„Sie dürfen den Gerichtssaal als freier Mann verlassen.“ – Dieser Satz von Richter Andreas Fleckl sorgte im Fall des tragischen Todes des kleinen Leon in Tirol für Freudentränen. Mittlerweile ist das Urteil auch rechtskräftig. Das heißt, der Angeklagte kann Entschädigung für die U-Haft beantragen. Im Vergleich zu anderen Staaten wird die aber gering ausfallen.
Ende August 2022 ereignete sich das unsagbare Drama um den sechsjährigen Buben – er ertrank in der Kitzbüheler Ache. Am 27. Februar des Vorjahres dann der Paukenschlag in dem Kriminalfall: Leons Vater wurde wegen Mordverdachts festgenommen, es wurde U-Haft verhängt.
Und diese wurde immer wieder verlängert – begründet mit Tatbegehungsgefahr. Das urteilte nicht nur das Oberlandesgericht Innsbruck, auch der Oberste Gerichtshof wies eine Beschwerde der Verteidigung zurück.
Freispruch nach 523 Tagen U-Haft
Also saß der Mann bis zu seinem Prozess knapp eineinhalb Jahre im Gefängnis – genau 523 Tage. Bis die Geschworenen ihn nun am Donnerstag für unschuldig am Mord seines Sohnes Leon befanden. Am Freitagvormittag gab die Staatsanwaltschaft bekannt, auf Rechtsmittel zu verzichten – das Urteil ist damit rechtskräftig, bestätigte Sprecher Hansjörg Mayr.
„Gibt nichts zu rütteln“
Das Urteil des Schwurgerichts sei „klar“ ausgefallen, sagte Mayr weiter. Auch sehe man keinen Hinweis auf Fehler in der Verhandlung und damit keinen Grund für eine Anfechtung vor dem Obersten Gerichtshof. An dem durch die Geschworenen gefällten Freispruch gebe es somit „nichts zu rütteln“. Die Verteidiger des Freigesprochenen seien bereits informiert.
Was die Verteidiger sagen
Strafverteidiger Albert Heiss, der Leons Vater zusammen mit Mathias Kapferer vertreten hatte, bezeichnete den Rechtsmittelverzicht durch die Staatsanwaltschaft als „erwartbar“. Das Urteil stütze sich auf den „Wahrspruch“ der Geschworenen, der keiner Begründung bedarf. Dementsprechend sei ein Geschworenenurteil in der Schuldfrage nicht anfechtbar. Der OGH würde im Falle einer Nichtigkeitsbeschwerde nur „rechtliche Mängel“ überprüfen und nicht in der Sache urteilen.
Ein zivilrechtliches Vorgehen, wie am Vortag unmittelbar nach Prozessende von ihm ins Spiel gebracht, sei nach wie vor offen. Ein solches würde sich gegen die Republik richten und könnte sich auf Fehler von Ermittlern bzw. der Kriminalpolizei stützen, die eine falsche Beurteilung der Sachlage nach sich gezogen hätten.
20 bis 50 Euro pro Tag
Der Freispruch ist wohl die größte Erleichterung für den Familienvater. Auf viel Haftentschädigung kann er nämlich nicht hoffen. In Österreich werden 20 bis 50 Euro pro Tag zugesprochen – in der Regel bewegt sich das aber eher im unteren Bereich. Bei 20 Euro pro Tag kämen im aktuellen Fall gerade einmal gut 10.000 Euro zusammen, im Idealfall wären es etwa 26.000 Euro.
Die drei Prozesstage zum Nachlesen:
Verteidiger Heiss habe mit seinem Mandanten seit Prozessende noch keinen Kontakt gehabt– der Mann benötige Zeit, das Erlebte und insbesondere die eineinhalb Jahre in Untersuchungshaft zu verarbeiten. Man werde sich voraussichtlich kommende Woche zusammensetzen und über das weitere Vorgehen beraten.
Wiederaufnahme von Ermittlungen?
Wie geht es im Fall Leon nun weiter? Katja Tersch, Leiterin des Tiroler Landeskriminalamts, hielt eine Wiederaufnahme der Ermittlungen für möglich: „Wenn es etwas Neues gibt.“ Der Stand, der am Donnerstag verhandelt worden war, sei der aktuelle Ermittlungsstand gewesen. Weitere Schritte würden jedenfalls in Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft erfolgen.
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