Thomas Frühwirth aus dem steirischen Edelsbach gehört seit Jahren zur Weltelite im Parasport. Triathlon und Radsport sind seine Leidenschaften. Dreimal hat er bei den Paralympics bereits Silber geholt. In Paris soll nun Gold dazukommen – dafür hat der 43-Jährige bis zur Bewusstlosigkeit trainiert.
Du gehst in der kommenden Woche bei den Paralympics als Gold-Favorit ins Rennen. Ist das die größte Herausforderung in deinem Leben?
Die sportliche Herausforderung ist nirgends so hoch wie bei den Paralympics. Ich starte ab Mittwoch in der höchsten Handbike-Klasse. Ich fahre gegen Leute, die in ihrer Freizeit Motocross fahren, weil sie nur eine leichte Behinderung haben. Aber ich finde es geil, dass ich als Midlife-Sportler noch immer mit den Jungs mithalten kann. Ich traue mich zu behaupten, dass ich unter allen Spitzensportlern derjenige bin, der mit dem größten Trainingsaufwand an den Start geht und sein Bestes gibt.
Wie hart hast du auf diese Paralympics in Paris hintrainiert?
Ich trainiere bis zu 1200 Stunden im Jahr. Ich glaube, dass es nur wenige Spitzensportler gibt, die dieses Pensum durchdrücken. Ich habe 450 Rennen hinter mir, bin dabei mehrmals die Erde umrundet. Seit 2011 bin ich Profisportler und habe seither nie mehr als zwei Wochen pausiert. Ich trainiere 2 x täglich, 6 x in der Woche. In Hinblick auf die Paralympics war ich viermal auf Höhentraining und monatelang allein auf Leistungs- und Mentaltraining in Südafrika und Australien
Das hört sich nach einem qualvollen Weg in Richtung Gold an.
Ich habe mir das Quälen selbst ausgesucht. Erst gestern wäre ich am Ende meiner Trainingseinheiten fast ohnmächtig geworden bin. Das tut man sich eben an, sonst bleibst du auf der Wohlfühlschiene. Für mich ist hartes Training ein Genuss.
Das lässt sich nur schwer nachvollziehen. Hast du eine andere Denkweise?
Das große Glück ist nicht das Rennen und die Medaille, sondern rein das Tun, das mich befriedigt. Auch eine Art, dem Leben und dem Tod Danke zu sagen. Diese Leidenschaft geht mit einem erfüllten Leben einher. Du kannst Milliarden haben, dir damit aber keine Lebensfreude kaufen.
Bist du für andere ein Mutmacher?
Ich glaube schon. Auch wenn ich kein genetisches Wunder bin, habe ich allein im Spitzensportler zwei Athleten zum Weltcup animiert. Ich finde es jammerschade, dass es Menschen gibt, die nichts aus sich machen, nur herumjammern, wie schlimm alles mit oder ohne Behinderung ist. Die am Tag ihre 10 Biere brauchen, um das Leben erträglicher zu machen. Dafür gibt es in Österreich keinen Grund. Wir müssen froh sein, hier geboren zu sein. Unser Staat könnte und müsste es sich leisten, jeden 15-Jährigen nach Afrika zu schicken, um zu erkennen, was es heißt, ums Leben zu kämpfen.
Thomas Frühwirth sitzt seit einem Motorradunfall im Jahr 2004 im Rollstuhl. Nur wenige Monate später begann er mit einem Handbike zu trainieren und wagte 2012 den Schritt in den Profisport. Neben dem Paracycling stellt der Triathlonsport – insbesondere die Ironman-Bewerbe – seine große Leidenschaft dar. 2022 gewann er den Ironman auf Hawaii in neuer Rekordzeit, heuer holte er WM-Bronze im Straßenrennen der Handbiker und kürte sich im Einzelzeitfahren zum Europameister. 2023 wurde er zu Österreichs Sportler des Jahres mit Behinderung gewählt.
Wirst du als Behindertensportler wertgeschätzt?
Naja, in der Steiermark hat es diesmal wieder keine Verabschiedung der Sportler gegeben. Weil es sich für die paar Hanseln wahrscheinlich auch nicht auszahlt. So werden wir der Jugend den Spitzensport nicht näherbringen und das ist ein Riesenproblem. Rein von der Förderung hat sich einiges zum Positiven geändert. Wir werden seit Rio gleich gefördert wie die olympischen Sportler.
Auch was das Sponsoring betrifft?
Natürlich kannst du als Behindertensportler die Karte des unterstützungswürdigen Sportlers ziehen. Da hätte ich ein Vielfaches an Sponsorengelder lukrieren können. Aber immer, wenn Mitleidhascherei im Spiel ist, renn‘ ich davon. Da bin ich wahrscheinlich zu stolz, weil ich lieber mit meiner Leistung und nicht mit einer Behinderung aufzeige.
Kannst du vom Spitzensport leben?
Ja. Ich bin seit 2017 offiziell beim Bundesheer und beziehe eine Grundabsicherung von 1.200 Euro. Also, wer in der dritten Fußballliga spielt, verdient mehr. Leistungsprämien gibt es nur bei den Paralympics. Für Gold gibt es 12.000 Euro und da wirst du im Vergleich zu anderen Ländern nicht reich. Den Franzosen ist der Sieg 80.000 Euro wert, die Italiener lassen 70.000 Euro springen. Selbst für den Viertplatzierten gibt noch 40.000 Euro für die Blecherne.
Wirst du in deiner Heimat als erfolgreicher Olympionike geschätzt?
Ich sag’s mal so. Ich tu’ mir hier in Edelsbach gleich schwer, wie mein Nachbar, der legendäre Fantast Franz Gsellmann. Im Spitzensport ist man auch nur auf eines fokussiert und bewegt sich nur mehr in seiner Welt. Das war auch beim Gsellmann so, der auf die Landwirtschaft vergessen hat und nur seine Weltmaschine im Schädel hatte. Als Leistungssportler bist du genauso im Eck, weil du alles andere vernachlässigst. Das muss auch so sein, wenn du vorne mitmischen willst. Ich habe bislang nichts bereut. Ich liebe mein Mönchsleben.
Was kommt nach dem Spitzensport?
Ich hatte noch nie Angst vor der Zukunft. Ich habe schon verschiedene Jobs gehabt und würde gerne Highend Leistungssportler trainieren. Und da habe ich diesen Traum, Leute an der Supermarkt-Kassa zu treffen, die sich leichttun, Glück und Begeisterung auszustrahlen. Wer für sich eine Passion gefunden hat, ob in der Kunst, Sport, Beruf oder Familie, gerät schwer auf die Verliererstraße oder in Depression oder macht sich selbst zum großen Problemfall.
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