Zwölf Jugendliche tot

Nach Raketenangriff droht großer Krieg mit Libanon

Ausland
28.07.2024 21:01

Zwölf Jugendliche wurden in der Nacht auf Sonntag bei einem Fußballspiel getötet. Die Hisbollah hat mit ihrem Angriff „alle roten Linien überschritten“ – jetzt droht ein neuer Krieg im Nahen Osten.

Die kleine drusische Ortschaft Madschdal Schams unterhalb des Mount Hermon auf dem von Israel annektierten Golan ist im Moment so etwas wie das Auge eines Orkans, der die ganze Region in den Abgrund reißen könnte. Seit dem Raketenangriff der schiitischen libanesischen Terrormiliz Hisbollah auf einen Fußballplatz in Madschdal Schams, bei dem zwölf Burschen im Alter zwischen zehn und zwanzig Jahren ums Leben gekommen sind, ist die Gefahr des Ausbruchs eines großen Krieges an der israelisch-libanesischen Grenze so groß wie seit vielen Jahren nicht.

Angst vor Flächenbrand
Es herrscht Angst vor einem Flächenbrand, einem Krieg, in den neben dem Libanon, Israel und dessen engstem Verbündeten USA auch Syrien, der Irak, der Iran, Saudi-Arabien, ja sogar Zypern und damit die EU hineingezogen werden könnten. Ein Krieg, der verheerende Auswirkungen auf den ohnehin bereits am Boden liegenden Libanon hätte, der aber auch in Israel zu hohen Opferzahlen und großer Zerstörung führen könnte. Denn die vom Iran massiv unterstützte Hisbollah ist mit der Hamas im Gazastreifen nicht vergleichbar.

Als Vergeltung für einen Raketenangriff auf einen Fußballplatz auf den Golanhöhen mit zwölf Toten hat Israel Sonntagfrüh nach eigenen Angaben mehrere Ziele im Libanon angegriffen. (Bild: AP)
Als Vergeltung für einen Raketenangriff auf einen Fußballplatz auf den Golanhöhen mit zwölf Toten hat Israel Sonntagfrüh nach eigenen Angaben mehrere Ziele im Libanon angegriffen.

Im Libanon hat die Hisbollah sich zum Staat im Staat entwickelt, ihr Führer Hassan Nassrallah genießt zumindest bei den Schiiten gottähnliches Ansehen. Er gebietet über Zehntausende Männer unter Waffen, die nicht zuletzt durch den Krieg in Syrien, wo sie auf der Seite von Diktator Assad stehen, äußerst kampferprobt sind – jederzeit bereit, für Gott und Nasrallah in den Märtyrertod zu gehen. Abertausende von ihnen werden auf den Hisbollah-Friedhöfen im Libanon wie Heilige verehrt.

Die Mütter der Gefallenen beklagen nicht deren Tod, sie sind stolz auf das Opfer ihrer Söhne, mit dem diese Ruhm und Ehre gebracht haben auf die ganze Familie. Im Gegensatz zur Hamas verfügt die Hisbollah auch über weitreichende Raketen, mit denen die Miliz wohl jedes Ziel in Israel erreichen kann. Auch Raketen mit sehr großer Sprengkraft.

Terrorkrieger mit großem Arsenal
Das Arsenal der Terrorkrieger wird auf 150.000 Raketen und mehr geschätzt. Seit dem 8. Oktober 2023, dem Tag nach dem Terrormassaker der Hamas in Israel, bei dem mehr als 1200 Menschen ermordet und mehr als 230 in den Gazastreifen entführt worden sind, beschießt die Hisbollah den Norden Israels täglich mit Raketen – eine Solidaritätsaktion der Schiitenmiliz, die mit der sunnitischen Hamas eigentlich nichts verbindet, außer der gemeinsame Feind Israel.

Entsprechend zurückhaltend ist Nasrallah auch in den Konflikt eingestiegen. Entsprechend zurückhaltend waren auch die Gegenangriffe der israelischen Armee. Doch vom ersten Schuss an war klar, dass auch an der Nordfront die Lage jederzeit zu einem offenen Krieg eskalieren könnte, etwa durch eine fehlgeleitete Rakete wie vermutlich jene, die das Fußballfeld in Madschdal Schams getroffen hat. Fehlgeleitet, weil es sich bei Madschdal Schams um ein Drusen-Dorf handelt. Drusen leben aber nicht nur in Israel, etwa 400.000 Angehörige dieser eigener Darstellung nach nicht moslemischen Religionsgruppe sind auch im Libanon beheimatet.

Rakete hatte wohl anderes Ziel
Aus Angst vor deren Rache bestreitet die Hisbollah, an dem Angriff schuld zu sein. Israelische und amerikanische Experten haben aber keinen Zweifel an der Schuld der Hisbollah: Die verwendete iranische Falak-1-Rakete mit 53 Kilogramm Sprengstoff wird nur von der Hisbollah verwendet. Da diese Raketen nicht sehr zielgenau sind, wird vermutet, dass das Geschoß eigentlich ein israelisches Militärcamp auf dem Mount Hermon hätte treffen sollen. Die israelischen Gegenangriffe ließen nicht lange auf sich warten, waren aber vorerst noch „im Rahmen“, wenn in diesem Zusammenhang dieser Ausdruck verwenden werden darf. Regierungschef Netanyahu befand sich zu diesem Zeitpunkt noch auf dem Rückflug aus den USA.

Kein Weg an Militäroffensive vorbei?
Schon für Sonntagabend hatte er dann in Jerusalem das Sicherheitskabinett zusammengerufen und klargemacht: „Die Hisbollah wird einen hohen Preis für ihren Angriff bezahlen. Einen Preis, den sie bisher noch nicht bezahlt hat.“ Tatsächlich ist die Lage im Norden Israels seit dem 8. Oktober untragbar. Alle Ortschaften sind nahezu ausgestorben, Zehntausende Menschen wurden wegen der anhaltenden Angriffe aus dem Libanon umgesiedelt, leben seit vielen Monaten in Hotels, die der Staat finanzieren muss, können ihrer Arbeit nicht nachgehen, leben mit ihren Kindern in oft prekären Verhältnissen.

Nur wenige schwer bewaffnete Männer sind in den Orten und Kibbuzim als Wachen zurückgeblieben. Und mit jedem Tag, der vergeht, mit jeder Rakete, die im Norden Israels einschlägt, verfestigt sich bei vielen Israelis die Position, dass kein Weg vorbeiführt an einer Militäroffensive in den Libanon. Koste es, was es wolle. Und auch israelische Politiker haben bereits gedroht, Beirut in Schutt und Asche, ja den Libanon zurück in die Steinzeit zu bomben.

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