu akklimatisieren.“ Das Feuer im Korn-Camp ist jedenfalls ungebrochen und auf die neuen Songs warten die Fans mit einer ungeduldigen Beharrlichkeit. „Für uns bedeutet die Musik heute viel mehr als früher.“
Live in der Wiener METAstadt
Am 29. Juli kommen Korn mit den gehypten Kanadiern von Spiritbox für ein Open-Air-Konzert in die Wiener METAstadt. Wer noch keine Tickets hat und hofft, muss die Internetbörsen durchforsten oder selbst hingehen und hoffen – das Konzert ist offiziell seit vielen Wochen restlos ausverkauft.
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