Die EU-Kommission kritisiert in ihrem am Mittwoch veröffentlichten EU-Rechtsstaatlichkeitsbericht 2024 die politische Einflussnahme auf Postenbesetzungen in Österreichs Justiz. Es wird bemängelt, dass in vielen Bereichen „keine Fortschritte“ gemacht worden seien.
Als Problembereiche werden von der Brüsseler Behörde aufgelistet: zu geringe Beteiligung der Justiz an der Ernennung von Gerichtspräsidenten der Verwaltungsgerichte, keine Fortschritte bei der Reform der Bundesstaatsanwaltschaft sowie bei den Transparenzregeln für Abgeordnete, und bei der Überwachung von Lobbying.
Die Empfehlungen der EU-Kommission
Grundsätzlich wird aber die „Unabhängigkeit der Justiz in Österreich“ als „sehr hoch“ bewertet. „Das Justizsystem arbeitet effizient“, heißt es in dem EU-Bericht, der seit 2020 jährlich zu jedem Mitgliedsstaat veröffentlicht wird. Er dient hauptsächlich als Diskussionsgrundlage für EU-Parlament und EU-Staaten, und enthält auch konkrete Empfehlungen an die Regierungen. Mit Blick auf Österreich wird angemerkt: „Es wird eine Beteiligung der Justiz an den Verfahren zur Ernennung von Gerichtspräsidenten der Verwaltungsgerichte unter Berücksichtigung der europäischen Standards empfohlen.“
Weiters ist „die Reform zur Errichtung einer unabhängigen Bundesanwaltschaft voranzutreiben“. Ein besonderes Augenmerk sollte dabei auf der Korruptionsbekämpfung liegen. Österreich müsse zudem „effiziente Regeln für die Offenlegung von Vermögenswerten und Interessen der Mitglieder des Parlaments, einschließlich wirksamer Überwachungs- und Sanktionsmechanismen“ einführen. Auch die Überwachung des Lobbyings wird als verbesserungswürdig gesehen.
Besonderes Augenmerk auf EU-Vorsitzland Ungarn
Da Ungarn die Ratspräsidentschaft innehat und das einzige Land ist, gegen das noch ein Artikel-7-Verfahren wegen Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit läuft, liegt heuer ein besonderes Augenmerk auf diesem Länderbericht. Milliarden an ungarischen EU-Geldern sind deswegen eingefroren.
Budapest hat keine Vorschläge umgesetzt
Das Land wird erneut schwer kritisiert. Ungarn hat laut EU-Kommission keine der im Bericht von 2023 gemachten Vorschläge umgesetzt, sei es bei der Fall-Zuteilung bei erstinstanzlichen Gerichten, bei der Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Medien oder bei Schikanen für die Zivilgesellschaft. Die Brüsseler Behörde ruft die Regierung in Budapest erneut zu mehreren Reformen auf. Dazu gehört auch eine Verschärfung der Regeln mit Blick auf Lobbying sowie Jobwechsel zwischen Politik und Privatwirtschaft.
Kritik der Opposition: „Wie viele Berichte braucht es noch?“
Laut SPÖ belegt der Rechtsstaatlichkeitsbericht einen „Tiefpunkt in der österreichischen Politik“. „Jetzt haben wir es auch von der EU-Kommission schwarz auf weiß: Österreich gehört gleich nach Ungarn zu den Spitzenreitern bei Intransparenz, fehlender Kontrolle und der politischen Einflussnahme auf Postenbesetzungen“, beklagt SPÖ-Parlamentarier Andreas Schieder.
„Wie viele negative Berichte braucht es noch, bis die Justizministerin endlich handelt und dafür sorgt, dass die nötigen Reformen tatsächlich angegangen werden? Wo bleibt die versprochene unabhängige Bundesstaatsanwaltschaft? Wann wird der unerträglichen Zwei-Klassen-Justiz und der politischen Einflussnahme bei Postenbesetzungen endlich ein Riegel vorgeschoben?“, forderte Stephanie Krisper, NEOS-Sprecherin für Inneres.
Die FPÖ-Europaabgeordnete Petra Steger monierte: „So lange die Regierung – allen voran Bundeskanzler Nehammer – nach der Pfeife der Kriegstreiber und Wohlstandszerstörer in Brüssel tanzt, wird diese Kritik jedoch keine Folgen haben. Tatsächlich mit Verfahren eingedeckt werden nur Staaten, die sich diesem Irrsinn widersetzen – wie beispielsweise Ungarn.“
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