Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu solch einer Häufung von Koinzidenzen kommt, mag zwar im Bereich eines Lotto-Sechsers liegen, dennoch begründete der OGH seine Entscheidung anhand eines konkreten Falls. Ein 1997 geborener Kläger begehrte auf Feststellung der Vaterschaft des Beklagten sowie auf Unterhalt. Er berief sich darauf, dass seine Mutter nur mit diesem Mann in der damals geltenden "gesetzlichen Vermutungsfrist" von 302 bis 180 Tagen vor der Geburt Geschlechtsverkehr gehabt hätte.
Beklagter bezichtigte Zwillingsbruder der Vaterschaft
Doch dann die überraschende Wende: Der Beklagte bestritt seine Vaterschaft. Nachdem sich nämlich durch ein eingeholtes DNA-Gutachten eine Vaterschaftswahrscheinlichkeit von 99,9999 Prozent ergeben hatte, berief sich der Beklagte darauf, dass nicht er, sondern vielmehr sein eineiiger Zwillingsbruder mit der Mutter verkehrt hätte. Denn auch für den Bruder war eine gleich hohe genetische Vaterschaftswahrscheinlichkeit festgestellt worden.
Während sämtliche Vorinstanzen die Klage abwiesen, weil eben die Vaterschaft nicht eindeutig festgestellt werden konnte, entschied der OGH, das Verfahren an das Erstgericht zurückzuweisen, um "insbesondere den Versuch einer Klärung zu unternehmen, zu welchen Zeitpunkten Geschlechtsverkehr mit dem Beklagten bzw. mit dessen Bruder stattgefunden hat", hieß es in einer Aussendung am Donnerstag.
Ermittlung des "unwahrscheinlicheren" Vaters
Sinn und Zweck der Zurückweisung war, in einem ergänzenden Beweisverfahren festzustellen, wessen Vaterschaft trotz der genetischen Übereinstimmung "unwahrscheinlicher" sei. Damit entschied der OGH: Kann eine unterschiedliche Wahrscheinlichkeit der Vaterschaft zweier in Betracht kommender Männer durch naturwissenschaftliche Abstammungsverfahren (DNA-Gutachten) nicht festgestellt werden, ist im Beweisverfahren der Versuch zu unternehmen, andere Umstände zu ermitteln, die für die Vaterschaft des einen und gegen die des anderen Mannes sprechen. Bei gleicher Wahrscheinlichkeit sei nämlich ohne gegenteiligen Beweis der beklagte Mann als Vater festzustellen.
Um einer möglichen Unterhaltszahlungsleistung zu entkommen, obliegt es demnach in weiterer Folge dem Beklagten, den Nachweis zu erbringen, dass das Kind nicht von ihm abstammt. Mit anderen Worten: Die Unschuldsvermutung wird hier umgekehrt.
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