„90s Super Show“

Party-Nostalgie pur: Eurodance auf der Kaiserwiese

Musik
04.08.2024 16:00

Tausende Menschen feierten am Samstag bei Prachtwetter auf der Prater-Kaiserwiese ihre Helden, den Eurodance und sich selbst. Mola Adebisi, Loona, Captain Jack, Rednex und Co. liefern beharrlich und motiviert das, wonach sich Menschen sehnen: Nostalgie und Eskapismus.

(Bild: kmm)

Diverse Festivals und Events quer durch Europa beweisen seit geraumer Zeit, dass man mit dem Faktor Nostalgie ordentlich Geld einnehmen kann. Die 70er-, 80er- und 90er-Partys boomen wie selten zuvor, was mitunter auch an der prekären Weltlage liegt. Für die zunehmenden Kriege und Konflikte, Rezessionen, Inflationen und Pandemien gibt es keine einfachen Lösungen, was die Sehnsucht nach einem romantisierten Gestern aufflackern lässt. Dass auch in den 90er-Jahren längst nicht alles mit Sonnenschein verbunden war, wird gerne verdrängt – und zwar erfolgreich. Erfolgs-Franchise-Schienen wie die „90s Super Show“ kommen da gerade recht. Tausende Menschen tummeln sich am Samstag bei Kaiserwetter auf der Kaiserwiese, um bei durchaus moderaten Eintrittspreisen ihren Eurodance-Helden von einst zuzujubeln.

Zu einer richtigen Nostalgieparade gehören natürlich auch amtliche Verkleidungen. (Bild: Starpix / A. Tuma)
Zu einer richtigen Nostalgieparade gehören natürlich auch amtliche Verkleidungen.

Zwischen Plüsch-Bären und Sangria-Kübel
„Wenn wir Songs von damals spielen, dann finden die Leute einen Moment des inneren Friedens“, erklärt Jacky Sangster der „Krone“ im Backstage-Gespräch. Die Britin ist seit 2001 Sängerin der deutschen Eurodance-Legende Culture Beat, die mit „Mr. Vain“ einen der prägendsten Songs des gesamten Genres geschrieben haben. „Die Menschen verbinden mit jedem Song eine besondere Erinnerung von früher, die sie für eine kurze Zeit aus der harschen Realität holt.“ Der Eskapismus wird bei der „90s Super Show“ besonders großgeschrieben. Am Merchandise-Stand findet man psychedelische Sonnenbrillen in allen Farben, Plüsch-Bären oder Seifenblasenpistolen. Alle paar Meter stolpert man über einen Sangria-Kübel mit einer Vielzahl an Strohhalmen, Menschen mit T-Shirts wie „Früher war alles besser - ich bin von früher“ tanzen sich den Alltagsfrust von der Seele.

„Krone“-Redakteur Robert Fröwein im Gespräch mit dem seit 2008 als Captain Jack tätigen Bruce Lacy. (Bild: Starpix / A. Tuma)
„Krone“-Redakteur Robert Fröwein im Gespräch mit dem seit 2008 als Captain Jack tätigen Bruce Lacy.

Schon früh am Nachmittag betritt Captain Jack die Bühne. Unter der Kapitänsmütze befindet sich seit 2008 der gebürtige Amerikaner Bruce Lacy, der konditionell sicher schon bessere Zeiten erlebte, dafür aber mit viel Sympathie punktet. Der 61-Jährige kann die Sehnsucht nach einem geruhsamen Damals nachvollziehen. „In den 90ern haben die Leute noch miteinander kommuniziert. Also richtig. Nicht nur am Handy hängen, Selfies machen und jeden Moment, den du erlebst, x-fach in Fotos festhalten. Ich glaube, dass diese Sehnsucht nach gemeinschaftlichen Erlebnissen aus der Vergangenheit da ist, weil heute alles so extrem schnell geht.“ Schnell abgehandelt sind auch die Auftritte der Künstler. Bei derartigen Events bleiben oft nur 20 bis 30 Minuten Stage-Time pro Act. Da die meisten nur zwischen einem und drei Top-Hits haben, geht sich das aber mühelos aus. Vielmehr werden besagte Top-Hits in der kurzen Spielzeit sogar mehrmals angeschnitten – Party on!

Ausruhen vor dem großen Auftritt: Captain Jack genießt im rustikalen Backstagebereich die Ruhe vor dem Jubelsturm. (Bild: Starpix / A. Tuma)
Ausruhen vor dem großen Auftritt: Captain Jack genießt im rustikalen Backstagebereich die Ruhe vor dem Jubelsturm.

Rednex für alle
Mitte der 90er-Jahre, als Eurodance seinen absoluten Höhepunkt hatte, zählte Österreich zu den wichtigsten Ländern. Die Charts waren voll mit Songs von Scatman über DJ Bobo bis hin zu den Schweden von Rednex, die mit ihrem exaltierten Bühnengebaren und dem Mega-Song „Cotton Eye Joe“ zu den erfolgreichsten Vertretern ihrer Zunft gehören. Wie bei vielen anderen Acts gibt es auch von Rednex mehrere Abordnungen mit unterschiedlichem Personal. Da die Namensrechte zu einem Produzentenkollektiv gehören, ist das möglich. So gibt es etwa jene Rednex, die vornehmlich in Skandinavien auftreten und andere, die den Rest Europas abdecken. Die Kaiserwiesen-Rednex haben einen Wiener als Sänger und erarbeiten sich gefühlt den höchsten Publikumszuspruch des Tages. Ein Da capo gab es für Interessierte am Sonntag – da fand noch ein Videodreh zur kommenden Single „Poor Boy, Poor“ im MuseumsQuartier statt.

Die größten Helden des Tages: Rednex mit einer explosiven Nostalgieshow. (Bild: Starpix / A. Tuma)
Die größten Helden des Tages: Rednex mit einer explosiven Nostalgieshow.

Österreich-Erfahrung hat auch die Niederländerin Loona, die mit „Bailando“, „Hijo de la Luna“, „Mamboleo“ oder dem Cover von „Vamos A La Playa“ zwar ein paar Jahre später dran war, aber rund ums Millennium trotz ihrer westlichen Herkunft zur europäischen Königin des Latin-Techno wurde. Auf der Kaiserwiese muss sie schon um 15 Uhr ran, weil am selben Tag noch zwei (!) weitere Auftritte in Deutschland anstehen. Nostalgiespaß kann auch harte Arbeit sein. Dass der Wien-Aufenthalt gar so kurz ausfällt, ist ihr gar nicht so recht. „Ich fühle mich Österreich sehr verbunden, weil es mich an meine Heimat Holland erinnert. Wir beide sind kleine Länder und bestehen aus fleißigen Menschen. Ihr könnt gut feiern und habt eine tolle Küche. Anfang der 90er-Jahre war ich viel in Zell am See und Kaprun und habe noch viele Freunde dort.“ Nur beim Fußball hört sich die Liebe auf. „Wenn es um die Wurst geht, dann halte ich natürlich zu Holland.“

Gleich drei Auftritte an einem Tag – der erste davon in Wien. Für die Niederländerin Loona ist Eurodance mitunter Schwerstarbeit. (Bild: Starpix / A. Tuma)
Gleich drei Auftritte an einem Tag – der erste davon in Wien. Für die Niederländerin Loona ist Eurodance mitunter Schwerstarbeit.

Gute Planung ist alles
Zwischen den Acts sorgt die einstige VIVA-Legende Mola Adebisi für Stimmung. Während DJ Judge die Turntables bedient, singt er zu Oasis oder Bon Jovi, lässt bei „Last Resort“ von Papa Roach sogar die langen Dreadlocks wirbeln. Der 51-Jährige ist seit etwas mehr als zwei Wochen Vater eines kleinen Buben – seine Ehefrau ist die Wienerin Adelina Zilai, die in der gemeinsamen deutschen Heimat über den Kleinen wacht, während Adebisi als Entertainer schon wieder im Einsatz ist. „Sie ist wunderbar, aber kein Wunder, da sie ja aus Österreich ist“, lacht er im „Krone“-Gespräch, „wir teilen uns das ganz gut auf, aber ich bin mittlerweile vor allem dann glücklich, wenn ich mehr als ein paar Stunden Schlaf kriege.“ Dass er bereits wieder voll im Einsatz ist, verlangt eine gute Planung. „Wir haben schon immer im Team gedacht, deshalb funktioniert das so gut. Zu 80 Prozent ist Adelina bei meinen Jobs dabei. Wenn der Kleine ein bisschen älter ist, werden wir das wieder so machen.“

Eine große Familie – in der Eurodance-Welt der 90er kennt jeder jeden und ist in sehr gutem Einverständnis miteinander. (Bild: Starpix / A. Tuma)
Eine große Familie – in der Eurodance-Welt der 90er kennt jeder jeden und ist in sehr gutem Einverständnis miteinander.

Je später der Abend, umso enthemmter die Stimmung. Hinter den Kulissen ist ein Event wie die „90s Super Show“ vor allem ein großes Familientreffen. Man kennt und respektiert sich. Man teilt gemeinsame Erinnerungen und Umarmungen. Man schwelgt in Erinnerungen und wundert sich ein bisschen darüber, wie eine vor rund 30 Jahren explodierte Sub-Richtung in der Popmusik derart langlebig und noch immer so populär sein kann. Die Stars von gestern sind dank der dichten Bindung zu den Fans auch noch die Stars von heute. Auch dann, wenn Mitglieder mancher Acts schon die x-te Reinkarnation des Originals sind und bis auf die Songs gar nichts mehr mit den 90er-Jahren selbst zu tun haben – wie eine Art Fleisch-und-Blut-Version der Hologramme, die den Konzertmarkt in den nächsten Jahrzehnten überschwemmen könnten. Wenn die Welt derzeit mehr von etwas mehr braucht, dann vom Loslassen, Feiern und Ausflippen. Welcome back to the 90s, hier bekommen Sie all das ausgiebig geboten!

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