Bestürzung und Schock bei heimischen Nukleargegnern: Weltweit haben sich bereits mehr als 30 Staaten verbündet, um den Atom-Turbo zu zünden – brandaktuelle Unterstützung dafür kommt ausgerechnet von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Schon im Frühjahr hatten sich die „Nuklearmächte“ dieser Welt bei internationalen Gipfeltreffen für Atomenergie in Brüssel auf die totale Atomoffensive eingeschworen. Das Beängstigende daran: Schon jetzt sind rund um den Globus mehr als 400 Reaktoren für die Stromproduktion in Betrieb. „Wir verpflichten uns dazu, das Potenzial der Nuklearenergie voll auszuschöpfen“, lässt das Bündnis in einer gemeinsamen Erklärung wissen.
Strom aus Atomkraftwerken sei für die Verringerung klimaschädlicher CO₂-Emissionen unerlässlich, wurde betont. An dem Treffen nahmen unter anderem die Staats- und Regierungschefs aus Frankreich, den Niederlanden und Polen sowie hochrangige Vertreter aus den USA, China und Japan teil.
Weltbank soll Atommeiler mitfinanzieren
Seitdem wird mehr oder weniger offen nicht nur für den Bau neuer Meiler geworben, sondern auch für die Verlängerung der Lebenszeit bestehender AKWs. Weiter plädierten sie für den raschen Einsatz neuerer und kleinerer Reaktoren. Mehr noch: Ins Atomboot werden auch internationale Finanzinstitutionen wie die Weltbank geholt!
Die global agierenden Geldinstitute werden dezidiert aufgerufen, entsprechend verstärkt zu unterstützen. Versteckter Vorwurf der Lobbyisten: alternative Energieträger würden von Entwicklungsbanken bislang bevorzugt behandelt werden.
Kapazitäten sollen bis 2050 verdreifacht werden
Bereits bei der Weltklimakonferenz Ende vergangenen Jahres hatten rund 20 Staaten angekündigt, die Kapazitäten zur Atomenergieerzeugung bis 2050 zu verdreifachen. Wobei sich Frankreich immer mehr als nukleare Grand Nation entpuppt – 56 von 100 teils sehr maroden und damit gefährlichen Atomkraftwerken in Europa stehen über das Land an der Seine verteilt.
Weltweit ticken laut Internationaler Atomenergiebehörde 415 Reaktoren zur Stromproduktion. Als weltweit größter Produzent stechen nach Angaben der Lobbyorganisation WNA die USA hervor, gefolgt von China und Frankreich.
Frankreich hat besondere Vorliebe für Atomenergie
„Atom-Napoleon“ Emmanuel Macron hat Appetit auf noch mehr Radioaktivität. Erwogen wird der Bau von 14 oder mehr neuen Anlagen. Außerdem soll die Laufzeit bestehender Kraftwerke verlängert werden, schlägt WWF-Experte Reinhard Uhrig Alarm. Doch auch Frankreichs Nachbarstaat Belgien machte eine komplette Kehrtwende. Als Reaktion auf mögliche Energieverknappung wegen des Ukrainekriegs wurde der Ausstieg auf den St. Nimmerleinstag, nämlich 2035 verschoben.
Einziger Lichtblick: Spanien hält weiterhin am Ausstieg fest. Auch Polen beabsichtigt ein Kernenergieprogramm neu zu starten, Tschechien plant ebenfalls den Neubau von Kernkraftwerken.
„Ein Atomkraftwerk wird nie wirtschaftlich sein“
„Wir sind ebenso bestürzt wie empört und leisten, wo es nur geht, Widerstand“, gibt sich der Wiener Greenpeace-Europachef Alexander Egit kämpferisch. Einmal mehr warnt er vor hohen Risiken und erinnert an die verheerenden Reaktorkatastrophen in Tschernobyl und Fukushima. Egit betont auch, dass ohne exorbitant hohe staatliche Subventionen die Kosten niemals zu stemmen seien: „Ein Atomkraftwerk wird nie wirtschaftlich sein.“
Was diesen Umstand noch befeuert: Wegen der schwindenden Uranvorkommen werden die Preise für diesen Rohstoff immer weiter in die Höhe schnellen. Zusätzliches Manko: Wegen der langen Bauzeiten der Meiler sei die Technologie nicht geeignet, im Kampf gegen die immer dramatischere Klimakrise etwas zu bewirken. WWF-Klimasprecher Reinhard Uhrig ergänzt: „Atomenergie kann keine saubere oder gar CO₂-freie Lösung sein. Schon allein die nicht gelöste Frage der Endlagerung des radioaktiven Abfalls führe dieses Argument absurdum.“
„Eigene Energie erzeugen“
Öl ins Feuer der Debatte gießt aktuell auch Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen, die schamlos zu einem Ausbau der Atomenergie aufruft. „Wenn es um unsere Energie geht, müssen wir unsere eigene Energie erzeugen“, forderte die CDU-Politikerin jetzt bei der Globesec-Sicherheitskonferenz in Prag. Dazu brauche es zwar mehr Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen, aber eben auch die Atomkraft und mehr Effizienz.
Als Argument für ihre Forderung schiebt von der Leyen besonders den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine vor. Dort wiederum zeigt sich die erschreckende Gefahr, denn einige Meiler stehen direkt unter Beschuss und könnten dadurch einen Gau auslösen. Ob sie auch eine Rückkehr zur Nutzung der Atomkraft in Deutschland für angebracht hält, ließ die Politikerin offen. In deren Heimatland ging im April 2023 die letzten AKW außer Betrieb.
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