Jurist überzeugt:

Unternehmen profitieren von Regeln für KI

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19.08.2024 13:53

Mit dem AI Act hat die EU das weltweit erste umfassende Regelwerk zum Umgang mit KI vorgelegt. Während es in Teilen der Wirtschaft die Sorge gibt, die Konkurrenzfähigkeit gegenüber anderen Ländern zu verlieren, glaubt Tech-Experte Lutz Riede, dass Unternehmen langfristig von den europäischen Spielregeln für KI profitieren werden.

„Weltweit besteht zumindest weitgehend Konsens, dass Künstliche Intelligenz reguliert werden soll – das Wie ist eine hochumstrittene Frage“, so Riede. Einigkeit besteht vor allem in der Frage der Transparenz: Für die Nutzer muss erkennbar sein, wenn sie es mit Künstlicher Intelligenz zu tun haben. „Transparenz ist ein klarer Trend in dem Bereich, das teilt die KI-Verordnung auch mit den Regulierungsansätzen in den USA und anderen Jurisdiktionen“.

Kritik aus Teilen der Wirtschaft, dass eine Überregulierung drohe und die neuen EU-Regeln das Angebot oder die Nutzung von KI-Anwendungen erheblich erschweren würden, relativierte der Jurist, denn: „Die KI-Verordnung reguliert sehr viel nicht“.

„Langfristig innovationsfördernd“
Der AI Act („Artificial Intelligence Act“) verfolgt einen risikobasierten Ansatz, sprich, je gefährlicher der Anwendungsbereich, desto strenger die Regeln. Die strengsten Auflagen gelten nur für sogenannte Hochrisikosysteme, darunter fallen zum Beispiel KI-Systeme zur Beurteilung der Kreditwürdigkeit. Weniger riskante KI-Anwendungen wie etwa Chatbots müssen vor allem Transparenzregeln erfüllen. Die große Mehrheit der KI-Systeme dürfte in die niedrigste Risikokategorie fallen und keinen neuen Regeln unterliegen, geht aus einer Folgenabschätzung der EU-Kommission hervor. In diese Kategorie fallen zum Beispiel Videospiele oder Spam-Filter.

„Dieser eingeschränkte Anwendungsbereich hat an sich schon etwas Innovationsförderndes“, sagt Riede, der bei der Wirtschaftskanzlei Freshfields tätig ist. Positiv bewertet der Experte, dass es mit dem AI Act nun eine innerhalb der EU einheitlich und unmittelbar geltende Regelung gibt. Das sei gerade für international tätige Unternehmen wertvoll, da so ein Flickenteppich unterschiedlicher Regelungen vermieden und die gleichen Spielvoraussetzungen („level playing field“) geschaffen würden, was „langfristig innovationsfördernd“ sei.

Zähes Ringen um Kompromisse
„Insgesamt gibt es aber noch viele Kritikpunkte, viel Kritik auch zurecht“, sagt Riede. So gebe es offene Schnittstellen zu anderen Gesetzen, beispielsweise der DSGVO, die in der Rechtsanwendung den Unternehmen überlassen bleiben und so wieder zu Rechtsunsicherheit führen könnten. Im Vorfeld habe es lange Verhandlungen gegeben, der endgültige Gesetzestext von mehreren hundert Seiten sei das Ergebnis von Kompromissen und zähem Ringen.

Für Verbraucher werde es Beschwerdemöglichkeiten bei den zuständigen Behörden geben, „die unter öffentlichem Druck stehen werden, effizient zu regulieren“, so Riede. Das Verbraucherschutzrecht und die von Konsumentenschutzorganisationen durchgesetzten Ansprüche werden auch im Zusammenhang mit KI eine große Rolle spielen, glaubt der Experte. „Ich gehe davon aus, dass sich der VKI und die Arbeiterkammer sehr genau anschauen werden, was in den Nutzungsbedingungen der KI-Anbieter steht.“

Haftungsfragen sind im AI Act ausgeklammert, dazu wird derzeit eine Richtlinie diskutiert, die mit Beweiserleichterungen und Vermutungsregeln die Durchsetzung von Ansprüchen für Nutzer von KI-Systemen erleichtern soll.

Ab Februar 2025 für Unternehmen verpflichtend
Die EU-Verordnung zur Regulierung von Künstlicher Intelligenz ist mit 1. August 2024 in Kraft getreten, ab Februar 2025 werden die ersten Regeln für Unternehmen verpflichtend. Für KI-Systeme mit allgemeinem Verwendungszweck (wie z.B. ChatGPT) gelten gesonderte Regeln mit zusätzlichen Dokumentations- und Nachweispflichten, die ab August 2025 gelten sollen. Der Großteil der neuen Bestimmungen wird ab August 2026 schlagend. Bei Verstößen müssen Unternehmen mit Strafen von bis zu 35 Millionen Euro oder sieben Prozent ihres weltweiten Gewinns rechnen.

Gerichte am Zug
Einige Gerichte sind bereits mit Rechtsfragen im Zusammenhang mit Künstlicher Intelligenz beschäftigt. Allerdings seien die meisten Verfahren dazu derzeit noch in den USA oder Großbritannien anhängig, in der EU hätten sich die Gerichte bisher nur fallweise damit befasst, so Riede. Ein heiß diskutiertes Feld ist dabei das sogenannte Scraping von Daten zu Trainingszwecken. Dabei geht es etwa um die Frage, ob KI-Systeme mit urheberrechtlich geschützten Inhalten ohne Zustimmung der Rechteinhaber lernen dürfen. Wie die Lösungen dafür aussehen werden, das werden auch „die Gerichte mitentscheiden“.

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