Die Tiroler Wirtschaftskammer schlägt Alarm: Bei Ausschreibungen hätten die heimischen Unternehmen immer öfter das Nachsehen. Sie richtet einen Appell an die Politik, das zu ändern. Vizepräsident Martin Wetscher spricht indes der Bevölkerung ins Gewissen.
„Nur wenn es Tirols Unternehmen gut geht, geht es auch den Tirolerinnen und Tirolern gut.“ – Dieser Satz findet sich in der Beschreibung der Kampagne „Ja zu Tirol“, die von der Wirtschaftskammer ins Leben gerufen wurde. Auslöser waren damals die Lockdowns während der Corona-Pandemie. Das Ziel: Die Kunden nicht noch mehr an Internetgiganten zu verlieren.
Rund vier Jahre später merken die heimischen Unternehmer nicht mehr viel von „Ja zu Tirol“.
Das Billigstbieterprinzip führt dazu, dass regionale Handwerksbetriebe, die für Qualität bekannt sind, das Nachsehen haben.
Veronika Opbacher-Egger
„Es krankt in der Auftragsvergabe“
Das betrifft nicht nur den stationären Handel, sondern auch andere Branchen. Am Donnerstag traten Dietmar Hernegger, Obmann der Sparte Information und Consulting, Veronika Opbacher-Egger, stellvertretende Obfrau der Sparte Gewerbe und Handwerk, sowie WK-Vizepräsident Martin Wetscher vor die Medien, um Alarm zu schlagen. Laut Hernegger „krankt es in der Auftragsvergabe. Ausschreibungen von diversen Ämtern werden immer weniger an Tiroler Betriebe vergeben“.
Das große Problem dabei: „Es hapert bei der Kommunikation. Viele wissen gar nicht, dass die diversen Aufträge auch von unseren Unternehmen ausgeführt werden können.“
Landesdruckerei im Visier
Der Appell an die Politik: „Zuerst bei der Wirtschaftskammer nachfragen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kennen das Leistungsspektrum der Mitglieder.“ Der Spartenobmann, der die Geschicke der Hernegger Offsetdruck GmbH führt, richtet auch eine scharfe Kritik in Richtung Landhaus, vor allem wegen der Landesdruckerei: „Es ist entscheidend, dass Druckaufträge möglichst an lokale Unternehmen vergeben werden. Diese sichern Arbeitsplätze, zahlen Steuern und bilden Lehrlinge aus. Eine Konkurrenzierung durch das Land Tirol widerspricht diesem Ziel.“
Er fordert generell eine stärkere Unterstützung der lokalen Wirtschaft.
Wer ein funktionierendes regionalwirtschaftliches Leben haben will, muss auch ein Gespür für die Betriebe vor Ort haben.
Martin Wetscher
Bestbieterprinzip ist auf der Wunschliste weit oben
Indes nimmt Opbacher-Egger das Bieterprinzip ins Visier. Das Gewerbe und Handwerk sehe sich immer öfter mit dem Problem konfrontiert, dass öffentliche Aufträge nach dem Billigstbieterprinzip vergeben werden. Das führe nicht nur zu schlechterer Qualität, Verzögerungen und höheren Gesamtkosten, sondern auch dazu, dass „regionale Handwerksbetriebe, die für ihre Qualität und Zuverlässigkeit bekannt sind, benachteiligt werden“.
Sie fordert das Bestbieterprinzip. „Das würde zur Weiterentwicklung der gesamten Branche beitragen. Lokale Bau- und Handwerksbetriebe tragen wesentlich zur wirtschaftlichen Stabilität Tirols bei. Das Bestbieterprinzip stellt sicher, dass Betriebe bei der Vergabe öffentlicher Aufträge bevorzugt werden, was Arbeitsplätze sichert und die regionale Wirtschaft stärkt.“
Flut von Billigartikeln schadet Tiroler Handel
Doch nicht nur an die Politik geht ein Appell. Wetscher spricht der Bevölkerung ins Gewissen. „Wir beobachten, dass Billiganbieter wie Temu und Shein auf dem Vormarsch sind. Diese unterlaufen europäische Wettbewerbsregeln und fluten die EU mit Hunderttausenden Billigartikeln.“ Das Nachsehen hätten die stationären Händler. „Wer den Wunsch nach einem funktionierenden regionalwirtschaftlichen Leben verspürt, muss auch ein Gespür für die Betriebe und Geschäfte vor Ort haben.“
„Der Lockdown kam zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Die dreiwöchige Schließung wird alleine der Tiroler Wirtschaft einen Schaden von mehr als einer Milliarde Euro bescheren.“ Diese Worte kamen im November 2020 vom ehemaligen WK-Präsidenten Christoph Walser. Er rief mit den Obmännern Franz Jirka (Gewerbe und Handwerk) und Dieter Unterberger (Handel) angesichts der bevorstehenden Weihnachtszeit dazu auf, auf Tiroler Produkte und Dienstleistungen zu setzen. Präsentiert wurde im Zuge dessen die Kampagne „Ja zu Tirol“.
Auch Imagefilme gedreht
Sie beinhaltete Sujets mit sieben Leitmotiven. Vom Handwerk über die IT bis hin zum Tourismus wurden alle Branchen abgedeckt. Auch Imagefilme wurden gedreht, um zu zeigen, was Tiroler Produkte und Dienstleistungen alles können. „Die wahre Stärke regionaler Strukturen, Zusammenhalt und Miteinander“ sollten vermittelt werden. An die Betriebe im Land ging ein Aufruf, zum „Ja zu Tirol“-Botschafter zu werden.
Die Homepage (www.ja-zu.tirol) existiert heute noch. Doch wie das Coronavirus scheint die Kampagne mittlerweile vergessen zu sein.
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