Seine letzten Gedanken

Am Ende bereute Richard Lugner nur noch eines

Die „Krone“ und der Baumeister: eine innige Beziehung über Jahrzehnte. Sein letztes Interview gab er Conny Bischofberger – und sprach mit ihr auch über seinen Tod. Die „Krone“-Kolumnistin erinnert sich an das Gespräch mit einem nachdenklichen, aber auch zuversichtlichen Richard Lugner.

Ungläubig starre ich auf unsere Push-Meldung an diesem Montagvormittag. Richard Lugner, der kann doch nicht tot sein! Unverwüstlich schien er, ein Überlebenskünstler und medizinisches Phänomen. Krebse, Corona, Stürze und zuletzt eine Herz-OP. Alles überstanden. Mit 91.

Ich rufe Erinnerungen an unsere letzte Begegnung vor nicht einmal drei Wochen ab. Er sei unrasiert und noch nicht ganz fit, schrieb er auf WhatsApp auf meine Interview-Bitte. Und nach 30 Sekunden: Ein Treffen bei ihm zu Hause sei aber kein Problem. Wir fuhren die Himmelstraße hinauf und bogen links in die Weinberge ab. Das Garagentor öffnete sich, die Hunde bellten, die Haushälterin bat uns hinein. Lugner stand ein wenig vornüber geneigt im Salon. „Angeknackster Lendenwirbel“, murmelte er und lächelte die Schmerzen weg. Die Krücken lehnten demonstrativ am Glastisch, den Rollstuhl hatte er draußen zwischen den Gartenmöbeln platziert.

Ein Spitzname als Adelsprädikat
Zwei Tage nach einer Operation der eingerissenen Herzklappe war Lugner schon wieder heim spaziert. Und somit Wunschkandidat Nummer eins fürs große Sonntagsinterview. Lugner und die „Krone“ waren symbiotisch verbunden. Noch bis vor ein paar Jahren bog sein Mercedes jeden Abend in die Muthgasse 2 ein. Der Baumeister betrat die Halle, plauderte mit dem Portier und ließ sich die Abendausgabe aushändigen. Sein erster Blick galt den Adabei-Seiten. Michael Jeannée hatte ihm einst – nicht ehrenvoll gemeint – den Spitznamen „Mörtel“ verpasst. Lugner trug ihn wie ein Adelsprädikat.

Und nun saß er mir wieder gegenüber, zum wie vielten Interview eigentlich? Ich hatte ja keine Ahnung, dass es das Letzte sein würde. Der König der Seitenblicke-Gesellschaft mit Dreitagebart und Prada-Polo. „Fit wie ein Turnschuh“ betitelte ich später das Foto von Reinhard Holl, auf dem der Rekonvaleszente „Rollstuhlrallyes“ durch den Garten dreht. Fünfmal rund um den Pool. Zweimal täglich. Anstrengend, aber jedenfalls lustiger als Physiotherapie.

In seinem Haus in der Himmelstraße besuchte Conny Bischofberger ihn zum Interview. Am Montag riegelte die Polizei die Zufahrt großräumig ab. (Bild: Groh Klemens/Klemens Groh)
In seinem Haus in der Himmelstraße besuchte Conny Bischofberger ihn zum Interview. Am Montag riegelte die Polizei die Zufahrt großräumig ab.

Wir sprachen über vieles. Seine einzigartige Karriere. In den Sechziger Jahren mit zwei Arbeitern und zwei Angestellten ein Bauunternehmen gegründet. Eine ganze Reihe von Prestigeobjekten errichtet. Wiener Moschee, Hundertwasserhaus, OPEC-Foundation, Synagoge. 1990 eröffnete er die „Lugner-City“, trotz vieler wirtschaftlicher Rückschläge eine Erfolgsgeschichte. Erfolg war ihm wichtig. Tätig sein bis zuletzt, das hielt ihn frisch und jung.

Seit 1992 bringt der „König der Seitenblicke-Gesellschaft“ illustre internationale Gäste zum Wiener Opernball. 2025 wird er dort fehlen, und nicht nur dort.

Den Grabstein hat er selbst bestellt
Natürlich sprachen wir auch über den Tod. Obwohl er das Thema immer galant zu umschiffen versuchte, muss er sich insgeheim doch damit beschäftigt haben. Denn er ließ zuletzt eine Gruft auf dem Grinzinger Friedhof bauen. Bei der Beerdigung eines Freundes sei ihm bewusst geworden, dass er dort seine letzte Ruhe finden wolle. Da, wo auch Hans Dichand und Gustav Peichl liegen. Und, so verkündete er, der Grabstein sei auch schon bestellt, könne aber erst im September geliefert werden. Royal Red, ein roter Granit. Lugner-City-Rot.

Ich stellte ihm die Frage, was er bereuen würde, wenn es morgen aus wäre. Rückblickend gesehen bekomme ich hier Gänsehaut. Da gebe es nichts Wesentliches, meinte Lugner, der sich Herztabletten zur Melange servieren ließ, er habe sein Leben schön gestaltet. „Nur, dass ich halt bei den Frauen kein gutes Händchen gehabt habe.“

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Da gibt‘s nichts Wesentliches. Nur, dass ich halt bei den Frauen kein gutes Händchen gehabt habe.

Richard Lugner auf die Frage, ob er etwas bereut.

Lugner und die Frauen. Fünf Ehen gingen in die Brüche. Dazwischen unzählige „Tierchen“, ein Schlag ins Gesicht der Frauenbewegung. Aber das kümmerte Lugner überhaupt nicht. Am 1. Juni dann seine sechste Hochzeit. Er finde es schön, dass jetzt zu Hause jemand auf ihn warte. Dass Simone an seiner Seite sei, denn „ich wollte immer in festen Händen sein“.

Der wunde Punkt des Baumeisters
Hatte er noch Wünsche? Ihm fiel außer den bevorstehenden Flitterwochen nichts ein, mir schon. Ob ihm nicht eine Auszeichnung für seine Verdienste gebühren würde? So viele Österreicherinnen und Österreicher werden alljährlich ausgezeichnet.

Ich hatte einen Punkt getroffen, Lugners stille Sehnsucht nach Anerkennung. Er erzählte mir, dass der Dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer sich einmal um einen Orden für ihn bemüht habe. Erfolglos. Er äußerte den Verdacht, dass der amtierende Bundespräsident es vielleicht abgelehnt haben könnte. Eine Nachfrage in der Präsidentschaftskanzlei ergab, dass das nicht der Fall war. Der Herr Bundespräsident schätze Herrn Lugner, nicht umsonst sei er jedes Jahr Gast in seiner Loge gewesen.

Richard Lugner wirkte ruhiger als bei früheren Interviews an jenem Mittwochnachmittag, nicht mehr so rastlos. Später kam noch Putins Arzt auf Hausbesuch. Auf dessen Blutwäsche, angeblich lebensverlängernd, schwörte Lugner.

Wie alt wollte er werden? Die Ärztin im AKH habe ihm noch acht Jahre gegeben, erklärte er bei unserem Abschied ganz stolz, „dann wäre ich 99. Eine schöne Zahl.“

Keiner zweifelte daran, dass er das locker schaffen würde. Es war ihm nicht mehr vergönnt. Und es fühlt sich noch immer unglaublich an.

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(Bild: kmm)



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