„Nicht wieder Leichen“
Israel fordert Freilassung von 33 lebenden Geiseln
Während der Gespräche in Doha über eine Waffenruhe im Gazastreifen fordert Israel, dass 33 lebende Geiseln aus der Gewalt der Hamas freigelassen werden.
Die Lage im Gazastreifen ist äußerst trist. Nach Angaben der dortigen Gesundheitsbehörde gibt es dort seit Beginn der israelischen Militäroffensive Anfang Oktober mittlerweile über 40.000 Tote zu beklagen. Allein in den vergangenen 24 Stunden seien 40 Menschen getötet und 107 verletzt worden.
Unterdessen wird an einer Beendigung des Blutvergießens gearbeitet. Israelische Vertreter hätten eine Namensliste als Bedingung für eine Einigung genannt, berichtete die israelische Zeitung „Jediot Achronot“ unter Berufung auf Beamte. Man wolle sich nämlich nicht in einer Situation wiederfinden, „in der die Hamas vor allem Leichen übergibt“.
Bei den 33 Geiseln soll es sich Medienberichten zufolge um humanitäre Fälle handeln, darunter Frauen und Kinder sowie ältere und kranke Menschen. Auch Soldatinnen seien darunter. Die Hamas hat nach israelischer Zählung noch 115 Geiseln in ihrer Gewalt, von denen Israel 41 für tot erklärt hat. Überdies dürften weitere Geiseln, deren Schicksal unbekannt ist, nicht mehr leben. Die „New York Times“ hatte vor gut drei Monaten berichtet, die islamistische Terrororganisation Hamas habe Unterhändler informiert, dass unter 33 Geiseln, die in einem ersten Schritt freigelassen werden könnten, auch Tote seien.
US-Präsident unterbreitete Vorschlag
Der US-Staatschef Joe Biden hatte im Mai einen Vorschlag zur Beendigung des Gazakriegs in drei Phasen vorgestellt. Er sieht zunächst eine vollständige und uneingeschränkte Waffenruhe von sechs Wochen vor. In diesem Zeitraum würde eine bestimmte Gruppe von Geiseln freigelassen. Im Gegenzug würden Palästinenser freikommen, die in Israel inhaftiert sind. Danach würden die Kämpfe dauerhaft eingestellt und die verbliebenen Geiseln freigelassen. In einer letzten Phase soll demnach der Wiederaufbau des Gazastreifens beginnen. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu wies Vorwürfe zurück, nach Vorstellung des Plans noch neue Bedingungen gestellt zu haben.
Philadelphi-Korridor sorgt für Zwist
Israels Generalstabschef erklärte vor den Gesprächen in Doha, dass die Armee die Grenze zwischen dem Gazastreifen und Ägypten auch ohne dauerhafte physische Präsenz weiter kontrollieren kann. Bei einem Besuch an dem sogenannten Philadelphi-Korridor sagte Herzi Halevi nach Angaben des israelischen Rundfunks, das Militär könne im Fall einer Entscheidung zu einem Abzug von der Grenzlinie dort auch immer wieder punktuelle Vorstöße unternehmen.
Der Philadelphi-Korridor ist ein 14 Kilometer langer, schmaler Streifen, der bei Rafah auf der Gaza-Seite entlang der Grenze zu Ägypten verläuft. Israel hatte die strategisch wichtige Zone bis zum Abzug aus dem Gazastreifen 2005 kontrolliert und dann während des Gazakrieges im Mai wieder erobert. Der Korridor ist wichtig mit Blick auf Israels Sorge vor einem militärischen Wiederaufbau der islamistischen Terrororganisation Hamas im Gazastreifen. Die Hamas fordert einen kompletten Abzug Israels. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu hatte dagegen gesagt, Israels Armee müsse den Philadelphi-Korridor auch nach einer Waffenruhe weiter kontrollieren. Israel geht davon aus, dass die Hamas dort von Ägypten aus Waffen in den Gazastreifen geschmuggelt hat. Ägypten dementiert dies.
Entscheidende Gespräche – Erwartungshaltung aber gering
Die islamistische Hamas wird nach eigener Darstellung über keine neuen Bedingungen für eine Waffenruhe oder die Freilassung von Geiseln verhandeln. Bei den neuen Gaza-Gesprächen in Katar dürfe es nur um die Umsetzung des von US-Präsident Joe Biden bereits vorgestellten Friedensplans gehen, nicht aber um dessen Details, erfuhr die dpa aus Kreisen der Gruppe. Man werde „kein Taktieren mehr hinnehmen“, das habe sie den Vermittlern auch klargemacht. Man werde sich von den Vermittlern über die Gespräche in Doha nur informieren lassen, wenn hier „ernste Absichten“ Israels zu erkennen seien.
Die wichtige Verhandlungsrunde in Katar über eine mögliche Waffenruhe im Gazakrieg sollte am Donnerstag beginnen. Je nach Verlauf der Verhandlungen sei es möglich, dass die Gespräche am Freitag fortgesetzt werden, hieß es von vertrauten Personen. Zu den Verhandlungen wurden wie bei vorigen Runden CIA-Chef William Burns, Katars Ministerpräsident Mohammed bin Abdulrahman Al Thani und Ägyptens Geheimdienstchef Abbas Kamel erwartet. Für Israel soll der Chef des Auslandsgeheimdienstes Mossad, David Barnea, teilnehmen. Weil Israel und die Hamas nicht direkt miteinander verhandeln, treten Katar, Ägypten und die USA als Vermittler auf.
Die Gespräche gelten als ein entscheidender Moment im Versuch, eine Waffenruhe und einen Austausch von Geiseln gegen Gefangene im Gazakrieg zu erwirken. Bei einem Durchbruch könnte auch ein großer Vergeltungsschlag des Irans und der Hisbollah im Libanon gegen Israel verhindert werden und damit eine Ausweitung des Kriegs. Die Erwartungen sind aber gering, weil die Verhandlungen seit Monaten auf der Stelle treten.
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