Es kristallisiert sich immer mehr heraus, wie knapp Wien an einer Terror-Katastrophe vorbeigeschrammt ist. Die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst stand wenige Tage vor der geplanten Taylor-Swift-Konzertserie unter „höchstem Zeitdruck“, wie betont wird, nachdem Warnungen von befreundeten ausländischen Geheimdiensten eingegangen waren.
In einer gemeinsamen Stellungnahme der drei österreichischen Nachrichtendienste (siehe Infobox unten) hielten deren Chefs am Samstag fest, dass die wichtigen Informationen „ohne Zeitverzug, professionell und friktionsfrei“ weitergegeben worden seien. Es sei eine „umfassende und eng abgestimmte Bearbeitung aller drei Dienste“ ausgelöst worden. „In Summe führten diese erfolgreichen nationalen und internationalen Kooperationen unter Federführung der DSN schließlich zur Festnahme mehrerer Tatverdächtiger und der Verhinderung eines bereits im Vorbereitungsstadium befindlichen Terroranschlages“, hieß es weiter.
Vom Einzeltäter zur Terrorzelle
Als gesichert kann gelten, dass die DSN nur wenige Tage vor den am vergangenen Mittwoch erfolgten Festnahmen des 19-Jährigen und eines 17 Jahre alten mutmaßlichen Mittäters, der für ein Facility-Unternehmen im Happel-Stadion im Bühnen- und Gerüstaufbau mitgearbeitet hätte, von ausländischen Partnerdiensten gewarnt wurde. Innerhalb weniger Stunden gingen mehrere Hinweise zu einem geplanten Attentat auf das Großevent ein.
In diesen Informationen, die die DSN praktisch zeitgleich erhalten hat, war übereinstimmend von einem Einzeltäter die Rede. Außerdem sollen die Informationen noch unkonkret gewesen sein und zunächst behördenintern zeitintensive Abklärungen erforderlich gemacht haben.
Der 19-Jährige war bis dahin nicht als Islamist in Erscheinung getreten, er war kein sogenannter Gefährder, den die DSN am Radar gehabt hätte, über sein Umfeld und seine binnen kürzester Zeit erfolgte Radikalisierung war zunächst nichts bekannt. Taylor Swift sollte wiederum bereits vom 8. bis zum 10. August im Happel-Stadion auftreten – an jedem einzelnen Abend wurden 67.000 Besucherinnen und Besucher im und tausende Fans vor dem Stadion erwartet.
Dass die Verfassungsschützer rechtzeitig vor den Konzertterminen ausreichend Beweismaterial sammeln und sicherstellen konnten, auf dessen Basis nun der 19-Jährige und sein 17 Jahre alter mutmaßlicher Mittäter wegen terroristischer Vereinigung in U-Haft sitzen und ein weiterer Bekannter des 19-Jährigen festgenommen wurde, spricht für ein effizientes Ermitteln. Immerhin zeigte sich binnen weniger Tage, dass der 19-Jährige kein Einzeltäter sein dürfte, er die Vorbereitungen zur beabsichtigten Tat vermutlich nicht alleine durchgeführt hat und es offenbar Mitwisser gab.
Warum Ermittlungen in Österreich zeitintensiver sind
Dabei gelten Ermittlungen in der Terrorismusbekämpfung als zeit- und ressourcenintensiv und bedürfen oft einer Länder übergreifenden Abstimmung – in Österreich gestaltet sich dies noch aufwendiger als in anderen EU-Ländern, weil es rechtliche Hürden gibt. Die Überwachung von Messenger-Diensten ist hierzulande nach wie vor nicht zulässig.
Daher fordern die drei Nachrichtendienste, die gemeinsam als Kooperationsstelle der Nachrichtendienste agieren, ebenfalls eine Reform: „Eine Anpassung der rechtlichen Befugnisse unter strenger rechtlicher Kontrolle ist unvermeidbar, um aktuellen und zukünftigen Bedrohungen für Österreich und seine Bürgerinnen und Bürger entgegenzuhalten.“
Zu den Hinweisen, die auf die Spur des 19-Jährigen und in weiterer Folge zu zwei weiteren Festnahmen führten, gab sich DSN-Direktor Omar Haijawi-Pirchner bedeckt: „Ein wichtiger Aspekt unserer professionellen Arbeitsweise ist, dass wir keine Details zur Kommunikation mit unseren nationalen und internationalen Partner offen legen – weder zu Metadaten noch zu Inhalten.“
Zum vorliegenden Ermittlungsergebnis meinte Haijawi-Pirchner: „Die DSN konnte ihren gesetzlichen Auftrag vollumfänglich erfüllen und das Vertrauen der internationalen Gemeinschaft zurückerlangen. Sie genießt das Vertrauen weltweiter Partner und steht im regelmäßigen Austausch mit internationalen Sicherheitsbehörden und Nachrichtendiensten.“
Die DSN konnte ihren gesetzlichen Auftrag vollumfänglich erfüllen und das Vertrauen der internationalen Gemeinschaft zurückerlangen.
DSN-Direktor Omar Haijawi-Pirchner
Bild: Imre Antal
Islamisten mit Wurzeln in Nordmazedonien
Auffällig ist, dass wie schon beim Terroranschlag vom November 2020 in Wien es sich beim Hauptverdächtigen im aktuellen Fall ebenfalls um einen Österreicher mit nordmazedonischen Wurzeln handelt. Auch in anderen Fällen galten Männer mit nordmazedonischen Wurzeln als Terrorverdächtige: 2015 geriet ein österreichischer Staatsbürger mit Wurzeln in Nordmazedonien in Verdacht, einer radikalislamistischen Terrorvereinigung anzugehören und Dschihadisten anzuwerben. Auch im Jahr darauf wurde bei einer Anti-Terror-Razzia unter anderem ein Nordmazedonier festgenommen.
Eine auffällige Häufung von Radikalisierungsfällen in der Community sieht der Verein „Derad“ allerdings nicht, erklärte ein Sprecher am Samstag im APA-Interview. Es gebe keine Anzeichen dafür, dass gerade albanisch-nordmazedonische Muslime besonders im Fokus von IS-Kampagnen stünden, betonte der „Derad“-Sprecher. Nordmazedonien hilft übrigens derzeit intensiv bei den Ermittlungen rund um Beran A. Das Innenministerium des Balkanlandes hat auf Antrag der österreichischen Behörden Untersuchungen zu dem Hauptverdächtigen im vereitelten Terroranschlag in Wien eingeleitet.
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