Heike Eder:

„Pessimismus bringt einen nicht weiter“

Vorarlberg
18.08.2024 12:25

Bundesrätin Heike Eder, einst erfolgreiche Behindertensportlerin, kandidiert als ÖVP-Spitzenkandidatin im „Wahlkreis Süd“ für den Nationalrat. Vorgezeichnet war der Weg der Batschunserin nicht.

„Krone“: Frau Eder, es gibt Menschen, die schon als kleines Kind Kanzler oder Bürgermeister werden wollten. Ihr großer Traum dürfte eher eine Goldmedaille bei den Olympischen Spielen gewesen sein, oder?
Heike Eder: Ich war immer schon politisch interessiert, aber es war nie mein Wunsch, ein Mandat zu übernehmen und ich habe mir in der Tat auch keine Gedanken darüber gemacht. In die Politik gekommen bin ich vor ein paar Jahren durch den damaligen Arbeiterkammerdirektor Rainer Keckeis. Als ich Personalchefin bei der AK war, hat er mich gefragt, ob ich nicht Ersatz-Bundesrätin werden will.

Und Sie haben sofort ja gesagt?
Ich habe mir das gut überlegt. Mir war klar, dass ich Farbe bekennen und zu einer Partei gehen muss. Und es war auch klar, dass dies die ÖVP ist. Das war zwar immer die Partei, mit der ich mich am meisten identifiziert habe. Aber es war schon eine Hürde für mich, weil ich denke, dass andere Parteien ebenfalls gute Ideen haben und man ihnen Erfolge gönnen sollte. Gleichzeitig war es eine Chance, in die Politik hineinzuschnuppern.

Was hat Sie letztlich dazu bewogen, den Schritt in die Politik zu wagen?
Ein Punkt ist, dass es mich immer gestört hat, dass überwiegend ältere, grauhaarige Männer im Parlament vertreten waren. Politische Gremien sollten die Gesellschaft widerspiegeln. Diesen sollten Frauen und Männer in unterschiedlichen Lebensstadien genauso angehören wie Menschen mit und ohne Behinderung, mit und ohne Migrationshintergrund…

Heike Eder

Im Alter von 18 Jahren – am 28. November 2006 – verunglückte die damalige Schülerin des Skigymnasiums in Stams bei einem Trainingsunfall. Nachdem sie beim Slalomtraining in einem Tor hängen geblieben war, stürzte sie in einen nicht gesicherten Schacht am Rand der Kunstschneepiste. Dabei zog sie sich lebensgefährliche innere Verletzungen, einen komplizierten Oberschenkelbruch sowie mehrere Wirbelfrakturen zu. Mit dem Hubschrauber wurde sie ins Spital nach Murnau (Bayern) gebracht und notoperiert.  

Und der zweite Punkt?
Ich habe das Gefühl, ein privilegiertes Leben führen zu dürfen. Obwohl ich einen schweren Schicksalsschlag hinter mir habe. Ich weiß, dass es nicht nur Höhen gibt, sondern auch Tiefen und Rückschläge. Ich habe viele gute Dinge erlebt, viel Solidarität auch von fremden Menschen erfahren. Bei meinem Unfall hat die Erste-Hilfe-Kette perfekt funktioniert, sonst würde ich vermutlich nicht mehr leben. Auf der anschließenden Reha habe ich meinen Mann kennengelernt. Ich hatte viel Glück im Leben und ich möchte der Gesellschaft etwas zurückgeben.

Sie haben die Diagnose Querschnittlähmung erhalten und sprechen von viel Glück im Leben?
Ja, die Prognose war nicht gut. Mir wurde gesagt, dass ich nicht mehr laufen kann, immer im Rollstuhl sitzen werde, auf einen Katheter angewiesen sein werde, keine eigene Familie haben werde und um jeden Job froh sein muss, den ich bekomme. Aber nichts davon ist eingetroffen. Ich kann sogar wieder laufen – okay, nicht besonders gut -, aber ich kann laufen. Ich habe zwei kleine Kinder, einen Mann, wir haben ein Haus gebaut. Und ich hatte immer Jobs, die mir Spaß gemacht haben.

Sie haben nie mit Ihrem Schicksal gehadert?
Natürlich war die erste Zeit nicht einfach. Ich hatte jeden Tag Sport gemacht, plötzlich wird das Leben von 100 auf 0 abgebremst. Ich war ständig auf Hilfe angewiesen und habe mich gefragt, warum es ausgerechnet mich getroffen hat und nicht irgendeine Couch-Potato, die sich nicht so gerne bewegt. Aber ich habe schnell gemerkt, dass mich das nicht vorwärtsbringt.

Eine Optimistin: Heike Eder (Bild: Mathis Fotografie)
Eine Optimistin: Heike Eder

Was hat Sie vorwärtsgebracht?
Für mich war immer klar, dass es wieder besser wird. Ich habe jeden Tag trainiert, mir vorgestellt, dass ich den Fuß bewegen kann – und zwar so lange, bis ich Schweißperlen auf der Stirn hatte. Das war harte Arbeit, doch wenn ich nichts getan hätte, wäre ich heute nicht da, wo ich bin. Es war eine Kombination aus Anstrengung und Glück, dass sich gewisse Nerven gefunden haben. Es war ein langer Prozess. Während der Studienzeit – ich habe Wirtschaftswissenschaft studiert – saß ich im Rollstuhl. Zur Prüfung bin ich dann erstmals mit Krücken gegangen.

Welchen Sport machen Sie heute?
Wenn die Kinder schlafen, nutze ich den Hometrainer. Ansonsten setze ich sie in den Kiki, in dem sie aber nicht lange bleiben, und radle schnell irgendwo den Berg hinauf. Im Winter fahre ich Mono-Ski und habe auch eine Medaille bei den Paralympics geholt. Langlaufen mache ich im Sitzen. Das ist extrem anstrengend, weil ich ja meinen Alltag nicht mit dem Rollstuhl bestreite.

Sind Sie traurig, wenn Sie ehemalige Teamkolleginnen beim Skirennen sehen?
Nein, ich bin mit meinem Schicksal im Reinen und freue mich über die Erfolge der Kolleginnen und Kollegen. Aber andere Dinge wie beispielsweise das Wandern gehen mir ab. Es fehlt mir, auf einen Berg zu steigen und ins Tal hinunterzusehen. Mit der Gondel Richtung Gipfel zu fahren, ist nicht dasselbe. Ich mag die Challenge und möchte das genießen, was ich geleistet habe.

Was fehlt Ihnen noch?
Manchmal würde ich meinen Kindern gerne etwas zeigen – beim Klettern oder beim Skifahren. Dem Größeren hat der Opa das Skifahren beigebracht, weil er ihn zwischen die Füße nehmen kann. Ich bin zwar mit dem Mono-Ski dabei, aber kann ihm nicht viel helfen. Unterm Strich denke ich aber nicht oft über solche Dinge nach und hadere nicht mit meinem Schicksal. Das liegt vielleicht auch daran, dass der Unfall so früh passiert ist.

Freuen Sie sich auf den Wahlkampf?
Ich habe wenig Erfahrung, da ich bei der Landtagswahl 2019 relativ weit hinten gereiht und hochschwanger war. Jetzt versuche ich, mich gut vorzubereiten. Ich habe ei n paar Dinge geplant, unter anderem ein Familienfest. Zudem mache ich Motivationsvorträge im Wahlkreis. Ich erzähle meine Lebensgeschichte und spreche über Themen, die mir wichtig sind. Mein Mann nimmt die letzten zwei Wochen Urlaub, um auf unseren Buben Timo und Livio zu schauen. Oma und Opa sind auch immer engagiert und haben mich schon während der Bundesratszeit sehr unterstützt.

Wie gut lassen sich Kinder und Politik unter einen Hut bringen?
Bisher ganz gut. Ich bin die erste Frau in der Bundesratsgeschichte, die während der Legislaturperiode zwei Kinder auf die Welt gebracht hat. Und ich bin sicher auch die, die am weitesten entfernt von Wien wohnt. Die Angelobung war genau am Tag des errechneten Geburtstermins, aber Timo ist glücklicherweise fünf Tage zu spät auf die Welt gekommen.

Wie beschwerlich sind die Reisen nach Wien?
Schienenersatzverkehr ist für mich der ultimative Horror. Da geht es darum, schnell aus dem Zug in den Bus zu kommen. Wer zu langsam ist, fährt nicht mit. Ich zähle immer zu den Langsamsten und muss dann zwei Stunden auf den nächsten Bus warten. Das Umsteigen mit Krücken und Koffer ist auch nicht einfach. Glücklicherweise habe ich liebe Kolleginnen wie Christine Schwarz-Fuchs, die mir helfen.

Fliegen dürfte unkomplizierter sein, oder?
In Altenrhein funktioniert alles perfekt. In Wien habe ich meistens den „Wheelchair-Assistent“ gebucht. Wenn der nicht kommt, ist es allerdings blöd, denn die Wege sind weit. Aber irgendwie geht immer alles und es gibt immer Menschen, die einem helfen.

Was möchten Sie im Nationalrat umsetzen?
Ich glaube, dass sich die nächste Regierung die Ausgaben und Förderungen gut ansehen muss, um einen ausgeglichenen Staatshaushalt hinzubekommen. Das ist mir als Vertreterin der jüngeren Generation wichtig. Ich möchte, dass meine Generation sowie meine Kinder und Kindeskinder später einmal eine angemessene Pension bekommen. Zudem möchte ich mich beim Thema Familie einbringen und mich für Menschen mit Behinderung einsetzen.

Warum sind Ihnen Optimismus und Zuversicht in der Politik wichtig?
Es gibt eine große Verdrossenheit und es wird vieles schlecht geredet. Natürlich wurden da oder dort Fehler gemacht. Mir ist es wichtig, die Stimme der Zuversicht zu sein, das hat mich meine Lebenserfahrung gelehrt. Pessimismus bringt einen weder im Privaten noch im Beruf weiter. Es läuft im Grund nach dem Modell der „self-fulfilling prophecy“: Wenn man den Menschen sagt, dass alles schlecht ist, werden sie pessimistisch und konsumieren weniger. Dann geht die Produktion zurück, Arbeitsplätze werden gestrichen. Und das alles nur, weil der Faktor Zuversicht verloren gegangen ist.

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