Seit der Einführung von Elektroautos hat sich der Antriebsstrang massiv gewandelt, doch der Innenraum ähnelt im Wesentlichen weitgehend dem von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor. Docj das kann sich grundlegend ändern, wie der Automobilzulieferer Yanfeng zeigt.
Das chinesische Unternehmen hat sich intensiv Gedanken zu dem Thema gemacht und das sogenannte EVI-Konzept (Electric Vehicle Interior) entwickelt, das in Zukunft nicht nur die Funktionalität verbessern, sondern auch das Design des Innenraums revolutionieren soll.
Wir sind im europäischen Forschungs- und Entwicklungszentrum von Yanfeng. Hier in Neuss darf nicht jeder rein. Publikumsverkehr ist nicht erwünscht, schließlich arbeitet der chinesische Automobilzulieferer an Zukunftsprojekten und die sind streng geheim.
In den heiligen Hallen steht das neue EVI-Konzept. Dabei handelt es sich jedoch nicht um ein fertig konstruiertes Fahrzeug, sondern nur um die vordere Sitzreihe. Das Interieur-Konzept ist ein Versuchsmodell im Maßstab 1:1, das einen voll funktionsfähigen Fahrzeuginnenraum darstellt. Die Entwicklungsingenieure nutzen ein solches Konzept, um die Gestaltung des Fahrzeuginnenraums zu optimieren.
Also öffnen wir die Türen und nehmen Platz. Schon der erste Eindruck ist überwältigend: Nichts ist mehr wie früher, im EVI-Konzept gibt es kein herkömmliches Armaturenbrett mehr. Stattdessen befindet sich unterhalb der Windschutzscheibe ein riesiger Bildschirm und zwischen Fahrer und Beifahrer ein weiterer kleiner zentraler Monitor. Darunter befindet sich nur noch ein kleines Bedienfeld.
Ein völlig neues Innenraumerlebnis
Alles wirkt sehr minimalistisch. Selbst auf ein Lenkrad verzichtet Yanfeng. Doch das ist ein Trugschluss. Schließlich wurde das EVI-Konzept für das autonome Fahren mit einem Elektroauto nach Level 4 entwickelt. Ein Lenkrad ist nach wie vor vorhanden, nur in anderer Form, versichert Dirk Blomeyer. Blomeyer ist für die Geschäftsentwicklung von Innovationen bei Yanfeng-Europa verantwortlich. Er erklärt mir das EVI-Konzept bis ins kleinste Detail.
„Möglich macht das die Stear-by-wire-Technik“, sagt Blomeyer und zieht den kleinen Monitor, der an einer bogenförmigen Halterung befestigt ist, zu sich heran. Gleichzeitig surrt die Pedalerie leise aus dem Fußraum vor, während sich der Fahrersitz und die Pedale automatisch auf die Größe des Chauffeurs einstellen. Wir staunen, denn bisher war der Bildschirm in die kleine Mittelkonsole eingelassen. Das Display verwandelt sich jetzt zu einem Bedienfeld, über das sich alle Fahrfunktionen steuern lassen.
Vorher erinnerte der Innenraum an eine lässige Chill-Out-Zone, die über den riesigen Bildschirm zum entspannten Videoabend einlud oder als rollendes Büro zum Abrufen von E-Mails diente. Jetzt hat er sich in das EVI-Konzept einer rollenden Kommandozentrale verwandelt.
Die avantgardistische Studie erinnert nur noch entfernt an das, was es bisher im Automobilbau gab. Alles ist auf das Wesentliche reduziert und durch den Verzicht auf ein herkömmliches Cockpit herrschen im großzügig gestalteten Innenraum fürstliche Platzverhältnisse. Das EVI-Konzept könnte das Interieur von Elektrofahrzeugen grundlegend verändern. Auf klassische Schalter wird verzichtet, da alle Funktionen in einem innovativen „Smart Cabin“-Sitzsystem integriert sind. Dennoch ist die Konzeptstudie vollgepackt mit allen erdenklichen technischen Features, die sich zudem intuitiv bedienen lassen.
Überhaupt ist die außergewöhnliche Sitzkonsole das Highlight. Fahrer und Beifahrer finden hier bequem Platz. Trotzdem baut das System extrem kompakt und fasst alles Wesentliche in einem Modul zusammen. Dazu gehören beispielsweise eine aktive Kopfstütze mit integrierten Audiofunktionen, Airbag- und Gurtsysteme, die Klimatisierung sowie in den Sitz integrierte Ablage- und Ladefunktionen. Auch nachhaltige Materialien und Polsterungen gehören dazu.
Effizienz und Nachhaltigkeit im Fokus
Da alle wichtigen Bedienelemente und Schnittstellen des Fahrzeugs in den „Smart Cabin“-Sitz integriert sind, ist der Einbau in das Fahrzeug einfacher, schneller und kostengünstiger als bei der herkömmlichen Montage. „Das vereinfacht den Montageprozess für die Fahrzeughersteller“, sagt Blomeyer. „Außerdem wiegt unser Sitzsystem zwischen elf und zwölf Kilogramm weniger als herkömmliche Sitze“, fügt er ergänzend hinzu.
Die einfache Montage des neuartigen Sitzes ist auch für eine End-of-Life-Vehicle (ELV)-Strategie von Vorteil, da die Demontage ebenso einfach ist. Dies wirkt sich positiv auf die Nachhaltigkeit aus. Und da das EVI-Konzept auf ein konventionelles Armaturenbrett verzichtet, reduzieren sich das Gesamtgewicht und der CO2-Ausstoß geringfügig, was die Effizienz und Reichweite eines Elektrofahrzeugs leicht erhöhen dürfte. Namhafte Automobilhersteller sollen bereits ihr Interesse an dem Konzept bekundet haben. Wer das sein könnte, verrät Yanfeng allerdings nicht. Das sei noch zu früh und bleibe ein Geheimnis. (cen)
Kommentare
Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.
User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.