Verlassene Kinder

Moldawien: “Krone” unterwegs im Armenhaus Europas

Ausland
31.01.2013 17:10
Mit Platz 111 im Human Development Index ist Moldawien - seit 1991 zweigeteilt - das ärmste Land Europas. Jeder vierte arbeitsfähige Mensch hat bereits das Land verlassen, meist illegal. Die Lebenserwartung beträgt 65 Jahre (im Vergleich dazu Österreich: 75,5 Jahre). Ein "Krone"-Lokalaugenschein im Armenhaus Europas.

Schritt für Schritt steigt Edna die 34 grauen Betonstufen hinauf in die baufällige Baracke ohne Fenster - nur in einem Rahmen befindet sich noch ein Rest zersplittertes Glas. Ein streunender Hund folgt ihr ins Stiegenhaus und verrichtet sein Geschäft an der mit Schimmelpilzen übersäten Wand. Mit ihren knochigen Ärmchen schiebt die Zehnjährige einen Bretterverschlag zur Seite. Dahinter kommt ein 15 Quadratmeter großer Raum zum Vorschein - Ednas Zuhause.

Hier lebt das Mädchen zusammengepfercht mit seiner Großmutter, den drei kleineren Geschwistern, zwei Katzen und einem Hamster. Die Kloschüssel steht neben der Küchenzeile und das verschlissene Sofa dient als Bett für die ganze Familie. Ednas Mama ist seit Monaten fort. Weggebracht. Von Schleppern. Mit großer Wahrscheinlichkeit hält sich die 27-Jährige in Österreich auf. Illegal. Als eine der Hunderten moldawischen Putzfrauen, die hierzulande die Böden, Toiletten, Wäsche, Badwzimmer reinigen.

Es gibt keine Statistik, die genaue Zahlen belegen könnte. Nur Schätzungen jener Experten, die ihr Augenmerk auf das dramatische Schicksal von Moldawiens verlassenen Kindern gelenkt haben. Wie Caritas-Direktor Franz Küberl, der schon seit Jahren auf die dramatischen Entwicklungen im sogenannten Armenhaus Europas aufmerksam macht. 

Caritas-Chef: "In den Fängen der Menschenhändler"
"Die soziale Situation in der Republik Moldau ist von großer Armut gekennzeichnet. Tagtäglich begeben sich immer mehr Frauen in die Fänge von Menschenhändlern. Mit einem Billig-Job im Ausland sichern sie dann die Existenz ihrer Angehörigen", so Küberl. Finanzflüsse wie diese sollen indes mindestens 30 Prozent des moldawischen Staatsetats betragen.

Auch die Mutter von Vlada schickt regelmäßig Geld nach Hause. Ohne diese Unterstützung würde das Budget (135 Euro für sechs Personen, Preise für Wohnen und Essen sind mit österreichischen Verhältnissen vergleichbar) nicht einmal für eine warme Mahlzeit pro Woche reichen. In den Tageszentren der Caritas der Erzdiözese Wien in Moldawien oder aber in Transnistrien - ein nicht anerkannter Staat innerhalb der Republik - werden Dutzende Sozialwaisen betreut, die wie Edna ohne Mutter in dem bitterarmen Land zurückgeblieben sind. 

Mädchen "muss jede Nacht weinen"
Wie etwa Gabi (12), die seit neun Jahren bei ihrer Oma in der Hauptstadt Chisinau lebt und mit ihrer Mama nur einmal pro Woche telefoniert. Auch ihre gleichaltrige Mitschülerin Vlada muss damit zurechtkommen. Sie sagt: "Ich weiß ja, dass Mama weg ist, damit es mir besser geht. Aber ich vermisse sie so, dass ich jede Nacht weinen muss."

Damit nicht auch sie in die Falle der Perspektivenlosigkeit geraten, eignen sich die Kinder im Sozialen Ausbildungszentrum für Mädchen - ebenfalls ein Projekt der Caritas - Computerkenntnisse und Co an, um später auf einen der dünn gesäten Jobs eine Chance zu haben. Auch Natalie (36) schickt ihre Sprösslinge in die Einrichtung. Sie brachte es bisher nicht übers Herz, ihrer Heimat den Rücken zu kehren, um ihr Glück in der Ferne zu suchen - obwohl sie den schlimmsten Bedingungen ausgeliefert ist. Natalie beim "Krone"-Lokalaugenschein: "Ich schlage mich als Aushilfs-Straßenkehrerin durch. Ich bin dort Freiwild für die Männer, wurde vergewaltigt, geschlagen. Nur die Liebe zu meinen Kleinen lässt mich durchhalten."

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