Jubel um Vadlau/Mähr

22. Olympia-Gold! Das erste gab’s bereits 1896

Olympia
08.08.2024 12:48

Jubel um Österreichs erste Goldmedaille bei den Olympischen Spielen 2024! Die Segler Lara Vadlau/Lukas Mähr wurden vor Marseille in der 470er-Klasse Olympiasieger. Dies ist für Rot-Weiß-Rot das 22. Gold bei Sommerspielen. Grund genug, an die Anfänge vor 128 Jahren zu erinnern, als Paul Neumann Österreichs erster Olympiasieger wurde. 

Bei den Spielen von Athen gewann er am 11. April 1896 das Rennen über 500 m Freistil in 8:12,6 Minuten vor den Griechen Antonios Pepanos und Eustathios Chorafas. In Österreichs aktuellen Tageszeitungen fand dieser historische Sieg keinen oder nur einen äußerst geringen Niederschlag …

Nur einen Vierzeiler wert
Die „Morgen-Presse“, die als erste von drei täglichen Ausgaben der „Presse“ morgens um 6 Uhr erschien, berichtete immerhin höchst aktuell – vermutlich als erstes Wiener Blatt – schon am 12. April 1896 von Paul Neumanns Sieg. Aber man muss die Zeitung schon sehr gründlich durchsuchen, um auf Seite 5 unter dem Titel „Die olympischen Spiele“ eine vierzeilige Meldung zu finden; diese ist sehr versteckt zwischen einem Artikel „Zur Fechtkunst“ sowie Meldungen aus „Theater und Kunst“ und „Gerichtssaal“. Der volle Wortlaut: „Athen, 11. April. (Corr.-Ber.) Beim Wettschwimmen auf 200 Meter kam als erster Hajos (Ungarn), auf 500 Meter Paul Neumann (Wien), auf 1200 Meter Hajos (Ungarn) an.“

Vierzeiler über den Olympiasieg (Bild: „Morgen-Presse“, 12. April 1896, ÖNB/ANNO)
Vierzeiler über den Olympiasieg

Auch der Pester Lloyd, der mit Hajos gleich zwei heimische Siege in Athen vermelden konnte, brachte diese Meldung (ohne Hinweis auf Olympia!) auf dreieinhalb Zeilen, derartige Kurzmeldungen veröffentlichten am 12. April 1896 auch noch die „Wiener Zeitung“ und das „Neue Wiener Journal“. Dass es sich in diesen Meldungen nicht um einen 200-m-Bewerb, sondern um ein Rennen über 100 m handelte, sei nur nebenher vermerkt.

„Sieger-Statue im Schwimmcostüm“
In der „Neuen Freien Presse“, nicht zu verwechseln mit der bereits genannten, bis zum 31. Oktober 1896 parallel erscheinenden „Presse“, fand sich eine etwas längere Meldung aus Athen, aber auch recht versteckt auf Seite 5 in der „Kleinen Chronik“. Diese Zeitung würdigte „Herrn Paul Neumann“ unter dem Titel „Ein olympischen Sieger aus Wien“ im Text sogar auch als Sieger der „Weltmeisterschaft im Schwimmen“. Er habe die Strecke von 500 Metern in 8 Minuten 12 Sekunden durchschwommen. Zur Person Paul Neumanns heißt es: „Der olympische Sieger ist ein Sohn des Wiener Professors der Dermatologie, Hofrath’s Dr. Isidor Neumann. Er steht im 21. Lebensjahr. Paul Neumann, welcher von Kindheit an im Schwimmen eine ganz besondere Meisterschaft entwickelte, ist ein Schüler des bekannten Vöslauer Schwimmmeisters Trautl. Er ist Mediciner im sechsten Semester und erfreut sich in Studentenkreisen großer Beliebtheit… Seine Collegen können ihm nun eine olympische Sieger-Statue im Schwimmkostüm errichten.“

Paul Neumann, Österreichs erster Olympiasieger (Bild: ÖOC)
Paul Neumann, Österreichs erster Olympiasieger

„Concurrenten 100 Meter zurück“
Die Wiener „Allgemeine Sport-Zeitung“ (ASZ), über Jahrzehnte das führende Sportblatt Österreichs, musste sich am 19. April auch noch mit einer achtzeiligen Kurzmeldung über die beiden Olympiasiege von Hajos sowie den Erfolg Neumanns begnügen. Dafür berichtete die „ASZ“ nach der Rückkehr der österreichischen Teilnehmer am 26. April 1896 ausführlich aus Athen. In einem Artikel über das „Wettschwimmen bei den Olympischen Spielen“ hieß es über Österreichs ersten Olympiasieger: „Das 500 Meter-Schwimmen gestaltete sich zu einem großartigen Siege Paul Neumann’s. Er ließ seine griechischen Concurrenten um ungefähr 100 Meter zurück. Seine Zeit war 8:12. Er wurde mit Jubel empfangen, war er doch der erste Österreicher, der einen Sieg bei den Olympischen Spielen errang.“

Schwimmbewerbe bei Olympia 1896 (Bild: IOC)
Schwimmbewerbe bei Olympia 1896

Spannend sind die Berichte über die Schwimmbewerbe 1896 im „Offiziellen Report“ dieser Spiele zu lesen: „Sie waren vom Wetter begünstigt waren, deshalb fanden sich zahllose Zuschauer aus Athen ein. Die Bucht von Zea in Piräus, die äußerst malerisch an dem schönsten Punkt der Stadt gelegen ist, bildet einen ziemlich flachen und wellenlosen See, welcher mit dem Meer durch eine schmale Öffnung in Verbindung steht.“ Zum 500-m-Bewerb hatten sich zwar 20 Schwimmer gemeldet, „aber nur drei beteiligten sich, darunter zwei Griechen und ein Österreicher. Der Abgangspunkt befindet sich außerhalb der Bucht, wohin die Bewerber vermittelst der Dampfbarkasse befördert werden. Als Erster langte am Ziele an der Österreicher Neumann, und die österreichische Flagge weht am Maste, vom Publikum begrüßt. Er legte die Entfernung in 8‘ 12‘‘ ¾ zurück.“

„Nur langsam an Salzwasser gewöhnt“
Paul Neumann (1875 – 1932) erinnerte sich später: „Wir haben uns überhaupt an Salzwasser nur langsam gewöhnen können, da es unsere Augen stark angriff... Wir wurden mit Booten auf den Startplatz – ein durch Boote festgehaltenes Seil – gebracht. Der Start gelang ganz gut und wir strebten dem Ziele zu, das ebenfalls aus einem Seil bestand, welches durch Boote festgehalten wurde. Der Wellengang machte es unmöglich, einen wirklichen Wettkampf auszukämpfen, da man seine Konkurrenz nicht sehen konnte, und es blieb nichts übrig, als so schnell wie möglich dem Ziel zuzustreben und das Resultat abzuwarten. … Ich sagte mir im Voraus, dass ich an dieser klassischen Stätte siegen müsse. Recht frisch langte ich am Ziel an und suchte meine Ausziehkajüte auf. Da sah ich schon die österreichische Flagge am Mast wehen und hörte die mir wohlbekannte österreichische Volkshymne… Von da an war ich in Athen eine bekannte Person.“

Silber-Medaille für den Sieger
Die Sieger erhielten bei den ersten Spielen der Neuzeit bekanntlich noch keine Goldmedaille, sondern, wie Olympia-Experte Volker Kluge schreibt, „eine silberne Medaille, die sich in einem kleinen Kästchen befand, zudem ein Diplom in einer blauweißen Rolle und einen Ölzweig, der im Heiligen Hain von Olympia geschnitten worden war“.

Die Medaillen für Olympia 1896 (Bild: IOC)
Die Medaillen für Olympia 1896

Bei seinem Erfolg wurde Paul Neumann zweifelsohne dadurch begünstigt, dass der Ungar Alfréd Hajós, der kurz zuvor die 100 m Freistil gewonnen hatte (und später auch noch überlegen die 1200 m gewinnen sollte), zur 500-m-Konkurrenz vor Erschöpfung nicht antreten konnte. Hinter Hajós hatte Otto Herschmann über 100 m Freistil den zweiten Platz belegt. Wie ich hier vor drei Tagen berichtet hatte, war Herschmann laut dem „Offiziellen Report“ nur Dritter gewesen. Eine höchst umstrittene Entscheidung, die das IOC im Sommer 2012 revidierte und Herschmann im Medaillenspiegel vom dritten auf den zweiten Platz vorrücken ließ. Der über ein Jahrhundert als Zweiter geführte Eustathios Chorafas kommt in dem neuen Ergebnis nicht mehr vor. Der Grieche habe das Ziel nicht erreicht, sagt das IOC heute.

Porträt von Olaf Brockmann
Olaf Brockmann
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