Trotz aufrechter Koalition geht zwischen der ÖVP und der grünen Ministerin Leonore Gewessler nichts mehr. Seit ihrem Ja zum EU-Renaturierungsgesetz reitet die Volkspartei permanente Angriffe gegen die 46-Jährige. ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl bezeichnete sie nun sogar als „Staatsgefährderin“ und legte ihr den sofortigen Rücktritt nahe.
Gewessler hatte Mitte Juni gegen den Willen des Koalitionspartners ÖVP im Rat der EU-Staaten für die Renaturierungsverordnung gestimmt, die daraufhin mit knapper Mehrheit angenommen wurde.
WKStA prüft ÖVP-Anzeige gegen Gewessler
Die Volkspartei brachte in weiterer Folge eine Anzeige wegen Amtsmissbrauchs gegen die grüne Ministerin ein, weil diese kein Einvernehmen mit den Bundesländern und dem ÖVP-geführten Landwirtschaftsministerium hergestellt hatte. Die Anzeige wird von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) geprüft. Einen Misstrauensantrag der FPÖ gegen Gewessler hatte die ÖVP im Juli nicht unterstützt.
„Gewessler bricht den Förderalismus“
Gewessler breche den Föderalismus und verweigere die Anerkennung der einheitlichen Stellungnahme der Bundesländer – „wissend, dass diese nur durch eine neue einheitliche Stellungnahme aufgehoben hätte werden können“, meinte Gerstl, der der Ministerin vorwarf, die Verantwortung an Wien abzuschieben.
Die Ministerin würde gut daran tun, sofort zurückzutreten, bevor sie vom Wähler abgewählt wird.
ÖVP-Verfassungssprecher Gerstl attackiert die grüne Ministerin Gewessler scharf.
Gewessler: „Keine Pflicht zur Herstellung des Einvernehmens“
Dass sie sich entgegen einer ablehnenden Länderstellungnahme für die Renaturierungsverordnung ausgesprochen hat, begründet Gewessler in der Anfragebeantwortung nämlich mit dem Ausscheren Wiens. Die Hauptstadt hatte die Renaturierung nach einem Kurswechsel unterstützt. „Wenn es keine einheitliche Position der Länder mehr gibt, liegt auch keine einheitliche Stellungnahme der Länder mehr vor“, heißt es. Es bestehe zudem „hinsichtlich des finalen Abstimmungsverhaltens im EU-Rat keine Pflicht zur Herstellung des Einvernehmens“ mit dem Landwirtschaftsministerium.
„Ministerin hat Rechtsbruch begangen“
„Die Ministerin hat verantwortungslos gehandelt und Rechtsbruch begangen. Sie würde gut daran tun, sofort zurückzutreten, bevor sie vom Wähler abgewählt wird“, so Gerstls Fazit.
Die ÖVP verweist auf die Rechtsmeinung des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramtes. Dieser habe die Rechtsfrage allerdings „unzutreffend gelöst“, geht aus Gewesslers Anfragebeantwortung hervor. Eine Bindungswirkung der Rechtsmeinung des Verfassungsdienstes sei zudem nicht vorgesehen.
Grüne Justizsprecherin verteidigt Gewessler
„Eine Klimaschutzministerin, die für die Natur stimmt, macht ihren Job und sonst nichts“, verteidigte die grüne Justizsprecherin Agnes Prammer das Vorgehen Gewesslers. Dass diese „Staatsgefährderin“ genannt werde, hält sie für fahrlässig: „Hier werden echte Gefährder massiv verharmlost.“
Die ÖVP habe sich daran gewöhnt, „die Interessen einiger Lobbygruppen zu bedienen. Deshalb ist es für sie nicht nachvollziehbar, dass man sich bei unterschiedlichen Rechtsansichten nicht an diejenige klammert, die möglichst wenig am Status quo ändert, sondern mutig die Entscheidung für den Schutz von Natur und Menschen trifft“, schoss sie gegen den Koalitionspartner.
FPÖ schießt scharf gegen ÖVP
Die ÖVP versuche nur vorzutäuschen, dass sie etwas gegen Gewessler unternehmen würde, meinte indes FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz. Die ÖVP hätte Gewessler schließlich „längst“ aus dem Amt entfernen können. „Doch weder hat Nehammer beim Bundespräsident Van der Bellen um Gewesslers Entlassung ersucht, noch hat die ÖVP unserem Misstrauensantrag gegen sie zugestimmt.“ Stattdessen mache die Volkspartei „schlechte Tauschgeschäfte zu Lasten der Bürger“, verwies Schnedlitz auf die jüngsten Postenbesetzungen der Regierung.
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