Jahrelang müssen Bauträger in Graz auf gültige Bescheide warten. Immer öfter ziehen sie deshalb vor Gericht. Empörung über die städtischen „Geduldsspiele“ herrscht auch in der Industrie.
Die große Party ist vorbei, die Katerstimmung in der Baubranche inzwischen allgegenwärtig. Der explosive Krisenmix aus steigenden Kosten und sinkender Nachfrage hat seine Spuren hinterlassen. Darüber können auch die Baukräne, die in Graz noch vielerorts zu sehen sind, nicht hinwegtäuschen. In der Landeshauptstadt orten Immobilienexperten aber auch einen anderen Grund für die aktuell eher suboptimale Gemütslage: Die Stadt zögert Bauverfahren in die Länge – viele sehen darin sogar eine Mutwilligkeit der aktuellen Stadtregierung.
Bebauungsplan lässt seit sieben Jahren auf sich warten
Mehrere juristische Verfahren wurden dagegen bereits angestrengt, oder sind im Laufen. Einen diesbezüglichen Sieg vor Gericht konnte unlängst Hannes Schreiner vom Technopark Raaba mit Anwalt Georg Eisenberger einfahren. Für sein Grundstück zwischen Bahnhofgürtel und Babenberger Straße besteht eine Bebauungsplanpflicht – laut Gesetz muss dieser binnen 18 Monaten verordnet werden. Schreiner hat die Erlassung am 31. Mai 2017 beantragt, also vor mittlerweile mehr als sieben Jahren.
Der Verfassungsgerichtshof sieht in dem Geduldsspiel der Stadt ein „effektives Bauverbot“, die Bebauungsplanpflicht muss nun wieder aufgehoben werden. Schreiner kann sein Projekt nun mit einem normalen Bauverfahren einreichen.
„Wir haben sechs Gesprächsrunden mit den Verantwortlichen gehabt – alle ohne Ergebnis“, erklärt der Unternehmer den Gang vor Gericht. Gemeinsam mit Helmut List hat er sich im Frühjahr sogar mit einem Brief an die Stadtregierung gewandt. Die AVL will auf dem Gelände unweit des Hauptbahnhofs nämlich Büroräumlichkeiten für 300 Mitarbeiter einrichten, dazu hochwertige Hightech-Labore und eine Lehrwerkstatt.
Negative Auswirkungen auf Arbeitsplätze
In diesem Brief (liegt der „Krone“ vor) hielten Schreiner und List unter anderem fest, dass eine derartige Vorgehensweise mit einem Leitbetrieb massive negative Auswirkungen auf den Standort und auf die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen haben. „Wir haben nicht einmal eine Antwort bekommen“, schüttelt Schreiner den Kopf.
Beim Grazer Paradeunternehmen will man jedenfalls trotz der Geduldsprobe an den Ausbauplänen festhalten: „Wir hoffen, dass man seitens der Stadt nun die richtigen Maßnahmen setzt“, sagt AVL-Sprecher Markus Tomaschitz.
18 Monate reichen nicht
Die politisch verantwortliche Vizebürgermeisterin Judith Schwentner (Grüne) drückt in diesem Fall ihr Bedauern aus, wie „das seit 2017 gelaufen ist“. „Gerade in diesem stark versiegelten Gebiet wäre es umso wichtiger, einen hochqualitativen Bebauungsplan mit mehr Grünraum auf den Weg zu bringen.“ Sie fordert eine Anhebung der 18-Monatsfrist, „da diese im Sinne einer qualitätsvollen Stadtentwicklung für uns nicht mehr zeitgemäß ist“.
„Wir haben in dieser Periode die Qualität der Bebauungspläne deutlich verbessert. Für die Stadtentwicklung und ein zukunftsfittes Graz ist dies ein extrem wertvoller Schritt. Unser Auftrag ist ja das Gesamtwohl.“
Judith Schwentner, Vizebürgermeisterin (Grüne)
Bebauungspläne auslagern
Naturgemäß völlig konträr sieht dies Gerald Gollenz, Obmann der Immobilien- und Vermögenstreuhänder der WKO. Bei größeren Projekten dauere die Bearbeitung schon jetzt mindestens drei Jahre. „Die Anzahl der Ansuchen ist dermaßen gestiegen, dass es die Beamten nicht mehr schaffen. Deshalb gehört das an externe Experten ausgelagert, die die Fälle mit Juristen der Stadt bearbeiten.“
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