ÖOC-Präsident Karl Stoss blickte am Sonntag in seiner ganz allgemeinen Bilanz der Sommerspiele auch als Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) auf „unglaublich beeindruckende Spiele“ zurück. Als Präsident des Österreichischen Olympischen Komitees (ÖOC) zeigte er sich zufrieden, das rot-weiß-rote Team habe aufgezeigt. „Großartig! Fünf olympische Medaillen, zwei in Gold – was besonders schwer wiegt.“ Dennoch gäbe es noch Luft nach oben.
Der Vorarlberger hob auch die Anzahl von weiteren Top-Ten-Platzierungen (20) der insgesamt 81 Aktiven sowie der beiden zum Einsatz gekommenen Ersatz-Athleten hin. „Da kann man durchaus zufrieden Bilanz ziehen. Allerdings wäre es schön gewesen, wenn noch die eine oder andere Top-10-Platzierung zu einer Medaille geworden wäre.“ Olympische Spiele seien aber kein Wunschkonzert, da müsse alles bis zum letzten Moment zusammenpassen. „Besonders leid – schon beim Zuschauen – tut es mir für die, die sehr knapp an einer Medaille vorbeigeschrammt sind.“
Am knappsten erst am Samstag die Anna-Maria und Eirini-Marina Alexandri im Synchronschwimmerinnen als Vierte, was scharfe Worte des Duetts gegen die Jury nach sich zog. „Ich verstehe das. Sie haben alles gegeben, sind ganz hervorragende Sportlerinnen. Ich kann hier keinen Vorwurf nicht unterstreichen“, ging Stoss mit den 26-Jährigen nicht ins Gericht. „Überall, wo es Jury-Entscheidungen gibt, spielt der menschliche Faktor eine Rolle.“ Es wäre toll, wenn die Arbeit der Geschwister einmal mit Edelmetall belohnt würde. „Hoffentlich eine Goldmedaille, wenn sie durchhalten.“
Team-Sport im Fokus
Im ÖOC-Abschneiden in Paris sei der nach den medaillenlosen London-Spielen 2012 eingeschlagene Pfad jedenfalls nicht verlassen worden. In Tokio 2021 hatte es sieben Medaillen gegeben. „Es hätten auch (in Paris, Anm.) mit etwas Glück die angepeilten bis zu zehn werden können. Wir haben fünf Medaillen, nach meinem Geschmack aber in etwas zu wenig Sportarten.“ Man müsse nun versuchen, Gespräche mit verschiedenen Verbänden zu führen. Mein großer Wunsch ist es, auch Teamsportarten zu Olympischen Spielen zu bringen.“ Beispielsweise nannte Stoss Frauen-Fußball.
„Alle Kraft voraus“, heiße es jetzt deshalb auch in den für Los Angeles 2028 neuen Mannschaftssportarten wie etwa dem wohl am aussichtsreichsten Flag Football. „Wir haben nur vier Jahre Zeit und noch weniger Zeit, um uns dafür zu qualifizieren. Da ist schon zeitlicher Druck da, ganz ohne Zweifel.“ Bei manchen Mannschaftssportarten werden man aber keine große Rolle spielen, wie er annehme. „Daher hat es da auch keinen Sinn, viel zu investieren.“ Man soll sich vielmehr auf das konzentrieren, was man könne und was man noch besser machen könne.
Auch andere Sportarten haben Potenzial
Wenn man hinter die sportlichen Leistungen sehe, sei wieder zum Vorschein gekommen, dass man niemals aufgeben solle. Beispielsweise nannte er 470er-Seglerin Lara Vadlau, nach Olympia-Rang neun in Rio de Janeiro zur Medizinstudentin geworden, und nun mit Lukas Mähr zu Olympia-Gold gesegelt. „Oder Jessica Pilz, die noch einmal die gesamte Konzentration und Kraft gebündelt hat, und eine Bronzemedaille errungen hat. Das ist das Schöne. Diese Geschichten kann nur Olympia schreiben“, meinte Stoss über die Tokio-Siebente im Klettern.
Die fünf Medaillen seien in drei Sportarten errungen worden, was zeige, dass es durchaus auch in anderen Sportarten noch Möglichkeiten gebe. In den Medaillen-Sportarten Segeln, Klettern und Judo sehe man auch „das unglaublich tolle Zusammenwirken innerhalb des Verbandes und der gesamten Mannschaft“. Die Zusammenarbeit auch des ÖOC mit diesen Verbänden sei erstklassig, hob der 67-Jährige hervor. „Die orientieren sich auch immer an der Weltspitze. Sie braten nicht im eigenen Saft, sondern fragen, wo gibt es noch Bessere, die helfen, ganz an die Spitze zu kommen.“
Österreich-Haus als tolle Plattform
Andere nationale Verbände könnten sich daran ein Beispiel nehmen. Dann könnte man näher an das Abschneiden vergleichbarer Länder wie etwa Ungarn, wo es eine klare Fokussierung auf den Spitzensport und den Erfolg gäbe, kommen: „So muss man es in Zukunft anlegen, wenn man noch mehr Medaillen erringen möchte“ hob Stoss hervor. „Da ist schon noch Luft drinnen. Aber insgesamt muss man zufrieden sein. Enttäuschungen gab es. Aber am meisten enttäuscht sind die betroffenen Athletinnen und Athleten. Doch da muss alles zusammenpassen.“
Stoss hob überdies die hohen Marktanteile in der Heimat unter den jungen Fernsehzuschauern hervor, den Zwölf- bis 21-Jährigen. „Das gab es noch nie und das ist eigentlich das Schöne, dass man junge Menschen nicht nur für Computer-Spiele, sondern für tatsächliche Sportwettkämpfe begeistern kann.“ Zudem sei das Österreich-Haus im Pariser Pavillon Montsouris „eine hervorragende Plattform“ gewesen. 4.500 geladene Gäste seien da gewesen, mehr als 15.000 im offenen Bereich. „Die zehn Abendveranstaltungen sind alle pumpe-voll gewesen.“
Mit der internationalen Brille sei es leider nicht ohne Sicherheitsvorkehrungen gegangen, Stoss sprach aber unabhängig davon einen Glückwunsch an die Veranstalter und das französische Olympische Komitee aus. „Das ist eine Monsterarbeit. Diese unglaublichen Jahre haben Früchte getragen, für Frankreich, für Paris, für die Welt.“ Man habe erleben dürfen, dass es auch eine andere Welt gebe, eine friedvolle. „Chapeau an die Veranstalter, die hier Unglaubliches geleistet haben.“
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