US-Vizepräsidentin Kamala Harris tritt ziemlich sicher für die Demokraten bei der US-Wahl an. Viele politische Entscheider fragen sich jetzt: Was heißt das für uns? Warum sich vor allem der Umgang mit Israel drastisch ändern könnte und sich in Europa leise Loblieder breit machen.
Die bisherigen Erfolge und Auftritte der 59-Jährigen auf dem internationalen Parkett sind überschaubar. Harris bekam von Joe Biden den eher undankbaren Auftrag, mittels Diplomatie den Migrantenstrom aus Süd- und Mittelamerika einzudämmen. Eine wahre „Mission Impossible“. Die Zahlen sind zuletzt zwar deutlich gesunken, wirklich punkten konnte sie in der öffentlichen Wahrnehmung damit aber nicht.
Verbales Missgeschick mit Folgen
Grund dafür war ein kommunikativer Patzer. Dass Harris die US-Grenze trotz ihrer Aufgabe lange Zeit nicht selbst besuchte, dominierte gerade zu Beginn ihrer Amtszeit die Debatte. Ihr damaliges Argument, sie sei auch „noch nie in Europa gewesen“, wurde von der politischen Konkurrenz in der Luft zerrissen. Das zeigte sich auch in ihren Umfragewerten. Der Vorwurf: Sie würde ihren Job nicht ernst genug nehmen.
Ein Beispiel für die damalige Aufregung um ihren Auftritt:
Die hohe illegale Einwanderung ist eines der Lieblingsthemen von Donald Trump, Kandidat der Republikaner und Harris‘ möglicher Konkurrent. Der 78-Jährige verhinderte zuletzt die Zustimmung seiner Partei für härtere Asylregeln, um das Thema für den Wahlkampf am Leben zu halten.
Die Republikaner haben bereits begonnen, Harris ihr „Versagen als überforderte Grenz-Zarin“ vorzuwerfen, seitdem bekannt ist, dass sie Joe Biden als Spitzenkandidatin wohl beerben wird. Im Falle ihrer Nominierung hoffen die Demokraten, dass Harris ihre politischen Ziele besser kommunizieren kann als zu Beginn ihrer Vizepräsidentschaft.
Was darf man sich von der Demokratin auf dem internationalen Parkett also erwarten? Folgend ein Überblick zu den wichtigsten Themen:
„Eisernes“ Bekenntnis zur NATO
In der jüngsten Vergangenheit gelang es ihr über Strecken, ein Profil zu entwickeln. Bei der diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz hielt Harris eine Rede, in der sie Russland für den Einmarsch in die Ukraine verurteilte und ein „eisernes“ Bekenntnis der USA zu der in Artikel 5 des NATO-Vertrages verankerten Verpflichtung zur gegenseitigen Selbstverteidigung versprach.
Kontinuität für die Ukraine
Aus der Ukraine heißt es, dass man vor allem zwei Attribute bei Harris sehe: „Kontinuität und Berechenbarkeit“. Für ein Land, das sich im Krieg befindet, ist dies angesichts der wichtigen US-Hilfe von großer Bedeutung. Andere betonen, dass man sich auf sie verlassen könne, weil sie sehr Biden-nah sei und deshalb dessen Positionen teile.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hofft auf eine „anhaltend starke Führung Amerikas“:
Auf der Negativseite werden die mangelnde außenpolitische Erfahrung der früheren Staatsanwältin erwähnt. In der deutschen Bundesregierung wird laut Reuters hinter den Kulissen darauf verwiesen, dass wie bei jedem Politiker, der aus der zweiten Reihe plötzlich in die erste tritt, ein Risiko besteht. „Dann können Schwächen und Nachteile sichtbar werden, die man vorher nicht gesehen hat“, heißt es.
Öffentliche Zurückhaltung in der EU
Offiziell wollen sich die meisten EU-Politiker noch nicht äußern. Zu groß ist die Sorge, sich in den nicht abgeschlossenen Auswahlprozess der US-Demokraten einzumischen. „Ich wünsche ihr alles Gute. Sie ist eine Frau, eine starke Frau“, sagt zumindest die belgische Außenministerin Hadja Lahbib.
Viele sind sich jedoch einig: Schlecht wäre Harris für Europa wohl nicht. Sie sei eine „gelernte Transatlantikerin“, heißt es. Das sei angesichts ihres geringeren Alters und anderer Themensetzungen in der politischen Karriere weder ein Wunder noch ein Nachteil, erklärt etwa Nils Schmid, SPD-Außenpolitiker, gegenüber Reuters.
Der Kurs gegenüber China ist klar
In Bezug auf China hat sich Harris schon lange der parteiübergreifenden Mehrheitsmeinung in Washington angeschlossen, den Einfluss Pekings zurückdrängen zu wollen. Analysten gehen davon aus, dass hier die Hauptelemente von Bidens Politik beibehalten werden:
Harris hat als US-Vizepräsidentin in Asien mehrere Reisen unternommen, um die Beziehungen in der wirtschaftlich dynamischen Region zu stärken.
Doch wie Biden neigt auch Harris zu gelegentlichen verbalen Ausrutschern. Bei einem Besuch der entmilitarisierten Zone zwischen Süd- und Nordkorea im September 2022, bei der sie die Unterstützung für Seoul bekräftigen wollte, sprach sie fälschlicherweise von einem „Bündnis der USA mit der Republik Nordkorea“.
Neue Linie im Nahen Osten?
Ganz weit oben auf Harris‘ außenpolitischer Agenda dürfte der Nahostkonflikt stehen. Sie beharrt wie Biden darauf, dass Israel ein Recht auf Selbstverteidigung hat. Hier könnten die Gemeinsamkeiten jedoch enden: Ihre Kritik am militärischen Vorgehen Israels nach dem Angriff der Hamas am 7. Oktober war lauter als jene von Biden.
Auch „Konsequenzen für Israel“ hält sie für möglich, sollte das Land eine groß angelegte Invasion des Flüchtlingslagers Rafah im südlichen Gazastreifen starten. Bereits in dieser Woche wird Harris sich mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu treffen – ohne Biden.
Neue Härte für verprellte Wählerschaft
Mit einem strengeren Auftreten hoffen die Demokraten, verärgerte Wähler zurückgewinnen zu können. Vor allem junge Menschen und arabischstämmige Wähler fühlen sich Umfragen zufolge von Bidens Linie abgestoßen. Das soll sich unter Harris ändern.
Die neue Gangart wirft bereits Schatten. Am Mittwoch ist eine Rede des israelischen Ministerpräsidenten vor dem US-Kongress geplant. Ein Stuhl wird dabei leer bleiben: Harris wird nach Angaben ihres Teams Netanyahus Ausführungen nicht live verfolgen.
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