Mit ihrem ersten Interview nach 40 Tagen als Präsidentschaftskandidatin beließ sie es hauptsächlich bei Floskeln, statt mit Details zu ihrem politischen Programm zu glänzen. Dennoch nahm Kamala Harris souverän genug die nächste Hürde auf dem Weg ins Weiße Haus. In den Worten von Barack Obamas Ex-Berater David Axelrod „war es weder ein Schritt nach vorn, aber vor allem kein Schritt zurück!“
Donald Trumps Lager wartete vergeblich darauf, dass sich die Vizepräsidentin unter dem Druck von kritischen Fragen - wie oftmals in der Vergangenheit – selbst widersprechen oder in wirren Sätzen verzettelten würde. Stattdessen schwang sich die „Marxistin“ – wie sie von ihren Gegnern faktisch falsch bezeichnet wird – zur Verfechterin von Politik der Mitte auf. Mit Versprechen wie Waffenlieferungen für Israel, härteres Durchgreifen gegen illegale Einwanderung bis zum grünen Licht für die kontroverse „Fracking“-Gasfördermethode hätte Harris auch bei den republikanischen Vorwahlen punkten können.
Republikaner schäumen über „softe Fragen“
Die wütende Reaktion aus dem republikanischen Lager über die „soften Fragen“ der CNN-Moderatorin Dana Bash ließen keinen Zweifel daran, dass die Nervosität nach der Harris-Performance im Trump-Lager steigt. Mit ihrem unaufgeregten Pragmatismus konnte die 59-Jährige einen deutlichen Kontrast zu Trumps bombastischer und oft egozentrischer Art herstellen. Nach dem Motto „Wir wollen ein neues Kapitel für Amerika aufschlagen“, wollte sie sich auf keine Schlammschlacht einlassen und das Thema Rasse oder Geschlecht ins Rampenlicht rücken. Als Bash von ihr eine Reaktion zu Trumps rassistischen Provokationen zu ihren indisch-jamaikanischen Wurzeln rauskitzeln wollte, parierte sie gelassen mit „nächste Frage bitte!“
Inzwischen scheint auch der ehemalige Präsident zumindest zu ahnen, dass er mit persönlichen Attacken auf Harris keine unentschlossenen Wähler für sich gewinnen kann. Nur so ist es zu erklären, dass er beim kritischen Thema Abtreibung und reproduktive Rechte für Frauen plötzlich eine erstaunliche Kehrwende machte. Der stolze Kreuzritter der „Pro-Life“- Bewegung, dessen von ihm ernannte Oberste Richter das nationale Recht auf Abtreibung nach 50 Jahren kippten, schockte seine eigenen Anhänger mit der Ankündigung, für ein Pro-Abtreibungs-Referendum in Florida zu stimmen. Das würde den vom republikanischen Gouverneur Ron DeSantis durchgesetzten Abreibungsbann ab der 6. Schwangerschaftswoche aufheben und die Obergrenze für legale Abtreibungen auf 24 Wochen anheben.
Kehrtwende bei Abtreibungen sorgt für Ärger
Der Aufschrei in seiner eigenen Partei, von Anti-Abtreibungs-Organisationen und Vertretern der Evangelikalen-Kirche war riesig. Der einflussreiche konservative Kommentator Eric Erikson wetterte: „Anstatt, dass wir uns alle auf die politischen Widersprüche von Harris fokussieren können, hat Trump entschieden, unsere Partei weiter zu spalten – mit noch größeren Widersprüchen für die MAGA-Bewegung.“ Trump reagierte auf den Shitstorm auf seine typische Art. Er machte die Kehrtwende zurück und kündigte an, doch gegen das Referendum stimmen zu wollen – angeblich so, wie er es immer vorgehabt hatte.
Auch am Tag nach dem Harris-Interview verkündete Trump erneut, dass er seine Rivalin bei der Präsidentschaftsdebatte am 10. September in Philadelphia „zerstören“ wird. Doch daran gibt es bei einigen republikanischen Beratern plötzlich Zweifel. Denn der Ex-Präsidenten scheint dünnhäutiger und damit undisziplinierter denn je bei seinen Äußerungen zu sein. Während Trumps Seite mit einem Feuerlöscher herumläuft, wird die Harris-Seite versuchen, die Lunte zu zünden. Der amerikanische Wahlkampf verspricht also noch explosiver zu werden.
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