Live in der Arena

Fontaines D.C.: Soundtrack für das Ende der Welt

Musik
09.08.2024 09:00

Innerhalb von fünf Jahren und drei Alben wurden die Iren Fontaines D.C. zu einer der spannendsten und größten Rockbands der Welt. Nächste Woche geben sie ihr Österreich-Livedebüt in der Wiener Arena, danach folgt das Viertwerk „Romance“. Frontmann Grian Chatten lässt uns im Gespräch tief in die Welt der Post-Punk-Heroen blicken.

(Bild: kmm)

Neben dem oftmals widerlegten Klischee, dass der Rock’n’Roll tot wäre, hält sich die Mär von fehlenden Headlinern der Zukunft am hartnäckigsten am musikalischen Stammtisch. Geht man mit offenen Augen und musikalischer Toleranz durchs Leben, findet man aber zuhauf Künstler, die für die Staffelübergabe bereitstehen. Die Iren von Fontaines D.C. etwa haben sich innerhalb von nur fünf Jahren zu absoluten Superstars der Post-Punk-Szene entwickelt und bleiben in ihrer Entwicklung auch nicht stehen. „Dogrel“ (2019), „A Hero’s Death“ (2020) und das in England auf Platz eins gegangene „Skinty Fia“ (2022) haben aus Frontmann Grian Chatten und Co. Superstars wider Willen gemacht, den Sound hat man mittlerweile in alle Richtungen gedreht. Für das am 23. August erscheinende Viertwerk „Romance“ hat man sich etwa von Shygirl, A$AP Ferg, Sega Bodega und den Nu-Metal-Heroen Korn inspirieren lassen.

Aus der Not eine Tugend
Jenen Einfluss hört man der bereits ausgekoppelten Single „Starburster“ am stärksten an. Ein audiovisuelles Meisterwerk, das sich zwischen Hip-Hop, Nu-Metal und dem alteingesessenen Post-Punk bewegt und sich auf eine Panikattacke Chattens am Bahnhof in Londons St. Pancras beruft. Das markante Inhalationsgeräusch des Sängers soll nicht nur die tragische Situation wiedergeben, sondern hat auch einen praktischen Hintergrund. „Ich singe so viele Wörter, dass ich zwischendurch einmal tief einatmen musste. Dann habe ich mir gedacht, dass das eigentlich gut zum Song passen könnte und es dabei belassen“, erklärt der 29-Jährige im „Krone“-Interview, „die Vorstellung, dass bei Konzerten Tausende Menschen diesen Teil mitmachen, gefällt mir aber sehr.“ Der Song selbst diente Chatten als Ventil dafür, mit der Panikattacke klarzukommen.

In vielerlei Hinsicht ist „Romance“ das persönlichste und auch weltlichste Album der Fontaines-Historie. War auf den ersten drei Alben die irische Heimat stets ein wichtiger Grundstock für die gesamten Inhalte, treibt man dieses Mal in weltlichere Sphären aus. Die Bandmitglieder verstreuten sich außerhalb des Tourens in Spanien, Paris und Los Angeles – bevor man in London wieder zur Basis zurückkehrte. Jeder mit experimentellen Ideen und vielen spannenden Ansätzen. Ganz im Gegensatz zum Albumtitel sieht sich Chatten als wenig romantischer Songwriter. „Mir gefällt das Klischee von einem auf der Parkbank sitzenden Dandy nicht, der in seinem teuren Tagebuch mit einer edlen Feder Gedanken notiert. Ich schreibe in Burger-Buden, in Zügen oder als Beifahrer, wenn wir im Stau stecken. Ich schreibe lieber in einem Bus, als in Paris. Mir ist dieser Gedankengang ein bisschen zu artsy.“

Mit dem Risiko im Magen
Von den steigenden Erwartungshaltungen aufgrund der Erfolge der Band lässt sich Chatten nicht beirren. „Der Schreibprozess ist genau der Moment, wo ich mich völlig davon befreie. Bin ich damit fertig, werde ich manchmal mit diesen Erwartungen konfrontiert, aber ich habe glücklicherweise einen ziemlich gesunden und möglichst druckfreien Zugang zu diesen Dingen.“ Erstmals arbeitete die Band mit Star-Produzent James Ford zusammen, was so manch überraschende Momente mit sich brachte. „Wir haben ihm unseren Song ,Motorcycle Boy‘ vorgespielt und dann kam ich mit dem Demo zu ,Starburster‘ ums Eck“, erläutert Chatten, „ich habe das Risiko im Magen gespürt, als ich ihm die Idee vorgestellt habe. Spätestens nach dem dritten Durchlauf war er aber selbst begeistert. Er hat gemerkt, dass der Song ein richtiger Banger sein kann, wenn man ihm Zeit zur Entfaltung gibt.“

Auf „Romance“ schwingen viel Katharsis und Dunkelheit mit. Schwere Themen, intensive Gefühle, sehr viel Instinktives. Nachdem Chatten 2023 zwischenzeitlich mit dem Solo-Album „Chaos For The Fly“ reüssierte, freute er sich wieder auf das Bandgefüge. „Nachdem wir uns zwischenzeitlich alle in der Welt verstreut hatten, brauchten wir ein bisschen Zeit, um uns wiederzufinden, aber das hat die Zusammenarbeit dann noch besser gemacht. Ich wollte nach dem Solo-Album endlich wieder mit der ganzen Band spielen. Rein in den Proberaum und loslegen – das war sehr erleichternd.“ Nach „Skinty Fia“ hatte Chatten erstmals das Gefühl, mit dem neuen Album besser sein zu müssen. „Es war so erfolgreich, dass ich diese Gedanken nicht mehr ganz wegschieben konnte. Aber ich bin sehr zufrieden mit ,Romance‘. Ich kann es mir sogar anhören, was ich nach dem Fertigstellen eines Albums eigentlich noch nie konnte.“

Suche nach Trost und Wärme
Wenn man hinter den Titel und das Cover-Artwork blickt, dann steckt eine kräftige Ladung Dystopie in den Songs. „Für mich fühlt sich das Album so an, als würde es am Ende der Welt passieren. Plötzlich entdeckst du ein Radio aus den 50er-Jahren, in dem du auch Musik aus dieser Zeit hörst und dich fragst, was zur Hölle das hier ist. Wenn du dir die Welt heute anschaust, gibt es wenig Hoffnung. Alle paar Wochen erwacht ein neuer Krieg, die Menschen haben kein Geld mehr, alles scheint beschissen zu sein. Kein Wunder, dass wir alle in der Musik von früher, in einer verfälschten Nostalgie nach Trost und Wärme suchen. Interessant ist ja, dass wenn du den Narzissmus der Medien und der Politik durchtauchst, du auf der Straße auf total nette Menschen triffst, die freundlich und hilfsbereit sind. Das ist manchmal hart zu akzeptieren, weil man gar nicht mehr daran glaubt. Wir leben in einer verrückten Welt.“

Mit „Romance“ erschaffen die Fontaines D.C. einmal mehr eine ganz neue Welt, die man sich als Hörer manchmal auch erarbeiten muss, dafür aber mit einem fast schon revolutionär spannenden Werk belohnt wird. Unzählige Songs schaffen es bei den Iren dann auch nicht aufs Album, was Chatten aber nicht weiter sorgt. „Ich bin nicht so der Fan davon, aussortierte Ideen zu sammeln und dann später wiederzuverwerten. Das ist dann was für später, wenn wir ins Alter der Rolling Stones kommen und irgendwelche Outtake-Compilations kuratieren.“ Vom Ansatz mancher Songwriter, aktiv nach allen Ideen zu fischen, hält Chatten nichts. „Das ist so, wie wenn du nicht schlafen kannst, aber krampfhaft im Bett bleibst. Ich gehe dann lieber spazieren, mache mir einen Tee oder setze mich vor den Fernseher. Ich will mein Bett nicht mit Schlaflosigkeit verbinden – und damit einhergehend unausgegorene Songideen nicht mit meinem Songwriting.“

Erstmals live in Wien
Am 13. August geben Fontaines D.C. ihr Österreich-Livedebüt mit einem Konzert am Open-Air-Gelände der Wiener Arena. Dabei darf man – auch schon zehn Tage vor der Album-Veröffentlichung – schon mit so manch neuem Song rechnen. Unter www.ticketmaster.at gibt es noch Karten für eines der spannendsten Live-Highlights dieses Sommers. Dort finden Sie auch weitere Informationen zum Ablauf des Abends.

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