Natja Brunckhorst spielte die Christiane F. in „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“. Mittlerweile ist sie Regisseurin, und ihr neuer Film „Zwei zu eins“ mit Sandra Hüller läuft jetzt im Kino. Die „Krone“ traf Brunckhorst und sprach mit ihr über ihre ikonischste Rolle, gehortetes Geld und darüber, wie sie damals den Mauerfall fast verpasst hätte.
„Krone“: Die neue Komödie „Zwei zu eins“ spielt 1990 und dreht sich um eine Gruppe Nachbarn aus der DDR, die mittels eines Schlupflochs reich werden will. Sie waren zur Zeit des Mauerfalls Anfang 20. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?
Brunckhorst: Ich war auf der Schauspielschule und Schauspielschüler nehmen sich immer sehr wichtig. Das heißt, ich habe einfach die Nachricht mitbekommen und gedacht: „Ah, die Mauer ist gefallen. Na gut, ich muss aber jetzt wieder meinen Text lernen.“ Also ich habe es leider gar nicht so mitgekriegt. Das war im Nachhinein für mich sehr ärgerlich. Aber vielleicht habe ich auch deswegen mit so einem Enthusiasmus jetzt recherchiert, weil das ja wirklich 1990 so eine sehr besondere Zeit war, wo so viel möglich war. Also 1991 war dann schon anders, aber 1990 war so eine rechtliche Zwischenzeit, man wusste gar nicht, was stimmt da noch? Es war so ein Jahr der Möglichkeiten.
Wie viel wusste man damals wirklich über die DDR, wenn man nicht drin war?
Ich bin in Westberlin aufgewachsen, das heißt, ich wusste ein bisschen mehr als vielleicht ein Westdeutscher, der zb an der französischen Grenze gelebt hat. Ich hatte auch mal eine kleine Liebesgeschichte mit dem Ostpunk, da war ich 16, das heißt, da habe ich Zeit in Ostberlin verbracht. Aber weiter bin ich auch nicht gekommen. Ich wurde da halt reingeboren, ich habe das so akzeptiert, dass da so eine Mauer ist. Ich bin auch davon ausgegangen, dass das immer so sein wird, also nie gedacht, dass das jemals anders sein könnte. Als Westberliner hat man sich sehr um sich selbst gedreht.
Diese prägende Zeit der Geschichte ist schon 35 Jahre her und es gibt eine ganze Generation, die das nicht persönlich miterlebt hat. Wie schwer war es für Sie, diese Zeit für diese Gruppe an Kinogängern authentisch aufleben zu lassen?
Natürlich wird der Film von Menschen, die die Zeit kannten, anders aufgenommen werden als von Menschen, die die Zeit nicht kannten. Aber es ist ja kein Dokumentarfilm und ich glaube, dass der Film genug Unterhaltungswert hat, auch für die Generation, die das nicht kannten.
Mir war es viel, viel wichtiger, diesen Menschen aus dieser Zeit gerecht zu werden. Diese Menschen, die mir so viel erzählt haben, sollen, wenn sie den Film sehen, sagen: „Ja, damit kann ich mich identifizieren.“ Ich glaube, es ist auch ein Familienfilm, denn wenn man das damals noch nicht mitbekommen hat, dann gibt der Film einem einen guten Anlass, seine Eltern mal zu fragen: „Wie war denn das?“
Sie zeigen im Film Menschen, die die DDR im Alltag nicht unbedingt nur negativ empfunden haben, die von der plötzlichen Veränderung überrumpelt wurden. Warum war es Ihnen so wichtig, diese Seite zu beleuchten?
Wir wissen, dass die DDR ein Unrechtsstaat war und auch wirklich viele Leute sehr darunter gelitten haben. Aber es gab eben auch Menschen, die das akzeptiert haben im Sinne von: „Ich lebe hier und ich mache das Beste draus.“ Und viele sind halt wirklich mit dieser Illusion des Staates groß geworden und aufgewachsen: „Wir machen das für uns alle.“ Das war ganz tief drin und gleichzeitig haben die meisten schon irgendwie gewusst, dass es nicht stimmt. Und daran scheitern meine Helden, an ihren eigenen Illusionen. Ich glaube, der Mensch ist extrem anpassungsfähig. Selbst wenn es rund um dich scheiße ist und du kannst es nicht ändern, dann wirst du aus dem, was du hast, das Beste machen für dich und deine Familie. Und von diesen Menschen erzähle ich. Vom Normalo, der eben nicht in Berlin wohnt und Traktate schreibt und dafür in den Knast geht – die gab es natürlich auch und die schätze und ehre ich.
Wie schwierig war es, dass es dennoch nicht wie ein Verklären wirkt?
Das ist eine Gratwanderung gewesen, aber ich denke, wir haben das Gefühl getroffen. Deswegen habe ich mir ja so einen tollen Cast angelacht, die wurden alle in der damaligen DDR sozialisiert. Und die hätten mir Bescheid gegeben, wenn ich irgendeinen Schmarrn mache.
Wie sind Sie auf die Geschichte gestoßen, die dann die Vorlage für den Film war?
Ich habe in einem Buch einen Satz gefunden, der hieß „Das gesamte Papiergeld der DDR wurde in einen Stollen eingelagert.“ Ich dachte „Wie bitte?“ Und dann habe ich recherchiert, dass das wirklich so war. Dann bin ich hingefahren, habe mir den Stollen angeschaut. Wir sind da mit dem Auto reingefahren. Die KfW Bank hat mich gebeten zu sagen, es ist kein Geld mehr da. Es sind damals wirklich Menschen eingebrochen und es sind wirklich Gelder rausgeholt worden, rucksackweise. Man weiß aber nicht, wie viel.
Warum wollten Sie unbedingt Sandra Hüller als Dreh- und Angelpunkt für die Geschichte?
Für mich ist das idealtypische Bild einer Frau, die im Osten gelebt hat, eine, die sagt, wo es langgeht, die handfest ist und zupackend. Und Sandra war dafür genau die Richtige. Mir war es übrigens auch total wichtig, dass wir nicht in Klischees verfallen, was die Kostüme betrifft. Ich wollte nicht, dass man über die Kostüme lacht, denn das sind unsere Helden. Sie tragen alle originale Kleidung. Klar, die Menschen in der DDR hatten nicht so viel Zugang zu Mode, aber die Frauen haben viel genäht und wurden kreativ.
Ein ganz großes Thema im Film ist das Streben nach Gerechtigkeit. Welche Parallelen zum Heute sehen Sie da?
Die jüngere Generation, die jetzt so 20 sind, setzen sich ja auch gerade wieder sehr mit Gerechtigkeit auseinander. Wir leben ja jetzt auch wieder in einer Zeit, die sehr aufwühlend ist. Es ist gut, dass viele jetzt wieder mehr über Gerechtigkeit nachdenken.
Warum war für Sie die Dreiecksbeziehung im Film so wichtig?
Für mich ist ein Film ohne Liebesgeschichte gar nichts. Also da bin ich vielleicht einfach Frau genug. Ich brauche ein Happy End. Ich brauche gute Laune. Und ich finde es einfach so schön, wenn die Leute aus dem Kino gehen und sagen: „Ach, hat mir gut gefallen“ Das ist mein Lohn.
Ist für Sie selbst die Schauspielerei abgeschlossen?
Man kann nicht alle Talente gleichzeitig leben. Ich habe noch das Schauspielgen in mir und ich mag es auch gerne, auf der Bühne zu stehen, aber ich glaube, wo ich der Gesellschaft am besten dienen kann, ist, wenn ich meine Kreativität in die Regie stecke.
Wenn Sie heute an Ihre erste Rolle als Christiane F. in „Die Kinder vom Bahnhof Zoo“ denken, ist das für Sie negativ behaftet oder sind Sie da stolz drauf?
Ich bin sehr stolz darauf und ich bin der „originalen“ Christiane sehr dankbar, dass wir ihr Leben verfilmen durften. Denn ohne sie wäre ich nicht hier. Mir hat das damals unglaublichen Spaß gemacht, das zu spielen. Das glaubt nie jemand. Alle sagen immer: „Aber das war doch sicher schwer für dich.“ Nee! Für einen Schauspieler ist so ein Drama eine tolle Herausforderung. Sich am Boden wälzen und den Freier schlagen – wunderbar! Ich muss das ja nicht leben, sondern nur spielen.
Doch der Ruhm, der folgte, war belastend.
Sicher war es keine leichte Zeit. Da meine ich aber nicht das Drehen, sondern alles, was danach kam. Ganz ehrlich? So ein starker Bekanntheitsgrad in so einem frühen Alter ist nicht wünschenswert. Das würde ich keinem jungen Menschen wünschen. Aber ich habe es überlebt und kann das gut wegstecken. Jetzt, 40 Jahre später, gehört das einfach zu mir. Wenn damals nicht in der Schule, wo ich saß und gerade in einen Apfel gebissen habe, dieser jemand vorbeigekommen wäre und gesagt hätte: „Du, wir suchen noch dünne Mädchen für einen Film, willst du zum Casting kommen?“ Dann würde ich jetzt nicht hier sitzen. Meine Antwort damals war: „Wenn es sein muss.“ So ein vorpubertäres Berliner Gör war ich damals.
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