Live in St. Pölten

Calum Scott: Echter Pop braucht viel Melancholie

Musik
05.08.2024 09:00

Sanfte Songs voller Melancholie und Traurigkeit durchziehen die Diskografie des britischen Popstars Calum Scott. Der 35-Jährige kann aber auch flotter und traut sich immer stärker aus seinem Kokon. Am 14. August spielt er mit Ed Sheeran im St. Pöltner Green Park – die „Krone“ sprach mit ihm vorab über sein kunterbuntes Leben.

(Bild: kmm)

Glück und Pech lagen beim britischen Schmusesänger Calum Scott 2024 eng beieinander – zumindest in Österreich. Das Pech übermannte ihn bereits im Juli, als er im Vorprogramm von Robbie Williams in Kärnten auftreten sollte, das Konzert wegen massiver Unwetter aber am Vortag abgesagt werden musste. „Das war wirklich furchtbar. Ich war davor schon bei ein paar Konzerten mit ihm krank und habe das irgendwie durchgezogen. Vor dem Kärnten-Gig war ich endlich wieder fit und dann das.“ Drei Wochen später brillierte der 35-Jährige dafür am Frequency Festival und sorgte in einem Line-Up voller Rap und EDM für eine der selteneren feineren Noten. Mit englischen Top-Stars ist Scott längst auf du und du. Neben Robbie tourte er auch schon mit The Script, diesen Sommer ist er mit Ed Sheeran unterwegs und kommt dabei – am 14. August – wieder in den St. Pöltner Green Park. Eine Tour mit Take That ist auch schon in Stein gemeißelt.

Mit Sheeran auf der Bühne
Auf der laufenden Live-Rutsche mit Sheeran teilt er sich sogar die Bühne mit dem Superstar. Ed liebt Scotts Hit „You Are The Reason“ so sehr, dass er ihn bat, ihn nicht selbst zu spielen, sondern mit Sheeran gemeinsam in seinem Songblock zu singen – allabendlich vor bis zu 70.000 Fans. Für den Teilnehmer der 2015er-Version von „Britain’s Got Talent“ ist das nur ein weiterer Meilenstein in seiner bislang unaufhaltsamen Karriere, die nur das Gaspedal kennt. Mit der Coverversion von Robyns „Dancing On My Own“ schaffte er den Durchbruch, seine eigene Umsetzung des Lieds kam dann nochmal in die Charts. Es folgten die Studioalben „Only Human“ (2018) und „Bridges“ (2022) und erfolgreiche Kooperationen und Features mit Künstlern wie Lost Frequencies oder Felix Jaehn – und natürlich die vielen Konzerte mit der Champions League der aktuellen britischen Popwelt.

Zunehmend setzt Faserschmeichler Scott zuletzt auch auf Dance-Songs. Grundsätzlich ist es ihm wichtig, sein Publikum zum Weinen zu bringen und für die großen Emotionen zu sorgen. Manchmal – wie etwa unlängst in Bangkok mit Sheeran – brechen sie auch selbst aus ihm heraus, wenn ihm Zuspruch und Liebe seitens des Publikums übermannen. „Ich war sehr stark vom Musikgeschmack meiner Mutter inspiriert“, greift er im „Krone“-Gespräch zurück auf die Kindheit im britisch-rauen Hull, „George Michael, Elton John, Michael Jackson oder Céline Dion. Sie alle haben und hatten große Stimmen und wundervolle Balladen, die mich stark ansprachen. Wenn ich also meine eigene Musik schreibe, dann liegt in diesen Klängen mein Herz. Es passiert ganz unbewusst, dass ich romantische Lieder schreibe“. Ein Erweckungserlebnis in die andere Richtung war Scotts Auftritt 2022 am niederländischen EDM-Festival Tomorrowland: „Da merkte ich erstmals, ich kann auch in dieser Welt bestehen.“

Ehrlichkeit und Authentizität
Die Liebe zum Balladesken ist Scott in die Wiege gelegt, denn er bezeichnet sich selbst als einen „Sad Boy“. „Ich mag Balladen, weil sie so echt und unverfälscht sind. Sie kommen aus direkten Emotionen wie Traurigkeit, Dunkelheit, Verlust oder einem Beziehungsende. Die Leute wollen etwas Echtes hören. Wir haben so viel Musik da draußen und es gibt so viele Kanäle, wo man diese Musik hören kann, dass die Hörer sondieren wollen. Sie möchten spüren, dass man ihnen ehrlich und authentisch begegnet.“ Als Achtjähriger sang Scott noch Songs von Michael Bublé in seinem Schlafzimmer. Dass er jetzt vor Zigtausenden Menschen auf der Bühne besteht und seine Songs millionenfach gestreamt werden, ist ihm noch immer nicht ganz geheuer. „Unglaublich. Aber stell dir vor, dass es da draußen Millionen von großartigen Songs gibt und manche Menschen zu ihrer Hochzeit einen von meinen auserkoren haben – das übergeht meine Vorstellungskraft.“

Scott ist nicht nur Musiker, sondern auch ein Sprachrohr, das offen über seine anfänglichen Unsicherheiten in puncto Homosexualität spricht und viel Geld in Mental-Health-Projekte investiert. „Ich bin sehr passioniert, was die Unterstützung der LGBTQ-Community und gesundheitsfördernden Einrichtungen angeht. Auf ,Bridges‘ gibt es viele Songs, die ich in sehr dunklen Momenten meines Lebens geschrieben habe. Die Leute haben es verdient, mit ihren Problemen nicht alleingelassen zu werden und ich will mit meinen Erfahrungen für sie da sein. Ich musste in meinem Leben mehrmals ein Coming-out vollziehen, es war schwierig. Meiner Familie gegenüber, meinen Freunden gegenüber und dann noch meinen damaligen Arbeitskollegen gegenüber, als ich im Rathaus als Angestellter tätig war. Boy George oder Elton John haben mir mit ihrer Offenheit eine neue Welt eröffnet. Sie haben mich unterstützt und mir Selbstsicherheit gegeben. Die Musik war unheimlich wichtig für meine persönliche Entwicklung.“

Probleme mit der Fröhlichkeit
Strenggenommen kann Scott seine Songs nur aus einer persönlichen Perspektive heraus verfassen. „Nur wenn ich das Gefühl habe, dass ich ein Stück von mir gebe, fühlt es sich für mich echt an. Robyns ,Dancing On My Own‘ etwa ist nicht mein Song, aber ich habe ihn mir zu eigen gemacht, weil ich damit eine persönliche Geschichte verbinde – das ist auch möglich.“ Viel schwerer fällt ihm das Schreiben von fröhlichen Songs. „Eine Nummer wie Pharrell Williams‘ ,Happy‘? Oh mein Gott. Ein solcher Song gelingt mir von einer Million Versuchen vielleicht ein einziges Mal. Und selbst dann würde er wahrscheinlich viel zu kitschig sein. Ich glaube, Adele hatte es gar nicht leicht, ihr letztes Album zu schreiben. Sie war privat glücklich, das Kind war da – wie bitte willst du in so einer Situation über gebrochene Herzen schreiben? Ich finde, du erkennst als aufmerksamer Hörer, welcher Songwriter wirklich Schlimmes erlebt hat und welcher nicht.“ Ob flott oder balladesk – Scott wird in St. Pölten garantiert wieder verzaubern.

Live in St. Pölten
Am 14. August spielt Calum Scott im Vorprogramm von Ed Sheeran auf der opulenten Frequency-Bühne im St. Pöltner Green Park. Unter www.oeticket.com gibt es noch Karten für das Konzerthighlight.

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