Salzburger Festspiele

Endlosblut in postdramatischer Mischmaschine

Kritik
04.08.2024 16:22

Die Salzburger Festspiele zeigen auf der Pernerinsel Nicolas Stemanns Dekonstruktion der antiken Orestes-Dramen. Eine mühsame Übung trotz starker Besetzung.

(Bild: kmm)

Die „Orestie“ des Aischylos ist eine der tröstenden, über die Jahrtausende faszinierenden Utopien der Geistesgeschichte: Das scheinbar ausweglose Verhängnis der Atriden, ein nie endendes Blutbad aus dem Verschulden einer in Gier und Haltlosigkeit heruntergekommenen Götter- und Menschenwelt, wird hier in einem Akt der Vernunft friedlich beigelegt. Aber schon Sophokles und Euripides, die mit Aischylos nahezu zeitgleich die bis heute gültigen Maßstäbe des abendländischen Theaters gesetzt haben, nahmen den glücklichen Verlauf wieder zurück.

Orestie I – IV 2024: Sebastian Rudolph (Apoll), Barbara Nüsse (Erinnyen) (Bild: Salzburger Festspiele / Armin Smailovic)
Orestie I – IV 2024: Sebastian Rudolph (Apoll), Barbara Nüsse (Erinnyen)

Klar, dass der Regisseur Nicolas Stemann angesichts solcher Aktualitäten die postdramatische Mischmaschine anwirft: die Bühne leer, die Rollen locker über die Protagonisten verteilt (sie verantworten auch die schlampigen Chöre); Erklärtexte von Wikipedia-, Leitartikel- und Kinderfunk-Anmutung; eine niederschmetternde Talkshowparodie; Gesangs- und Tanzeinlagen, alles begleitet von einer schwulstbetulichen Live-Band; Nitsch-Zitate, wenn es ans Schlachten geht; Live-Videos, Gesichtsmikrofone, Sender, in knappen Herrenwindeltangas verborgen. Zum vorläufigen Tiefstpunkt stimmt das Publikum über die Schuld des Muttermörders Orest ab, ehe der Abend im Stumpfsinn verendet.

Dass das Hochkarat-Ensemble des koproduzierenden Hamburger Thalia-Theaters – Barbara Nüsse, Sebastian Rudolph, Patrycia Ziolkowska, Sebastian Zimmler und die junge Julia Riedler – auch intensive Momente aufbieten kann, versteht sich von selbst. Doch verursacht das zwangsentspannte Dauerpalaver quälende Passagen der Langeweile, und wieder und wieder in diesen vier Stunden sehnt man sich nach der radikal ritualisierten Texttreue des Antikenspezialisten Ulrich Rasche.

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