Israel jubelt leise

Tod von Hamas-Galionsfigur lässt Nahen Osten beben

Ausland
31.07.2024 11:27

Die Tötung von Hamas-Chef Ismail Haniyeh sorgt für diplomatische Verstimmung. Die Türkei spricht von einer „schändlichen Ermordung“, während in Israel bereits gejubelt wird. Der Getötete galt innerhalb der Islamistengruppe als übergeordnete Führungsfigur – und war einer der Hauptverhandler für einen Waffenstillstand.

„Dieser Angriff zielt auch darauf ab, den Gaza-Krieg auf eine internationale Dimension auszuweiten“, erklärte das türkische Außenministerium am Mittwoch. Die israelische Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu habe erneut gezeigt, dass „sie nicht die Absicht hat, Frieden zu schaffen“.

Moussa Abu Marzouk, Mitglied des Hamas-Politbüros, drohte mit Konsequenzen und erklärte, die „Ermordung“ seines Chefs sei eine „feige Tat“ und werde nicht unbeantwortet bleiben.

Führung Irans verspricht „harte Bestrafung“
Der Iran will nun noch näher an die Palästinenser rücken. Das Blut des Hamas-Chefs werde niemals vergeblich vergossen sein, sagte ein Sprecher des Außenministeriums staatlichen iranischen Medien.

Haniyeh galt als politischer Führer der Hamas:

Der geistige Führer Irans, Ali Khameni, ließ keine Zweifel offen, dass die Zeichen auf Eskalation stehen: „Das verbrecherische und terroristische zionistische Regime hat den Boden für eine harte Bestrafung bereitet, und wir betrachten es als unsere Pflicht, sein Martyrium auf dem Gebiet der Islamischen Republik Iran zu rächen.“

Seit 2017 lebt der Terroristenführer im Luxus in Katar. (Bild: AFP/Said KHATIB)
Seit 2017 lebt der Terroristenführer im Luxus in Katar.
Haniyeh befahl Morde, gab sich in der Öffentlichkeit aber moderat. (Bild: Iranian Photojournalist IRNA News Agency)
Haniyeh befahl Morde, gab sich in der Öffentlichkeit aber moderat.
Haniyeh prägte die Hamas seit den 1980er-Jahren. (Bild: AFP/Mohammed ABED)
Haniyeh prägte die Hamas seit den 1980er-Jahren.

Der Vermittlerstaat Katar hielt sich ebenfalls nicht zurück. Chefdiplomat Muhammad bin Abdulrahman bin Dschassim Al Thani griff zu ungewöhnlich rauen Tönen. Er zieht weitere Verhandlungen mit Israel in Zweifel: „Wie kann eine Vermittlung erfolgreich sein, wenn eine Partei den Unterhändler der anderen Seite ermordet?“ Für den Frieden brauche es „ernsthafte Partner“ und eine globale Haltung gegen die Missachtung menschlichen Lebens.

Kritische Töne aus Moskau und Peking
Russland verurteilte die Tötung des politischen Hamas-Anführers scharf. „Das ist ein absolut inakzeptabler politischer Mord, der zu einer weiteren Eskalation der Spannungen führen wird“, zitierte die Nachrichtenagentur RIA den stellvertretenden Außenminister Michail Bogdanow. Auch in Peking zeigte man sich besorgt über den Vorfall.

USA halten sich zurück
Auf die Frage, ob Israel in die Ermordung des Hamas-Führers verwickelt sei und ob die USA darüber im Voraus informiert waren, antwortete US-Verteidigungsminister Lloyd J. Austin gegenüber der „New York Times“: „Dazu habe ich nichts zu sagen.“

Bereits vor Bekanntwerden des Attentats sagte er vor Journalisten am Dienstag: Die USA würden alles tun, um sicherzustellen, die „Temperatur zu senken“ und Probleme mit diplomatischen Mitteln zu lösen. Im Ernstfall würden die Vereinigten Staaten „Israel dabei helfen, sich zu verteidigen“.

Die beschriebene Szene zum Nachsehen: 

Die Hamas und die iranischen Revolutionsgarden hatten zuvor mitgeteilt, dass Haniyeh in Teheran getötet worden sei. Nach Angaben der Hamas wurde der Terroristenführer bei einem israelischen Angriff „auf seine Residenz in Teheran“ getötet. Dabei soll sich um eine Attacke aus der Luft gehandelt haben.

Schweigen und Jubel in Israel
Offizielle Stellungnahmen der israelischen Regierung oder des Militärs gab es zunächst nicht. Zwei rechtsnationale israelische Minister reagierten mit Genugtuung auf die Nachricht vom Tod des Hamas-Führers. „Haniyehs Tod macht die Welt ein bisschen besser“ schrieb Amichai Eliyahu, Minister für das Kulturerbe, auf der Plattform X.

Amichai Chikli postete einen Videoclip Haniyehs bei einer Versammlung, auf der der „Tod Israels“ gefordert worden war. „Sei vorsichtig, was du dir wünschst“, schrieb er als Kommentar. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wird im Laufe des Tages die Sicherheitschefs des Landes zusammenrufen, sagte ein Sprecher seines Büros.

Im israelischen Fernsehen jubeln derweil ehemalige Militärmitglieder über das Attentat. In einer live übertragenen Podiumsdiskussion des israelischen Senders Channel 12 bezeichnete Amos Gilad, ein General der Reserve, die Tötungen im Herzen des feindlichen Territoriums als „eine erstaunliche Leistung“. Es würden sich allerdings Fragen zur längerfristigen Strategie Israels stellen. Der Hamas-Chef sei immerhin ein wichtiger Teil der Friedensverhandlungen gewesen.

Hamas-Chef gab die Richtung vor
Haniyeh, der normalerweise in Katar lebte, war das Gesicht der internationalen Diplomatie der Hamas. Doch auch seine Ideen waren radikal und strebten nach der Auslöschung Israels. Seit 2017 leitete er das Politbüro der Hamas und galt zuletzt als übergeordnete Führungsfigur.

Haniyeh mit seinem Mentor Scheich Yassin im Jahr 2002. (Bild: AFP/Fayez Nureldine)
Haniyeh mit seinem Mentor Scheich Yassin im Jahr 2002.

Schon seit Ende der 1980er Jahre war Haniyeh eine wichtige Persönlichkeit in der Hamas, etwa als Büroleiter von Scheich Yassin, dem geistigen Führer und Gründer der Gruppe. Er überlebte einen Mordanschlag im Jahr 2003. Bereits damals nahm Israel ihn und seinen Mentor ins Visier.

Haniyeh überlebte ein israelisches Attentat
Das israelische Militär ermordete Yassin im folgenden Jahr. „Ihr müsst nicht weinen“, sagte Haniyeh damals zu einer Menschenmenge, die sich vor dem Al-Shifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt versammelt hatte. „Ihr müsst standhaft sein, und ihr müsst bereit sein, Rache zu nehmen“. 

Zitat Icon

Ihr müsst standhaft sein, und ihr müsst bereit sein, Rache zu nehmen.

(Bild: AP)

Ismail Haniyeh

Der Politik-Chef verbrachte Jahre in israelischer Haft und lebt seit 2017 im Exil. Haniyeh wurde im selben Jahr an die Spitze der Hamas berufen und pendelte seither zwischen der Türkei und Katars Hauptstadt Doha. Drei seiner Söhne wurden im Gazastreifen bei einem israelischen Luftangriff getötet. 

Haniyeh scheffelte Milliarden
Seine Quartiere im Ausland ermöglichten ihm, als Unterhändler bei Friedensverhandlungen aufzutreten oder Geschäfte mit dem Iran einzufädeln. Er selbst lebte seit Jahren ein luxuriöses Leben im Exil, während seine Landsleute im Gazastreifen hungerten. Das Vermögen von Haniyeh und seiner Familie wird auf mehrere Milliarden Dollar geschätzt.

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