Bitterer Beigeschmack

Putin tauschte Prominente gegen Tiergarten-Killer

Ausland
01.08.2024 20:28

Die in Russland wegen Spionage zu langen Haftstrafen verurteilten US-Bürger Evan Gershkovich und Paul Whelan sind frei. Dies bestätigte US-Präsident Joe Biden am Donnerstag. Für Amnesty International hat der große Gefangenenaustausch aber einen „bitteren Beigeschmack“.

„Wir haben die Freilassung von 16 Personen aus Russland ausgehandelt, darunter fünf Deutsche und sieben russische Staatsbürger, die in ihrem eigenen Land politische Gefangene waren“, erklärte Biden in einem schriftlichen Statement.

Auch zu Tode verurteilter Deutscher kommt frei
Insgesamt vier Personen kämen zurück in die USA, erklärte er: drei amerikanische Staatsbürger und eine Person mit einer amerikanischen Green Card. Neben Gershkovich und Whelan handelt es sich laut Biden bei den anderen zwei Personen um Alsu Kurmasheva und Vladimir Kara-Murza. Auch der nach einem Todesurteil in Belarus begnadigte Deutsche Rico K. kam frei.

Biden betonte mit Blick auf die Freigelassenen: „Einige dieser Frauen und Männer werden seit Jahren zu Unrecht festgehalten. Sie alle haben unvorstellbares Leid und Ungewissheit ertragen müssen. Heute hat ihr Leid ein Ende.“

Biden: „Wichtig, Freunde zu haben“
Der Demokrat dankte den anderen beteiligten Ländern, die sich an den komplexen Verhandlungen beteiligt hätten, darunter Deutschland, Polen, Slowenien, Norwegen und die Türkei. „Dies ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, warum es so wichtig ist, in dieser Welt Freunde zu haben, denen man vertrauen und auf die man sich verlassen kann“, betonte Biden.

Putin versucht seit Jahren, die deutschen Behörden zu einem Austausch Krassikows zu bewegen. Jetzt ist ihm dieser Deal geglückt. (Bild: Krone KREATIV/AFP/Manan VATSYAYANA, Polizei Berlin)
Putin versucht seit Jahren, die deutschen Behörden zu einem Austausch Krassikows zu bewegen. Jetzt ist ihm dieser Deal geglückt.

Bestätigt: Gershkovich und Whelan frei
Die russische Justiz hatte den 32 Jahre alten Reporter Gershkovich Mitte Juli in einem umstrittenen Prozess wegen angeblicher Spionage zu 16 Jahren strenger Lagerhaft verurteilt. Der Russland-Korrespondent der US-Zeitung „Wall Street Journal“ war Ende 2023 auf einer Reportage-Reise in Jekaterinburg am Ural vom russischen Geheimdienst FSB festgenommen worden. Ihm wurde zur Last gelegt, er habe geheime Informationen über Russlands Rüstungskomplex für US-Stellen gesammelt.

Whelan, der mehrere Staatsbürgerschaften hat, beteuerte vehement seine Unschuld und sprach von einem politisch motivierten Urteil. (Bild: The Associated Press)
Whelan, der mehrere Staatsbürgerschaften hat, beteuerte vehement seine Unschuld und sprach von einem politisch motivierten Urteil.
Gershkovich wurde zur Last gelegt, er habe geheime Informationen über Russlands Rüstungskomplex für US-Stellen gesammelt. Das „Wall Street Journal“ wies die Vorwürfe zurück. (Bild: APA/AFP/NATALIA KOLESNIKOVA)
Gershkovich wurde zur Last gelegt, er habe geheime Informationen über Russlands Rüstungskomplex für US-Stellen gesammelt. Das „Wall Street Journal“ wies die Vorwürfe zurück.

Der 54 Jahre alte ehemalige US-Soldat Whelan war im Juni 2020 von einem russischen Gericht wegen angeblicher Agententätigkeit ebenfalls zu 16 Jahren Straflager verurteilt worden. Davor hatte er rund eineinhalb Jahre lang in Haft gesessen, seit 2018.

Historischer Gefangenenaustausch
Der türkische Geheimdienst MIT teilte mit, dass insgesamt sieben Flugzeuge beteiligt gewesen seien. Ausgetauscht wurden demnach in der türkischen Hauptstadt Ankara Gefangene, die auch in Gefängnissen in Polen und Slowenien, Norwegen und Belarus saßen. Der Geheimdienst MIT hat den Deal nach eigenen Angaben selbst organisiert. Er sprach von einem historischen Gefangenenaustausch.

Putin vor allem an einem Inhaftierten interessiert
Putin hatte wiederum besonders großes Interesse an dem in Deutschland inhaftierten Russen. Der sogenannte Tiergartenmörder hatte in einer Parkanlage in Berlin einen Georgier getötet, der in Deutschland Schutz gesucht hatte. Der russische Präsident nahm den Mörder öffentlich in Schutz, weil er aus russischer Sicht einen Staatsfeind beseitigt hatte. Das Opfer nannte Putin einen „Banditen“, „Mörder“ und „blutrünstigen Menschen“.

Der Tiergarten-Killer Krassikow wurde in Berlin zu lebenslanger Haft verurteilt. (Bild: Polizei Berlin)
Der Tiergarten-Killer Krassikow wurde in Berlin zu lebenslanger Haft verurteilt.

Ein Gericht in Berlin sah es 2021 als erwiesen an, dass der Russe im staatlichen Auftrag den Georgier am 23. August 2019 in der Parkanlage heimtückisch erschoss. Der Mann habe seit langem im Visier Moskaus gestanden, weil ihm vorgeworfen worden sei, während des zweiten Tschetschenien-Krieges mehrere Jahre lang eine Miliz im Kampf gegen Russland angeführt zu haben. Er war nach Moskauer Darstellung für Dutzende Tote unter russischen Sicherheitskräften verantwortlich.

Amnesty fürchtet Freibrief für Russen
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat „erleichtert“ auf den Gefangenenaustausch reagiert, sieht aber einen „bitteren Beigeschmack“. „Ein Mörder und andere Verbrecher, die in einem fairen Prozess verurteilt wurden, kommen nun frei im Austausch für Menschen, die nur ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrgenommen haben“, erklärte Christian Mihr, stellvertretender Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland am Donnerstag.

„Der Gefangenenaustausch ist somit auch ein Schritt in Richtung Ausweitung der Straflosigkeit.“ Die russische Regierung könne sich mit dem Gefangenenaustausch „zu weiteren politischen Verhaftungen und Menschenrechtsverletzungen ermutigt fühlen, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen“, betonte Mihr.

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