Jungstar mit Album

Beabadoobee: Vom Schlafzimmer zum Superstar

Musik
13.08.2024 09:00

Still und leise näherte sich Beatrice Laus aka Beabadoobee von ihrem Londoner Schlafzimmer aus an die große Pop- und Rockwelt heran. Ihr Drittwerk „This Is How Tomorrow Moves“ ist die endgültige Emanzipation von der jugendlichen Unschuld und ein selbstbewusster Sprung in den Mainstream, ohne die Indie-Wurzeln zu kappen.

(Bild: kmm)

So sehr manche bemüht sind, die verschiedenen Generationen untereinander aufzutrennen oder musikalisch aufzuwiegeln, so wenig gelingt das in der Praxis. Bestes Beispiel: Beabadoobee. Hinter der mittlerweile 24-jährigen Philippinin, die in London aufwuchs und dort musikalisch reifte, steckt eines der größten TikTok-Musikwunder der Neuzeit, aufgewachsen ist die damals 17-Jährige aber mit Postern der Indie-Helden Pavement und Elliott Smith im Kinderzimmer. Mit ihrer ersten Single „Coffee“ erarbeitete sie sich einen Vertrag beim alternativen Indie-Label Dirty Hit. Zwei Jahre später zollte sie mit dem Song „I Wish I Was Stephen Malkmus“ dem Pavement-Frontmann direkt Tribut. Alles, was ab 2020 kam, gleicht einer Achterbahn-Fahrt, die bis heute immer nur eine Richtung kennt: steil nach oben.

Initialzündung als Sample-Lieferantin
Mit dem Debütalbum „Fake It Flowers“ schwamm Beabadoobee ein bisschen im Fahrwasser des großen Billie-Eilish-Hypes und musizierte sich ruhig und bedächtig, mit Schlafzimmerproduktion und viel Ruhe im Songwriting in Englands Top-10-Charts. Zu dieser Zeit waren die Vorschusslorbeeren zur Ernte bereit. Laus bekam den „NME Radar Award“, landete auf der renommierten und oftmals karrierewegweisenden „Sound Of…“-Liste der BBC und war bei den Nominierten für den BRIT-Award als „Rising Star“. Noch wichtiger: Der kanadische Rapper Powfu verwendete für seinen Track „Death Bed“ ein Sample von Beabadoobees Underground-Hit und Debüt-Single „Coffee“ und ging damit auf TikTok viral. Wer den undurchdringbar erscheinenden Dschungel der Plattform kennt, weiß, das war die Initialzündung für die eigene Karriere.

2022 folgte mit „Beatopia“ ein gefälliger, aber noch erfolgreicherer Nachfolger, der die sympathische Musikerin in der britischen Heimat sogar in die Top-5 der Charts bugsierte. Live tourte sie im Vorprogramm von unterschiedlichen Künstlern wie The 1975, Clairo oder Halsey. Die Krönung folgte auf dem Fuß – 2023 gab es die Möglichkeit, als Opening-Act von Pop-Königin Taylor Swift auf die Bühne zu gehen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hatte Beabadoobee auch die Mainstream-Popwelt erobert, der sie musikalisch immer zugänglicher wird. Mit den Jahren hat sich der Sound vom College-Indie-Rock mit Pullunder-Folk-Einflüssen enorm weiterentwickelt und so wie es zum guten Ton der musizierenden „Generation TikTok“ gehört, sind Genre-Eingrenzungen nur obsolete Mauern, die es so gut und wuchtig wie möglich einzuschlagen gilt.

Die Kredibilität erweitert
Wenn Laus ins Studio geht, ist alles möglich. Ihre kindlich wirkende Unschuldsstimme passt sehr gut zu den verzerrten Gitarren und schrägen Pedals, kann aber auch vor einem Beat oder zum sanften Klavier mit Kompetenz aufwarten. Veröffentlichungstechnisch etwas unglücklich mitten im Hochsommer veröffentlicht Beabadoobee nun mit „This Is How Tomorrow Moves“ ihr wegweisendes drittes Werk und schlägt endgültig den unvermeidlichen Gang in die Erwachsenenwelt ein. Die Teenage-Angst der beiden Frühwerke lässt sich nur mehr in Nuancen erahnen, weil Laus jetzt auch innere Fesseln abgelegt hat. Wohl nicht zuletzt die Taylor-Swift-Erfahrung hat ihr endgültig gezeigt, dass poppige Eingängigkeit und Formatradiopotenzial nicht unbedingt Begriffe sein müssen, die der Kredibilität der bislang aufgebauten Karriere abträglich sind.

Das Drittwerk bietet der Künstlerin die Möglichkeit, eine erste Bilanz zu ziehen, sich selbst in Rückschau zu üben und noch einmal genauer zu reflektieren. Über sich, die eigene Musik und die schräge Welt, in der wir alle leben. Bei einer derartigen Emotionsbreite hätte Beabadoobee locker den Faden verlieren und sich in zu schräge Details ausufern können, doch die innere Geschlossenheit gehört mitunter zu den größten Stärken des Albums. Mitverantwortlich für den Mut zu Neuem ist nicht zuletzt Produzenten-Rauschebart Rick Rubin, in dessen Shangri-La-Studios in Malibu das Album aufgenommen wurde. Der extravagante Künstler wählte in der Vorbereitung auf Beabadoobee eigenwillige Wege. So hörte er sich keine Demokassetten von Songs der Band an, sondern forderte Laus und Konsorten auf, die Nummern erst einmal auf Akustikgitarre vorzuspielen, um sich ein genaueres Bild machen zu können.

Reifung und Erkenntnis
Der Erfahrung in Malibu hat sie sogleich den Song „Beaches“ vermittelt – es kommt ja auch nicht jeder einfach so ins musikalische Wohnzimmer Rubins. „California“, „Coming Home“ oder „Everything I Want“ vermitteln das Gefühl, als hätte die Musikerin im Sonnenstaat genau die Leichtigkeit für den poppigeren Zugang gefunden, die ihr im vergleichsweise kühlen London fehlte. Ein basischer Rocksound trägt noch immer abgefuckt als Grundstimmung durchs Album, aber Beabadoobee hat jegliche Form der nach außen zu zelebrierenden Indie-Coolness abgelegt und öffnet ihr buntes, weitreichendes und hochaktives Herz nun erstmals in voller Blüte. Songs wie „Take A Bite“ stecken knietief in den 90ern, andere wiederum sind klar als Produkte der Gegenwart zu spüren und hören. Dem Reifeprozess liegt auch die textliche Erkenntnis anheim, nicht immer recht zu haben und zu akzeptieren, dass man sich mit hinausposauntem Halbwissen auf dünnes Eis begibt. „This Is How Tomorrow Moves“ ist die leichtfüßigste und gleichzeitig spannendste Pop/Rock-Platte dieses Sommers. Nur schade, dass es mit dem Österreich-Livedebüt vorerst wieder nichts wird.

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