Aus Angst vor Angriffen der Schäferhunde des Angeklagten schaffte sich ein Ehepaar aus Niederösterreich eine Bodycam an und filmte monatelang alle Gassi-Runden, die sie mit ihren kleinen Hündchen machten. Schließlich brachten sie so tatsächlich den 61-jährigen Halter der angriffslustigen Wachhunde, mit dem sie seit 30 Jahren im Clinch liegen, vor Gericht.
Die Situation mutet beängstigend an. Ein Mann, der auf dem Fahrrad über Feldwege fährt und vor sich seine beiden Deutschen Schäferhunde ohne Leine und laut Zeugen auch teilweise ohne Beißkorb vor sich herlaufen lässt. „Die Hunde laufen schnurstracks auf einen zu, wenn man ihnen begegnet“, beschreibt es ein 20-Jähriger, der im Rahmen so einer „Begegnung“ verletzt wurde. Ebenso wie sein Jack Russel Terrier.
„Der Hund von Herrn G. hatte den Kopf meines Hundes im Maul. Da griff ich ein“, erinnert er sich.
Gassi-Runde um 5 Uhr als Streitpunkt
Der Vorfall ist nur ein Nebenaspekt in dem Prozess im Landesgericht Wiener Neustadt am Mittwoch. In erster Linie geht es um einen seit 30 Jahren brodelnden Nachbarschaftsstreit. In dessen Fokus auch die Hunde stehen. Das Nachbar-Ehepaar muss beim Gassi-Gehen mit ihren drei kleinen Hunden das Grundstück des Angeklagten passieren. „Seit Jahren werden wir beim Vorbeigehen extrem verbellt. Der Schäferhund wirft sich gegen den Zaun und ist extrem aggressiv“, schildert es der IT-Selbstständige. Die erste Runde dreht das Ehepaar um 5 Uhr früh.
Der Angeklagte wacht durch „die riesige Geräuschkullisse“, die seine eigenen Schäferhunde verursachen, auf. Das ärgert den Niederösterreicher, der die Hunde im Zwinger hält. Weshalb er im April rausgelaufen sei und rief: „Halte die Nachtruhe ein. Nächstes Mal polier‘ ich dir die Fresse“, rief er seinem Nachbarn zu. Laut Staatsanwaltschaft eine Nötigung.
Bodycam zeichnet Spaziergänge auf
Nur wenige Minuten später kommt im Prozess zutage, dass der Angeklagte selbst regelmäßig mit seinen Hunden vor 6 Uhr früh Gassi geht. Oder besser gesagt fährt. Mit seinem Rad begleitet er die frei laufenden Hunde, die seinen Angaben nach „immer einen Beißkorb tragen“.
Jetzt wird die Geschichte brisant. Denn die Nachbarn schafften sich aus Angst vor Herrn G. und seinen Schäferhunden eine Bodycam an und filmen seit dem Vorjahr all ihre Gassi-Runden mit: „Weil wir uns aufgrund der Vorfälle schützen wollten“, begründet dies der Nachbar als Zeuge. Tatsächlich folgt ein Angriff, der von der Kamera – zumindest teilweise – festgehalten ist.
Er hat uns beschimpft und ist uns nachgefahren mit seinen Schäferhunden. Mein Mann ist gestürzt, weil der Hund auf ihn losgegangen ist.
Auszüge aus dem abgesetzten Notruf nach der Attacke. Aufgezeichnet von der Bodycam.
In dem Video zu sehen ist die Begegnung der kleinen Hunde mit den Schäferhunden, man hört lautes Gebell und einen Hilfe-rufenden Nachbar. Dann ist ein Notruf aufgezeichnet, den das Ehepaar absetzte: „Er hat uns beschimpft und ist uns nachgefahren mit seinen Schäferhunden“, ruft die aufgeregte Nachbarin ins Handy, „Die Hunde sind uns angefallen. Mein Mann ist gestürzt, weil der Hund auf ihn losgegangen ist“, ist zu hören, ehe die Rettung kam. „Alles gestellt. Sie täuschen falsche Tatsachen vor“, bekennt sich der angeklagte 61-Jährige nicht schuldig.
Drei Monate bedingt
Auch im Prozess wird gestritten: „Warum gehst du nicht um 6 Uhr? Warum gehst du schon um 5? Ich möchte das nicht“, ruft der Angeklagte dem Zeugen zu. „Warum soll ich mein Leben ändern? Uns wird eine Stunde am Tag gestohlen. Meine Hunde machen keinen Lärm, wenn wir die Runde drehen, sondern deine“, erwidert der Nachbar.
Nach dem Hickhack verurteilt die Richterin den Schäfer-Halter zu drei Monaten bedingter Haft. „Es gab wahnsinnig viele Vorfälle mit ihren Hunden“, sagt Frau Rat in der Urteilsbegründung. Nicht rechtskräftig.
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