Russen auf der Flucht

Kiew verspricht: Gibt „kein Butscha“ bei Invasion

Ausland
15.08.2024 07:36

Bei ihrem Vorstoß in die westrussische Region Kursk machen die ukrainischen Streitkräfte nach den Worten von Präsident Wolodymyr Selenskyj „gute Fortschritte“. Der Schutz von Zivilisten stehe dabei im Vordergrund. Man wolle einen Kontrast zum russischen Vorrücken setzen.

Die ukrainische Armee erreiche ihre Ziele, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache – und sie sei angewiesen, bei ihrem Vorgehen humanitäres Recht zu achten. „Es ist wichtig, dass die Ukraine nach den Regeln kämpft, und die humanitären Bedürfnisse in diesem Gebiet müssen beachtet werden.“

Massaker in Kiewer Vorort
Die Betonung, dass humanitäres Recht eingehalten werde, geht auf Gräueltaten russischer Truppen bei ihrem Vormarsch auf die ukrainische Hauptstadt Kiew vor knapp zweieinhalb Jahren zurück. Im Vorort Butscha wurden damals zahlreiche Zivilisten wahllos getötet, ehe das russische Militär in diesem Gebiet den Rückzug antreten musste.

Selenskyjs Ansprache in voller Länge:

Bei einer Sitzung der Regierung Selenskyjs wurde nach Angaben der ukrainischen Agentur Unian beschlossen, internationalen Organisationen den Zugang zu den besetzten Gebieten in Westrussland zu erlauben. Zu ihnen gehören demnach das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, die Vereinten Nationen sowie andere Organisationen, die humanitäre Hilfe leisten.

„Kein Butscha auf russischem Gebiet“
Der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak beschrieb in einem Interview des russischen Oppositionsmediums „Meduza“ das Vorgehen bei der Operation in der Region Kursk. Unter anderem seien die ukrainischen Streitkräfte angewiesen, ausschließlich militärische Ziele anzugreifen und zu zerstören. Im Gegensatz zu den russischen Invasoren werde die Ukraine in besetzten Gebieten keine Statthalter einsetzen.

Der einzige Kontakt zur russischen Zivilbevölkerung sei die Unterstützung mit humanitärer Hilfe. Auch Podoljak betonte, dass es „kein Butscha auf russischem Gebiet“ geben werde.

Russischer Boden als politisches Sprachrohr
Die ukrainischen Streitkräfte müssten ihre Positionen befestigen, um den operativen Erfolg abzusichern, sagte Podoljak weiter. Dies werde der Ukraine erlauben, „den Schauplatz der militärischen Operationen auf russischem Gebiet zu vergrößern“, und dann auch politische Botschaften ermöglichen. Er nannte konkret, „das Versagen der russischen Verwaltung insgesamt aufzuzeigen, die mangelnde Bereitschaft, Entscheidungen zu treffen, die mangelnde Bereitschaft, zusätzliche Kräfte und Mittel dorthin zu bringen“. Dementsprechend werde sich der Krieg auf das gesamte russische Staatsgebiet ausweiten, meinte Podoljak.

Der ukrainische Oberkommandeur Olexander Syrskyj hatte Selenskyj Bericht über die Lage in Kursk und an anderen Frontabschnitten in der Ukraine erstattet. Vor allem im Osten rund um den Donbass waren die ukrainischen Verteidiger schwer in Bedrängnis geraten, da die russische Armee dort den Druck erhöht hatte.

Syrskyj und Selenskyj vereinbarten, dass die dort kämpfenden ukrainischen Truppen zusätzliche Waffensysteme aus den nächsten militärischen Hilfspaketen westlicher Partner erhalten sollten. Ob auch Verstärkungen in die Region beordert würden, wurde – wohl aus taktischen Gründen – nicht erwähnt.

Unklare Truppenzahl in Russland
Die ukrainischen Streitkräfte sollen in der Region Kursk nach russischen Schätzungen knapp 12.000 Mann stark sein. Unter ihnen seien auch ausländische Söldner, sagte der aus Tschetschenien stammende General Apty Alaudinow, Befehlshaber der in der Ukraine kämpfenden tschetschenischen Streitkräfte und ein Verbündeter von Russlands Präsident Wladimir Putin. Über die tatsächliche Truppenstärke gibt es jedoch stark voneinander abweichende Schätzungen.

200.000 Russen sind auf der Flucht. (Bild: AP)
200.000 Russen sind auf der Flucht.

„Man konnte überall polnische, englische und französische Stimmen hören“, behauptete Alaudinow in einem Fernsehinterview, aus dem die Staatsagentur Tass zitierte. Nach seinen Worten seien die meisten Söldner bereits „eliminiert“ worden. Weder seine Angaben noch die der ukrainischen Seite ließen sich unabhängig überprüfen.

Selenskyj will westliche Raketen
Nach einer Serie ukrainischer Drohnenangriffe gegen russische Militärflugplätze in der Nacht auf Mittwoch richtete Selenskyj einmal mehr einen Appell an die westlichen Partner. „Unsere ukrainischen Drohnen funktionieren genau so, wie sie sollen, aber es gibt Dinge, die man mit Drohnen allein leider nicht machen kann“, sagte er. „Wir brauchen eine weitere Waffe – Raketenwaffen.“

Quasi täglich fordert die Ukraine die westlichen Partner auf, die Erlaubnis zum Einsatz schwerer Langstreckenwaffen gegen militärische und logistische Ziele auf russischem Staatsgebiet zu geben. Die Regierungen Großbritanniens und der USA möchten dem bisher jedoch nicht zustimmen.

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