Mutter unter Tränen

Sohn stürzte in Tod: 10 Monate Haft für Eltern

Oberösterreich
23.07.2024 11:32

Das Gesicht in die Hände vergraben, ein Meer aus Tränen – bei der Anklageverlesung kann die Mutter (36) von Dominik ihre Emotionen nicht mehr halten. „Nichts ist mehr, wie es war“, sagt der Verteidiger der Tschechin und ihres Lebenspartners (39). Der Richter sah beim tödlichen Fenstersturz eine grob fahrlässige Tötung und sprach eine bedingte Haftstrafe aus.

„Er ist normal nie zum Fenster geklettert, weil er wusste, dass er das nicht darf“, sagt die 36-Jährige während ihrer Vernehmung, die sich wegen sprachlicher Probleme und der emotionalen Belastung schwierig gestaltet. 

Nur ein einziges Fenster nicht gesichert
Die Staatsanwältin wirft dem Paar vor, Dominik am 2. März absichtlich eingesperrt zu haben, als es spazieren ging. Mutter und Ziehvater, der seit dem 1. Lebensjahr des Buben in der Familie war, ließen ihn zurück, weil er eingeschlafen war. Als er aufwachte, waren seine Eltern weg. „Er kletterte über einen Schreibtisch zu den beiden Fenstern, von denen das größere gesichert war, aber das kleinere nicht“, so die Staatsanwältin. „Das kleinere Fenster war als einziges in der Wohnung nicht gesichert, weil es nicht als Gefahr erkannt wurde“, sagt der Anwalt. Denn die Leibung liegt auf 1,5 Meter Höhe, der Griff auf 1,9 Meter. Und genau dieses Fenster im 4. Stock öffnete er und stürzte in den Tod.

Ein geschickter Wirbelwind
„Dominik wird als motorisch sehr geschickt beschrieben, eine Kindergärtnerin nannte ihn einen Wirbelwind“, sagte der Richter und bezog sich auf ein Ritual aus dem Kindergarten, bei dem Kinder auf die Fensterbank klettern und den Eltern nachwinken. „Dominik hat seine Eltern verzweifelt gesucht und das Fenster aufgemacht“, sagt die Staatsanwältin, die grob fahrlässige Tötung angeklagt hat. Der Anwalt sieht nur einen Sorgfaltsverstoß, nämlich, dass dieses eine Fenster nicht gesichert war.

„Weiß nicht, wie konnte das passieren“
„Ich weiß nicht, wie konnte das passieren“, sagte die Mutter mit tschechischem Akzent, wusste nicht, wer das Kinderzimmer abgesperrt hat und warum. Wie lange man wegbleiben wollte – „ich weiß es nicht“. Immer wieder brechen sich Tränen Bahn.

Dominiks Mutter und ihr Lebensgefährte vor dem Einzelrichter in Linz, verantworten den Tod des fünfjährigen Kindes. (Bild: © Harald Dostal / 2024, Krone KREATIV)
Dominiks Mutter und ihr Lebensgefährte vor dem Einzelrichter in Linz, verantworten den Tod des fünfjährigen Kindes.

„Vorher haben wir Dominik nie alleine in der Wohnung gelassen“, sagt die Mutter und wiederholt immer wieder: „Ich weiß nicht, wie das passieren konnte.“ 

„Es wären nur zwei Schrauben gewesen“
„Ich konnte mir nicht vorstellen, dass das passieren kann. Ich habe das falsch eingeschätzt. Es wären nur zwei Schrauben gewesen“, so der Ziehpapa von Dominik, der im Jahr 2020 nach dem Einzug vom Mutter und Kind „alles gesichert“ hat – bis auf das eine Fenster. Und weil Dominik nicht gerne wo raufkletterte, obwohl er als motorisch geschickt galt und neugierig war, dachte der 39-Jährige nicht, „dass er raufklettern würde“.

„Spazieren gehen war nicht geplant“
„Es war nicht geplant, dass wir Dominik alleine lassen“, so der 39-jährige. „Wir wollten nur was vom Auto holen, als er eingeschlafen war, aber dann war die Batterie zum Autoschlüssel kaputt. Dann meinte ich spontan: ,Gehen wir eine Runde‘“, berichtet der Ziehvater vorm Richter. „Das zeitliche Gefühl hat uns im Stich gelassen.“ „Warum haben Sie das Zimmer versperrt?“, fragte der Richter. „Das machten wir immer, wenn wir etwa was heruntertrugen, rauf holten oder wenn ich eine Steckdose montiert habe. Falls er aufwacht und uns nachläuft. Das war als Schutz gedacht“, so der 39-Jährige, der zum Vorfall am 2. März meinte: „Ich kann mir nicht erklären, warum wir beide so deppert waren.“

„Alleinlassen ist Sorgfaltsverstoß“
Der Richter folgte dem Antrag der Anklägerin und sah eine grob fahrlässige Tötung verwirklicht, der Anwalt wollte eine Verurteilung wegen einer normalen Fahrlässigkeit. Mutter und Ziehvater wurden zu je zehn Monate Haft auf Bewährung verurteilt – rechtskräftig. Grund war: Das Nichtsichern des Fensters, das lange Fortbleiben und das Alleinelassen. „Es ist ein Sorgfaltsverstoß, das Kind lange ganz alleine zu lassen. Der sichere Ort Kinderzimmer entsteht, weil Eltern in der Nähe sind. Aber er war ganz alleine und das Zimmer versperrt. Und es ist naheliegend, dass er ein Elternteil gesucht hat.“

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