"Die Stücke wurden als Amulette um den Hals getragen", sagte Archäologe Arnold Muhl. Zusammen mit seinem Kollegen Mirko Gutjahr hat der Wissenschaftler in monatelanger Kleinarbeit die Texte von acht Beschwörungstäfelchen im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle entziffert.
Täfelchen in Altbeständen entdeckt
Gefunden haben die Forscher die Täfelchen bei der Aufarbeitung von Altbeständen des Landesmuseums für Vorgeschichte in Halle. Sie stammen aus dem 11. und 12. Jahrhundert und wurden zwischen 1928 und 2010 in Kinder- und Frauengräbern entdeckt. Vermutlich wurden die Amulette den Toten mit ins Grab gelegt, damit sie auch im Jenseits vor Dämonen geschützt sind.
"Es sind Einblicke in die mystischen Vorstellungen einer Zeit, in der schreibkundige Menschen selten waren", so Muhl. Die kleinen Täfelchen waren dreifach gefaltet und an den offenen Schmalseiten mit deutlich sichtbaren Kerben zum Teil noch miteinander verzahnt, damit - so der Achäologe - niemand den Text lesen konnte.
Der Hintergund: Die Menschen glaubten damals, dass Dämonen die magischen Worte selbst durch das mehrfach gefaltete Blei hindurch lesen könnten. Die Träger der Amulette sollten die Botschaften aber nicht lesen, weil - so glaubte man - diese sonst nicht wirken würden.
Inschriften in lateinischer Sprache
Die in lateinischer Sprache verfassten Inschriften bestehen im Wesentlichen aus den ersten drei Sätzen des Johannes-Evangeliums. Die wahllose Groß- und Kleinschreibung der Buchstaben sowie Schreibfehler deuten darauf hin, dass die Hersteller der Amulette keine professionellen orthographischen Kenntnisse des Lateinischen besaßen und sich beim Abfassen oder Übertragen des Textes schwer taten.
Auf den Bleiplättchen, von denen manche sogar datiert waren, konnten aber auch Kreuze als Symbole sowie kreisförmige Christogramm-Symbole entziffert werden. In den gebetartigen Formulierungen werden aber auch Elfen aus der germanischen Mythologie als Dämonenabwehr angerufen.
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