Nach Stunden der unerträglichen Hitze hatte der Wettergott spät am Abend ein erstes Einsehen und schickte ein paar heiß ersehnte Tropfen vom Himmel. Der Baller-Techno von Timmy Trumpet, der familientaugliche Cro und das Comeback des Wiener Kultrappers RAF Camora mit Falco-Touch zog die Massen vor die Space Stage im Green Park.
Irgendwann schwinden die Kräfte, da kann man noch so robust sein. Dritter Frequency-Tag bedeutet auch, dass man sich zum dritten Mal im Höllenfeuer wähnt und angesichts der nicht stoppenden Hitze unweigerlich überlegt, welche Sünden man denn begangen habe, dass man sich gleich so brutal niederbrennen lassen muss. Die Leidtragenden sind in erster Linie die Zuseher, aber auch die auftretenden Acts, die eine Zeit lang fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit auf der Bühne spielen. So etwa der famose Brite Peace Okezie aka Master Peace, der diesen Frühling mit seinem Debütalbum den Indie-Sound der 2000er-Jahre für die dahingehend noch unbedarfte Gen Z interpretiert hat und auch live eine flotte Sohle aufs Parkett legt – direkten Publikumskontakt inklusive. Für die einen Nostalgie, für die anderen Neuland. Für alle ein zukunftsträchtiger Auftritt.
Bekömmlich und langweilig
Überhaupt passen die jeweiligen Bühnen-Opener an diesem Tag besonders gut. Auf der Space Stage zeigt die bosnisch-stämmige Schweizerin Leila, wie man Indie-Pop mit Punk-Attitüde und Rotzgören-Ästhetik vermischt. Eine Schande, dass nur eine Handvoll Menschen diesen erfrischen Auftritt erlebt. Auf der indoor befindlichen Red Bull Stage sorgt das Salzburger Indie-Pop-Kollektiv Bon Jour für versöhnliche Klänge und beweist, dass bekömmlicher Indie-Sound mit internationalem Potenzial hierzulande möglich ist, wenn man sich bemüht. Szenenwechsel zu den Outdoor-Bühnen. Der deutsche Senkrechtstarter Ivo Martin (Flex-Wien-Show im September schon restlos ausverkauft) wirkt mit seinem glattgebügelten Format-Pop und Problemen beim Gitarrenstimmen etwas unbeholfen und – so ehrlich muss man sein – langweilig.
Seine Landsfrau, die Castingshow-erprobte Leony hat sich längst einen Namen gemacht und macht ihre Sache auf der Green Stage wesentlich besser. Ihr gegenüber erzählt die Hamburgerin Zoe Wees vom Aufwachsen ohne Vater und verrührt diese emotionalen und durchaus authentischen Geschichten in soulig angehauchte Deutschpop-Lieder. Eine schöne Vorstellung, nur auch hier hat – der Hitze sei Dank – noch kaum jemand zugehört. Fahrt nimmt der Tag erst mit dem belgischen DJ Lost Frequencies auf. Den auf der Hand liegenden Wortspielen kann er vorab im „Krone“-Interview durchaus etwas abgewinnen. „Ich und dieses Festival – das passt einfach. Ich freue mich sehr, wieder hier zu spielen“. Seine eher melancholischen Elektronik-Sounds leiten perfekt über in den Sonnenuntergang und werden von passgenauen Visuals begleitet. Bei so viel Melodie hat sogar der Himmel ein Einsehen und lässt ein paar Tropfen vom Himmel fallen. Endlich Abkühlung.
Karge Kulisse, mediokre Show
Derweil versucht der Australier Dean Lewis auf der Green Stage mit bedächtig-ruhigen und für so ein Festival eher fehlbesetzten Liedern zu beweisen, warum er Anfang März 2025 im Wiener Gasometer auftreten wird. Deutlich mehr Fanpotenzial versammelt der ehemalige One-Direction-Schnuckel Louis Tomlinson. Eigene Fußballdressen mit der Rückennummer 28 kunden von der Ehrerbietung seiner Jünger, doch die Kulisse an sich ist karg. Vor knapp einer Woche spielte er noch vor zigtausenden Fans beim ungarischen Sziget Festival, in St. Pölten dünnt sich die Schotterfläche relativ schnell aus. Seine Solo-Songs sind irgendwo zwischen melancholischem Pop, Brit-Pop und Robbie-Williams-Chic angesiedelt, allerdings fährt er gesanglich ein paar Mal daneben und kann auch keine besondere Atmosphäre entfachen. Das kennt man von seinen Wien-Soloshows auch anders. Das Frequency-Stelldichein war eher dürftig.
Auf Abriss gebürstet war dafür das Festivalurgestein Timmy Trumpet, der mit seiner Mischung aus ballernden Kirmestechno, Sample-Einflechtungen von 80er- und 90er-Jahre Songs und der trötenden Trompete einmal mehr zum Kuriosum des Tages mutiert. Die Fans lieben den muskelbepackten Hutträger, der fehlende Kreativität mit übertriebener Lautstärke wettmacht und strenggenommen nicht zwischen den Polen liebens- und verachtenswert pendeln kann, weil es hier nur entweder oder gibt. Ein Stammgast in hiesigen Gefilden ist auch der Stuttgarter Panda-Rapper Cro, der einst mit seinen kindgerechten frühen Hit-Songs und später via TikTok gleich zwei Karrieren zu verbuchen hat. Das Frequency-Set schmückt sich aus gemütlichen Melo-Pop-Songs, Familien-Rap und den früheren Kiffer-Liedern, was in der genannten Breite auch ein breites Publikum anlockt – so voll wie zu diesem Moment war das Hauptgelände jedenfalls das ganze Wochenende noch nicht. Die Symbiose zwischen Künstler und Fans lässt sich auch nicht von unpopuläreren Songs im Mittelteil zerstören.
Ein Klavier im Audi
An die Zuschauermenge von Cro kommt nicht einmal Headliner RAF Camora an, der nach seinem Hörsturz vor einigen Monaten sein erstes Konzert in diesem Jahr spielt und dafür ordentlich Krawall auffährt. Etwa einen rund 120.000 Euro teuren Audi Q8, der durchtrennt und im hinteren Bereich zu einem Klavier umfunktioniert ist. Die Latte nach dem viel umjubelten Auftritt beim Donauinselfest 2023 lag hoch, vielleicht ein bisschen zu hoch. Raphael Ragucci, so der bürgerliche Name von RAF, spielt ein Best-of seiner einzigartigen Erfolgskarriere ab und schöpft aus dem Vollen. Kleidungswechsel, Gaststimmen und virtuelle Skyline am Bühnenhintergrund inklusive. Das Highlight aus heimischer Sicht – erstmals hört man seinen Nummer-eins-Hit „Out Of The Dark“, für den er sich eines Samples aus dem legendären Falco-Song bedient und samt weißen Fahnen und opulentem Feuerwerk mitfilmen lässt.
Auf große Tour wolle er nach Hörsturz und Burn-Out nicht mehr gehen, habe er unlängst „Men’s Health“ in einem großen exklusiven Interview erzählt, außerdem wolle er die Staffel als Musiker langsam an die Jüngeren übergeben. Von Altersmilde oder spielerischer Unlust ist zumindest an diesem Abend nichts zu sehen, im Live-Segment bleibt er in seinem Metier an der Spitze - auch wenn der quantitative Zuspruch an dieser Stelle 2022 (damals mit Bonez MC) schon mal größer war. Einige Leute hat aber auch das Berliner Techno-Duo Brutalismus 3000 abgezogen, das die Fläche vor der Green Stage zu einem kompromisslosen Freiluft-Berghain verwandelt und noch einmal richtig in die Vollen geht. Hardcore, Gabber, Techno-Punk – Hauptsache schnell, laut und treibend. So geht Rausschmeißer. Heute geht das Frequency auch schon in sein Finale. Peter Fox, Yung Hurn, Money Boy oder Camo & Krooked werden zum Abschluss noch einmal für Stimmung sorgen.
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