Weil einer Kellnerin vorgeworfen wurde, eine Viruserkrankung vorzutäuschen, verlor sie ihre Arbeit in einer Konditorei. Doch sie war im Recht – und jetzt muss ihr Ex-Chef tief in die Tasche greifen. Ihm droht, dass die Strafzahlung per Exekutive eingehoben wird.
So verlockend süß wie die Mehlspeisen in der Vitrine sind, so abstoßend bitter ist der Nachgeschmack ihres früheren Jobs in einer Konditorei im südburgenländischen Bezirk Oberwart für eine Kellnerin. Nur weil sie sich eine ansteckende Viruserkrankung zugezogen hatte und der Chef ihr das nicht glaubte, ist die Ungarin hochkant hinausgeflogen. Um etwaige Verwechslungen zu vermeiden: Bei der weithin bekannten Konditorei handelt es sich nicht um jene am Kurpark in Bad Tatzmannsdorf.
Laut Gesetz alles richtig gemacht
Sofort nach der unerfreulichen Diagnose hatte die Kellnerin ihren Arbeitgeber über ihre unangenehme schmerzhafte Situation informiert. Statt Genesungswünschen erhielt sie Tage später als Antwort ein Entlassungsschreiben. Die Mitarbeiterin musste sich den Vorwurf gefallen lassen, den Krankenstand nur vorgetäuscht zu haben, weil sie einen nicht genehmigten Urlaub genießen wolle.
Diese dramatische Wende nahm ihr Leben kurz vor Weihnachten 2021. Die Kellnerin wollte sich die krassen Anschuldigungen nicht gefallen lassen und wandte sich an die Rechtsberatung der Arbeiterkammer in Oberwart. Da eine außergerichtliche Lösung nicht möglich war, brachte die betroffene Frau mit fachkundiger Unterstützung eine Klage bei Gericht ein.
Beweise vor Gericht
„Im Verfahren zeigte sich, dass der Vorwurf ihres ehemaligen Arbeitgebers unrichtig war. Die Kellnerin konnte beweisen, dass sie an einer hochansteckenden Virusinfektion erkrankt und nachweislich arbeitsunfähig war“, erklärt AK-Rechtsexpertin Tanja Weingrill. Das Erstgericht gab der Arbeitnehmerin Recht. Die Konditorei wurde zur Zahlung von mehr als 9000 Euro verurteilt.
Doch der Streit war noch lange nicht beigelegt. Obwohl aus juristischer Sicht kein Entlassungsgrund vorlag und der Rauswurf somit ungerechtfertigt war, akzeptierte der frühere Arbeitgeber die Entscheidung des Erstgerichts nicht. Gegen das ursprüngliche Urteil wurde im Oberlandesgericht Wien Berufung eingelegt.
Es braucht viel Mut und einen langen Atem, um sich einem so langwierigen, teuren Rechtsstreit zu stellen. Genau in solchen Fällen stehen wir Betroffenen zur Seite.
Arbeitsrechtsexpertin Tanja Weingrill
Strafzahlung wird per Exekution eingehoben
Alle Versuche der Konditorei, das Urteil abzuwenden, schlugen fehl. Jetzt ist auch das weiterführende Verfahren mithilfe der Arbeiterkammer zugunsten der Kellnerin ausgegangen. Nach einem zwei Jahre andauernden Streit der Anwälte kann sich die Frau zwar über ein rechtskräftiges Urteil freuen. Zu ihrem Bedauern ist jedoch eine Exekution nötig, damit sie zu ihrem Recht kommt. Das ihr zugesprochene Geld muss mit staatlicher Zwangsgewalt eingehoben werden, wie es heißt. Ein bitterer Nachgeschmack bleibt.
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