„Srebrenica 2.0“

Genozid-Sehnsucht bei Wiener Party der Identitären

Österreich
28.08.2024 14:51

Reporter aus Deutschland haben über Monate die rechtsextreme Identitäre Bewegung (IB) unterwandert. Die Recherche dokumentiert eine besorgniserregende Gewaltverherrlichung. Die Reisen der Journalisten führten sie auch nach Wien, wo auf einer Party der Massenmord an Muslimen gefordert wurde.

Die Investigativ-Journalisten des Senders RTL recherchierten vier Monate lang in den abgeschotteten Kreisen der Identitären Bewegung. Dabei gelang es ihnen, Mitglieder der Neonazi-Szene ungefiltert aufzunehmen. Immer wieder im Mittelpunkt der Recherche: Österreichs Bundeshauptstadt Wien.

Während eines „Aktivisten-Wochenendes“ in der rot-weiß-roten Metropole dokumentierten die verdeckten Reporter brutale Kämpfe in einem provisorischen Boxring. Martin Sellner, der inoffizielle Kopf der Identitären Bewegung, stachelte dabei die Menge für eine „Remigrations“-Demo am Folgetag auf. Die RTL-Journalisten dokumentierten eine latente Gewaltbereitschaft der Extremisten.

Martin Sellner ist Stammgast beim jährlichen Akademikerball der FPÖ. (Bild: AFP/Alex HALADA)
Martin Sellner ist Stammgast beim jährlichen Akademikerball der FPÖ.
Eine Kundgebung der IB-Bewegung in Wien. (Archivbild) (Bild: APA/EXPA/MICHAEL GRUBER, Krone KREATIV)
Eine Kundgebung der IB-Bewegung in Wien. (Archivbild)

Frau fordert „Srebrenica 2.0“
Gespräche während einer Party in Wien legten das vorherrschende Gedankengut schonungslos offen. Ein Mann erzählte den Journalisten, dass 1995 ein „gutes Jahr“ gewesen sei, denn da war Srebrenica, „der Genozid an Moslems“. Eine Frau, die gute Kontakte zur AfD pflegt, ging noch weiter: „Deutschland braucht ein Srebrenica 2.0!“

Der beschriebene Ausschnitt im Video:

Ein anderer Partyteilnehmer bewertete den Genozid folgendermaßen: „War sehr geil. 8888 Opfer angeblich.“ Der achte Buchstabe im Alphabet ist ein H – „88“ steht in Neonazi-Kreisen für „Heil Hitler“.

Genozid forderte Tausende Opfer
Srebrenica kennzeichnet eines der dunkelsten Kapitel in der jüngeren europäischen Geschichte. Die einstige bosniakische (muslimische) UNO-Schutzzone wurde am 11. Juli 1995 von bosnisch-serbischen Truppen unter Kommando von Ratko Mladić eingenommen.

In Srebrenica wurden Tausende Muslime ermordet. (Bild: AFP/ELVIS BARUKCIC)
In Srebrenica wurden Tausende Muslime ermordet.

Daraufhin wurden in der Umgebung der Kleinstadt rund 8000 Bosniaken, Männer und Jugendliche, brutal ermordet. Der Internationale Gerichtshof hatte das Massaker von Srebrenica 2007 als Völkermord definiert.

FPÖ übernimmt IB-Duktus
Bei der „Remigrations“-Demo in Wien trafen die Reporter auf mehrere AfD-Mitglieder. Im Zuge der Recherche fielen weitere besorgniserregende Wortmeldungen. Die junge Frau, die bereits über einen Massenmord an Muslimen fantasierte, fand den Holocaust „sehr geil“. Zuvor relativierte sie den organisierten Völkermord der Nazis: „Es waren keine sechs Millionen Juden. Es waren ja höchstens 175.000 vergaste Juden. Der Holocaust hat anders stattgefunden.“

In Sachen „Remigration“ gibt es auch Verbindungen zur FPÖ, die den Duktus der Identitären in ihr Wahlprogramm übernommen hat. Die Rechten fantasieren dabei von einer völkerrechtswidrigen Massendeportation von Ausländern. Der selbsternannte Volkskanzler Herbert Kickl, ein Ausdruck aus der Nazi-Zeit, möchte zudem eine „Rechtslage“ für den Entzug der Staatsbürgerschaft schaffen.

Kickl im Jahr 2023 über die IB-Bewegung: 

Der FPÖ-Parteichef ließ in der Vergangenheit immer wieder Trennschärfe zur Identitären Bewegung vermissen. Der gesichert rechtsextremen Gruppe attestierte er ein „interessantes und unterstützenswertes Projekt“ zu sein. In mehreren Interviews bezeichnete er sie als „NGO“ – wie Greenpeace, nur eben „von rechts“. Eine Notwendigkeit roter Linien sah er bisher nicht.

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