Kein Gewinn angestrebt

Unternehmer wollen jetzt Ärztezentren betreiben

Wien
26.08.2024 06:00

Das Gesundheitssystem steckt in der Krise. Noch hat die Politik kein passendes Rezept gegen volle Spitäler und fehlende Kassenärzte gefunden. In Wien sind vor allem Kinderärzte jetzt Mangelware. Eine Privatinitiative will der Politik nun unter die Arme greifen. 

Bis Ende 2030 soll die Zahl der Primärversorgungszentren (PVE) von 75 auf 300 wachsen, so der ambitionierter Plan der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK). Obwohl Wien österreichweit bei der Anzahl der PVE führend ist, läuft der Ausbau schleppend. Aktuell gibt es 23, weitere drei Standorte sind ausgeschrieben. Für die läuft die Bewerbungsfrist bis Mitte Oktober. Weitere sechs sind im Gespräch. Bis 2025 sollen es 36 Zentren in Wien sein, bestätigt die ÖGK auf „Krone“-Anfrage.

Auch wirtschaftliche Risiken
Doch es gibt mitunter hohe Hürden. Trotz großzügiger Förderungen und Unterstützungen bei der Gründung bestehen für PVE-Betreiber auch wirtschaftliche Risiken. Und nicht jeder Arzt ist ein geborener Unternehmer. Auch die Immobiliensuche gestaltet sich mitunter schwierig. Also stockt der Ausbau. Verein greift Politik ab sofort unter die ArmeDiese Erfahrungen hat auch der Wiener Architekt Victor Löffler gemacht: „Ich habe zwei Primärversorgungszentren für Ärzte entwickelt. Da habe ich das System PVE kennengelernt. Und auch die Herausforderungen.“ Zusammen mit dem Unternehmensberater Paul Mitteröcker und anderen hat Löffler den Verein PVE – Verein gemeinnütziger Anbieter gesundheitlicher und sozialer Dienste ins Leben gerufen.

Verein will Politik nun unter die Arme greifen
Das Ziel: „Die medizinische Versorgung der Bevölkerung endlich ins 21. Jahrhundert zu befördern.“ Ab sofort will der Verein die Politik dabei unterstützen, das Ziel von 300 Primärversorgungseinrichtungen in Österreich in Rekordzeit zu erreichen. Wie? Löffler: „Wir bewerben uns ab sofort als Betreiber auf ÖGK-Ausschreibungen für Primärversorgungseinrichtungen in ganz Österreich.“

Die Lücke bei den Primärversorgungszentren will Victor Löffler als Quereinsteiger schließen. (Bild: Holl Reinhard/Reinhard Holl)
Die Lücke bei den Primärversorgungszentren will Victor Löffler als Quereinsteiger schließen.

Unternehmer wollen ihre Kontakt nutzen
In Gesprächen mit Ärzten habe sich gezeigt, dass viele den Wunsch nach einem sicheren Angestelltenverhältnis mit flexiblen Arbeitszeiten hätten. Das könnte der Verein als Betreiber der Primärversorgungszentren bieten. Und noch einen Vorteil hat diese Konstruktion. Löffler: „Durch enge Kontakte zur Immobilienwirtschaft und Unternehmern nützen wir Synergieeffekte bei der Finanzierung und der Standortsuche.“

Ausländische Heuschrecken abwehren
Wird damit Gesundheit zum Geschäft von reichen Investoren? Löffler: „Ganz im Gegenteil. Wir machen diesen Vorstoß auch deshalb, weil wir verhindern wollen, dass internationale Konzerne in Österreich ins Geschäft mit der Gesundheit einsteigen und auf Kosten von Patienten ihre Gewinne maximieren. Jeder Cent Gewinn, der erwirtschaftet wird, wird reinvestiert oder fließt in soziale Projekte.“

In einigen Bezirken gibt es nur einen (!) Kassenkinderarzt
Warum die aktuelle Initiative so wichtig ist, zeigt ein Blick auf die Kinderarztzahlen in Wien. Die Bevölkerung wächst, die Anzahl der Kassenärzte nimmt aber ab. Vor allem im Bereich der Versorgung von Kindern und Jugendlichen gibt es in Wien massiven Aufholbedarf, sagt die Ärztekammer. „Ärzte im solidarischen Gesundheitssystem kommen immer öfter an ihre Grenzen, und oft übernehmen auch allgemeinmedizinische Ordinationen die Behandlung kleiner Patienten, um die Versorgung aufrechtzuerhalten, obwohl auch dieser Bereich bereits am Anschlag ist“, weiß Vizepräsidentin Naghme Kamaleyan-Schmied.

So sind die Kinderkassenärzte auf Wien verteilt (Bild: Krone KREATIV/stock.adobe.com)
So sind die Kinderkassenärzte auf Wien verteilt

Abdeckung sehr ungleichmäßig
Die Verfügbarkeit von Kassenkinderärzten variiert je nach Bezirk stark. So gibt es etwa in Penzing nur eine Kassenordination, und das für über 90.000 Einwohner. Ebenso in der Inneren Stadt, in Mariahilf, Neubau und der Josefstadt. Die meisten Kinderärzte (14) sind in der Donaustadt zu finden. In Floridsdorf wiederum, wo nur etwa 20.000 Personen weniger wohnen, sind es nur sechs (siehe Grafik oben).

ÖGK verweist auf ausgeschriebene Stellen
Die Österreichische Gebietskrankenkasse hat bereits im Vorjahr auf den Engpass aufmerksam gemacht und möchte mit Kinder-Primärversorgungseinrichtungen (PVE) entgegenwirken. „2023 wurden neun Kinder-PVE ausgeschrieben, davon sind sechs bereits in Betrieb (je zwei im 10. und im 22. Bezirk sowie je eines im 16. und im 23. Bezirk). Weitere drei – im 9., 13. und 18. Bezirk – sind aktuell in der Umsetzungsphase“, berichtet ein Sprecher. Außerdem werden vier zusätzliche Kassenstellen geschaffen, alle vier wurden bereits ausgeschrieben.

Stellen können nicht besetzt werden
Aber: „Offene Kassenstellen im Bereich der Kinder- und Jugendheilkunde, der Allgemeinmedizin oder der Gynäkologie können teilweise nicht besetzt werden, weil diese für Ärztinnen und Ärzte aufgrund der enormen Auslastungen, des Zeitdrucks und der Honorierung im Kassensystem nicht mehr attraktiv sind“, sagt Kamaleyan-Schmied und fordert einmal mehr vor allem eine Attraktivierung der Kassenstellen. 

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