Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat noch nie eine andere Partei als die ÖVP den Landeshauptmann in Vorarlberg gestellt – eine Rückschau auf Markus Wallners Vorgänger:
In Vorarlberg gibt die Volkspartei seit 1945 den Ton an und stellt seither ununterbrochen den Regierungschef. Die Landeshauptleute hielten sich immer lange im Amt: Markus Wallner (57) ist erst der fünfte Landeshauptmann seit dem Zweiten Weltkrieg, und auch er zeigt nach einem gesundheitsbedingten Durchhänger 2022 keinerlei Amtsmüdigkeit. Anders als Herbert Keßler, Martin Purtscher und Herbert Sausgruber ist er nicht Jurist, sondern Politikwissenschafter.
Vor 79 Jahren, im August 1945, ernannte der Oberbefehlshaber der französischen Besatzungstruppen den Dornbirner Landwirt Ulrich Ilg (1905-1986) zum Landeshauptmann von Vorarlberg. Vier Monate später wurde Ilg vom erstmals zusammengetretenen Landtag mit 24 von 26 Stimmen in seinem Amt bestätigt und außerdem zum Landtagspräsidenten (bis 1949) gewählt. Ilg schlug noch vor der Wahl 1964 Herbert Keßler als Nachfolger vor. Nach der Landtagswahl 1964 trat Ilg als Landeshauptmann zurück, blieb aber noch bis 1969 als Finanzreferent in der Landesregierung.
Herbert Keßler (1925-2018) übernahm im Alter von nur 39 Jahren das Amt des Landeshauptmanns und behielt es für 23 Jahre. Der promovierte Jurist hatte seine politische Laufbahn 1954 als Landtagsabgeordneter begonnen, 1957 war er außerdem zum Bürgermeister der Marktgemeinde Rankweil (Bez. Feldkirch) gewählt worden. Seine Amtszeit war von der rasanten Entwicklung Vorarlbergs zum Industrieland geprägt: Während die Bevölkerung um ein Drittel von 240.000 auf 320.000 Personen anwuchs, verdoppelte sich die Zahl der Beschäftigten (von 61.000 auf 117.000). Als Insel der Seligen meldete Vorarlberg 1979 545 Arbeitslose (0,5 Prozent). Auch der Bau des Arlbergtunnels sowie der Rheintalautobahn fallen in die Ära Keßler.
Nach Keßlers Rückzug aus der Landespolitik wurde 1987 der nur drei Jahre jüngere Martin Purtscher (1928-2023) zum Nachfolger gewählt. Purtscher hatte sich im Zivilberuf einen Namen als Leiter der Jacobs-Suchard-Gruppe gemacht. Politisch stieg er 1955 als Gemeindevertreter seines Heimatorts Thüringen (Bez. Bludenz) ein, ab 1964 war Purtscher Landtagsabgeordneter, von 1974 bis zu seiner Bestellung zum Regierungschef Landtagspräsident. Besondere Würdigung erfährt noch heute Purtschers Engagement für die europäische Integration und für starke Regionen in der EU.
Als „historischer Erfolg“ wurde in der Ära Purtscher die Sicherung der Gründerrechte des Landes an den Vorarlberger Illwerken sowie der vorzeitige Rückkauf der Aktienmehrheit des Bundes gefeiert. Nach der Landtagswahl 1994, bei der die ÖVP die absolute Mandatsmehrheit verteidigte, aber erstmals weniger als 50 Prozent der Stimmen erhielt, designierte Purtscher seinen Stellvertreter Herbert Sausgruber zum Nachfolger.
Sausgruber (geb. 1946) wurde 1997 Vorarlberger Landesoberhaupt. Zunächst ab 1975 als Gemeindevertreter in seiner Heimatgemeinde Höchst (Bez. Bregenz) aktiv, durchlief er eine politische Bilderbuchkarriere – Landtagsabgeordneter (1979), Klubobmann der ÖVP-Landtagsfraktion (1981), Landesparteiobmann der ÖVP (1986), Mitglied der Landesregierung (1989), Landeshauptmann-Stellvertreter (1990). Sausgruber genoss hohes Ansehen als Realpolitiker mit einem wachen Blick auf die Finanzen. Auch als Landeshauptmann gab er das Finanzressort nicht ab und lebte sein Credo „Keine Netto-Neuverschuldung“.
Nur zwei Mal – nach der Hochwasserkatastrophe von 2005 und 2010 infolge der Wirtschaftskrise – rückte er davon ab. 1999 büßte Sausgruber als erster Vorarlberger ÖVP-Landeshauptmann die absolute Mandatsmehrheit ein, 2004 holte er diese jedoch zurück und behielt sie auch 2009. Herausragende Ereignisse während seiner Amtszeit waren die Zusammenführung von Illwerken und Vorarlberger Kraftwerken sowie der Rauswurf von FPÖ-Chef Dieter Egger aus der Landesregierung (2009).
Entgegen der Ankündigung, die gesamte Legislaturperiode Regierungschef zu bleiben, übergab Sausgruber am 7. Dezember 2011, also bereits zwei Jahre nach der Wahl, seine Agenden an die Zukunftshoffnung Markus Wallner (geb. 1967). Von 1997 bis 1999 war der Frastanzer (Bez. Feldkirch) Sausgrubers persönlicher Referent und Büroleiter, ehe er 2000 in den Landtag einzog und 2006 zum Landeshauptmann-Stellvertreter avancierte. Wallner versuchte seither, die Arbeit seines politischen Ziehvaters nach der Maxime eines wirtschaftsstarken Landes mit menschlichem Antlitz fortzuführen und Vorarlberg im Sinne der anstehenden Herausforderungen zu modernisieren. So wurden etwa die Ausgaben für Kinderbetreuung und öffentlichen Verkehr während seiner Ägide stark gesteigert.
Die Coronavirus-Pandemie ließ allerdings die Landesschulden explodieren (von 110,5 auf 450,9 Mio. Euro Ende 2023), und persönlich erlebte Wallner 2022 mit der „Wirtschaftsbund-Affäre“ inklusive rund zweimonatiger Auszeit sein Waterloo. Bei der Wahl 2014 fuhr er mit 41,79 Prozent das bisher mit Abstand schwächste ÖVP-Ergebnis seit 1945 ein, 2019 legte er auf 43,53 Prozent zu. Nach der Landtagswahl 2014 holte Wallner – erstmals in der Vorarlberger Geschichte – die Grünen in die Landesregierung. Diese Koalition hat bis heute Bestand.
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