(M)Ein Jahr beim FC Bayern München: Im großen Interview mit der „Krone“ spricht Sportdirektor Christoph Freund über den Einfluss von Uli Hoeneß, die Arbeit mit Max Eberl, die Chancen von ÖFB-Nationalspieler Konrad Laimer und Fragen nach Tickets für ein Bayern-Spiel.
„Krone“: Herr Freund, Sie sind seit einem Jahr als Sportdirektor des FC Bayern tätig. Wie haben Sie die vergangenen zwölf Monate erlebt?
Christoph Freund: Es war ein sehr erfahrungsreiches und schönes erstes Jahr. Im Nachhinein verging es sehr, sehr schnell, weil viel passiert ist. Gerade anfangs war es doch eine Umstellung, da ich ja lange in Salzburg war. Alles war neu, aber die Monate sind dann einfach so verflogen und es wurde nie langweilig bei uns (lacht). Auf der anderen Seite ist daher auch dieses Gefühl, dass ich jetzt schon wieder lange aus Salzburg weg bin.
Sie sind auch hin und wieder in der Red Bull Arena zu Gast?
Im ersten halben Jahr war ich ganz bewusst nicht im Stadion, um Abstand zu gewinnen. Im Frühjahr war ich schon das eine oder andere Mal dabei, auch am Dienstag gegen Dynamo Kiew. Ich bin immer noch in Kontakt mit den Verantwortlichen. Wir haben so lange zusammengearbeitet, da entwickeln sich Freundschaften. Und natürlich schlägt mein Herz auch weiter für Salzburg. Ich verfolge das Geschehen, drücke die Daumen und fiebere mit.
Was hat Sie in Ihrer Funktion bei den Bayern überrascht?
So viele Sachen gab es da gar nicht, weil ich vorab versucht habe, mich darauf einzustellen. Es ist aber alles noch einmal viel größer. Da kann man nicht so in Ruhe arbeiten. Jeder Punkt und jedes Komma wird kommentiert. Es ist viel schwieriger, in München Dinge im Hintergrund abzuwickeln. Wir stehen täglich in den Schlagzeilen, es wird permanent berichtet. Die Bayern polarisieren, es ist einer der größten Vereine der Welt – das ist schon cool. Für mich ist es schön, dass ich in so einem Umfeld arbeiten darf, auch wenn es nicht immer einfach ist. Was die Kabine oder die Arbeit mit dem Trainer betrifft, war es keine große Umstellung – am Ende geht es um Fußball.
Was beeindruckt Sie an den Bayern?
Diese besondere Anziehungskraft und die Wirkung, die der Verein auf die Leute hat. Wir haben das bei unserer Reise nach Korea gerade wieder gespürt, dass der Verein auf der ganzen Welt Leute in seinen Bann zieht. Der FC Bayern ist ein sehr stolzer und selbstbewusster Verein, da gibt es auch kein Mittelding – entweder man steht richtig zum Verein oder man mag ihn nicht. Was mich auch beeindruckt, ist die Art, wie man arbeitet. Es ist kein Wunder, dass der Verein in den letzten 20, 30 Jahren so gesund gewachsen ist. Was hier passiert, ist auf vielen Ebenen außergewöhnlich.
Es wird oft über die Bayern-Familie gesprochen, andererseits zählt der Verein mehrere hundert Mitarbeiter. Wie geht das eine mit dem anderen einher?
Es ist sicher so, dass es immer wieder schwierige Situationen für Mitarbeiter gibt. Da spürt man, dass alle zusammenhalten und man einander unterstützt. Viele Mitarbeiter sind lange im Verein, da entstehen enge Bindungen. Das sind auch für mich persönlich wichtige Werte. „Mia san mia“ und „wir helfen zusammen“. Denn wenn es zur Sache geht, hält die Bayern-Familie zusammen.
Wie viel „mia san mia“ steckt schon in Ihnen?
(lacht) Ich bin jetzt ein Jahr hier. Es war ein turbulentes Jahr, ohne Frage. Aber genau in solchen Phasen lernt man viel, sodass ich sagen kann, dass ich gut in meine Rolle reingewachsen bin, und mich sehr wohl fühle.
War es für die Bayern – wie im Übrigen auch für Salzburg - auch mal wichtig, nicht Meister zu werden, um sich selbst neu zu hinterfragen?
Ich denke das gehört generell dazu im Sport und im Fußball. Die Situation war ja ähnlich, dort wie da wurde sehr gut und extrem erfolgreich gearbeitet. Es braucht auch Veränderungen. Die haben wir vollzogen – nicht nur beim Trainer, auch im Hintergrund. Es ist das Schwierigste, den Erfolg immer wieder zu bestätigen. Ich sehe die aktuelle Situation daher auch als Chance für den FC Bayern München.
Uli Hoeneß ist omnipräsent, sein Wort soll immer noch großes Gewicht haben. Wie viel Einfluss hat er tatsächlich?
Vorneweg ist Uli Hoeneß – neben Karl Heinz Rummenigge und einigen anderen Personen – der FC Bayern. Ohne ihn wäre der Verein nicht der, der er ist. Er ist mit dem Verein extrem eng verbunden, er ist sein Baby. Ich muss aber auch sagen, dass da enorm viel reininterpretiert wird. Er hat volles Vertrauen ins uns, das spüren wir auch. Wir wären aber blöd, würden wir uns nicht immer wieder zusammensetzen und diskutieren. Uli unterstützt uns, das fühlt sich für uns wirklich gut an. Wenn es dann heißt, er hätte dies und das verhindert, dann stimmt das einfach nicht. Generell haben wir ein sehr gutes und vertrauensvolles Verhältnis.
Mit Vincent Kompany steht ein neuer Mann an der Seitenlinie. Wie verläuft eure Zusammenarbeit?
Ich kannte ihn als Spieler und hatte ihn als Trainer schon verfolgt. Die Zusammenarbeit fühlt sich sehr gut an, Vinny ist extrem ehrgeizig und hungrig, wie er es schon als Spieler war. Sein Umgang mit den Spielern und dem Staff ist richtig gut, er wurde sofort akzeptiert, das Feedback ist sehr gut. Man spürt, dass er jahrelang Kapitän bei Manchester City war, er ist eine große Persönlichkeit.
Dass er mit Burnley aus der Premier League abgestiegen ist, war kein Problem?
Nein, das sehe ich gar nicht als Problem. Er hat eine klare Idee wie er Fußball spielen will daher war das für uns kein großes Thema. Wir waren von Anfang an überzeugt, dass das er der Richtige für uns ist.
Die Zusammenarbeit mit Max funktioniert richtig gut. Wir haben bisher immer einen gemeinsamen Weg gefunden.
Christoph Freund
René Maric wurde als Co-Trainer installiert. Salzburg-Fans kennen ihn aus seiner Zeit in der Mozartstadt. Was steckte hinter dieser Entscheidung?
Ich kenne ihn natürlich sehr gut, er ist ein richtig guter Trainer. Er und Vincent kennen sich auch vom Pro-Lizenz-Kurs. Da alle Trainer aus der vergangenen Saison weg sind und René den Verein und die Liga gut kennt, war das ein perfektes Match. Das kann ein wichtiges Puzzleteil für uns sein, zumal beide ähnlich ticken und fußballverrückt sind. Ich bin sehr froh, dass wir Rene bei uns im Trainerteam haben.
Max Eberl wurde während der vergangenen Saison als Sportvorstand installiert. Wussten Sie bei Ihrer Verpflichtung davon?
Es wurde nicht im Detail darüber gesprochen, aber es war immer ein offener Austausch. Es gab im letzten Sommer viele Abgänge im sportlichen Management Bereich, der Verein ist sehr groß, die Arbeit wird nicht weniger. Daher passt das sehr gut, die Zusammenarbeit mit Max funktioniert richtig gut. Wir haben bisher immer einen gemeinsamen Weg gefunden.
Der Campus spielt eine deutlich größere Rolle im Verein. Wie sehr ist diesbezüglich Ihre Handschrift erkennbar?
Das war ein Ziel für alle Beteiligten, dass der Campus ein größerer Faktor wird, man ihn mit der Säbener Straße enger verbindet. Das soll ein wichtiges Standbein für uns sein, denn dort haben wir super Voraussetzungen. Da liegt zweifellos ein Fokus darauf, wir haben ja auch Kitzi (Richard Kitzbichler, Anm.) für den Toptalent bzw. Übergangsbereich installiert. Es ist nicht immer einfach, die Jungs nach oben zu bringen, aber man spürt intern, dass ein Fokus darauf liegt.
Wo sehen Sie die Nachwuchsarbeit der Bayern im Vergleich mit anderen Klubs wie etwa Salzburg?
Klubs miteinander zu vergleichen finde ich immer schwierig. Jeder Klub hat andere Voraussetzungen. Wir hatten in der Vorbereitung einige junge Spieler bei uns mit dabei, einige trainieren auch jetzt noch bei den Profis. Die Qualität ist wirklich hoch. Es geht darum, bei 17-, 18- oder 19-Jährigen den richtigen nächsten Schritt zu machen, damit sie sich entsprechend weiterentwickeln. In Salzburg hat man mit Liefering die perfekte Plattform. Bei uns ist der Schritt nach oben sicher größer. Manchmal geht’s direkt, was aber selten passiert. Manchmal braucht es Zwischenschritte wie eine Leihe. Wichtig ist, dass wir die Jungs begleiten in dieser Phase. Uns ist bewusst, dass es nicht alle bei uns schaffen, aber einige werden sicher gute Bundesligaspieler und helfen uns dabei, gute Ablösesummen zu lukrieren. Da sind wir auf einem guten Weg.
Paul Wanner ist aktuell von den Bayern an Heidenheim ausgeliehen. Als Deutsch-Österreicher ist noch unklar, für welches Nationalteam er in Zukunft spielen möchte. Haben Sie schon mal versucht, ihm das ÖFB-Team schmackhaft zu machen?
Wir haben schon mal darüber geredet, Ralf Rangnick ja auch. Er ist in Österreich geboren, lebt aber schon sehr lange in Deutschland. Jetzt gilt der Fokus darauf, dass er in der Bundesliga ankommt und dort durchstartet. Aber keine Frage: Ich als Österreicher würde ihn gerne bei uns im Nationalteam sehen. (lacht) Er hat Riesenpotenzial und kann auch für Bayern München ein Topspieler werden.
Bei Konrad Laimer deutet sich an, dass er in dieser Saison weniger Spielzeit in München bekommen könnte. Wie sehen Sie seine Lage?
Konni ist ein Topprofi und hat in der letzten Saison extrem viel gespielt. Er ist etwas verspätet in die Vorbereitung eingestiegen, aber ich bin überzeugt, dass er auch heuer seine Rolle finden und seine Einsatzzeiten kriegen wird. Er ist ein Kämpfer und ein richtig guter Spieler mit toller Mentalität. Wir haben nicht viele Spieler vom Typen Konni Laimer, daher mache ich mir da keine großen Sorgen. Der Konkurrenzkampf ist sicher groß, aber er gibt richtig Gas!
Mit Dayot Upamecano ist ein weiterer Ex-Salzburger im Team, der bei der letzten EM und WM mit tollen Leistungen brillierte, im Verein aber nicht immer sattelfest war. Wie sehen Sie seine Entwicklung?
Ich bin überzeugt, dass er eine sehr gute Rolle für uns spielen wird. Auch wenn mal Fehler dabei waren, so gehört das zu seinem Entwicklungsprozess. Ganz wichtig bei Upa ist, dass er das Vertrauen spürt – vom Verein und vom Trainer. Für mich ist er, was das Potenzial betrifft, einer der besten Verteidiger der Welt. Ich bin davon überzeugt, dass wir ihn da hin entwickeln werden. Er ist ein guter Typ und ein exzellenter Spieler.
Wie gestaltet sich das Leben in München?
Richtig lässig. Es ist eine coole Stadt, die Salzburg durchaus ähnlich ist, wenngleich deutlich größer. Ich habe auch eine tolle Wohnung. Die Lebensqualität ist super und dass es nicht weit nach Salzburg ist, finde ich auch cool. Für mich ist das ein großer Vorteil.
Ihre Söhne spielen in Salzburg Fußball, man sieht Sie auch ab und an als Zuseher. Wie geht Ihre Frau damit um, dass alle Männer in der Familie fußballverrückt sind?
(lacht) Das ist nicht immer ganz einfach für sie. Wir reden auch daheim viel über Fußball, daher ist das eine große Herausforderung für sie, braucht sie auch Geduld. Sie ist aber auch selbst viel am Fußballplatz.
Wie muss man sich die Arbeit als Sportdirektor des FC Bayern vorstellen? Muss man rund um die Uhr erreichbar sein?
Es ist natürlich viel zu tun, aber das war auch in Salzburg der Fall. In München ist alles noch mal größer, daher wirkt es vielleicht anders.
Spüren Sie Druck?
Es wird viel geschrieben, aber ich versuche, mich möglichst wenig damit zu befassen. Ich kann mich noch erinnern, als ich in Salzburg Sportdirektor wurde. Da wurde auch viel geschrieben, was nicht immer leicht war. Ich möchte einfach fleißig arbeiten und meinen Job immer bestmöglich im Sinne des Vereins erledigen. So kann ich mir immer in den Spiegel schauen. In Salzburg ist das gut gelungen, bei den Bayern will ich es auch so angehen. Aber klar ist Druck da, wird aus allem eine große Geschichte gemacht.
Können Sie auch mal Urlaub nehmen?
Eher wenig, aber ich finde immer wieder mal einen Tag und kann auch mal gut abschalten, wenn ich zB. auf den Berg gehe.
Was ist das Schönste an ihrem Beruf?
Ich kann das machen, was mir extrem viel Spaß macht: Ich kann im Fußball arbeiten und Sachen gestalten. Speziell ist, dass das auf höchstem Level der Fall ist. Ich kann mich mit den besten Spielern der Welt auseinandersetzen. Wenn ich beim Training zuschaue und erlebe, wie viel Qualität da drinsteckt, dann ist es schon cool, dass ich so etwas erleben und mitgestalten darf. Es ist ein Traum, den ich mir gar nicht vorstellen konnte, als ich junger Bursche war.
Was ist das Schwierigste an ihrem Beruf?
In jedem Beruf gibt es schwierige Entscheidungen oder läuft es mal nicht. Ich sehe aber viel mehr die positiven Sachen, sehe Chancen statt Risiken. Viele glauben, dass man Angst vor dem Scheitern hat, aber das ist bei mir nicht so. Es gehören auch mal unangenehme Gespräche dazu, am Ende geht es aber immer um den Menschen.
Wie oft werden Sie um Tickets gefragt?
(lacht) Da gibt es schon öfter WhatsApp-Nachrichten. Ich kann nicht jedem helfen und auch nicht den ganzen Tag Ticketing machen, aber wenn man ab und zu jemandem eine Freude bereiten kann, dann mache ich das gerne.
Da gibt es schon öfter WhatsApp-Nachrichten (wegen Bayern-Tickets). Ich kann nicht jedem helfen und auch nicht den ganzen Tag Ticketing machen, aber wenn man ab und zu jemandem eine Freude bereiten kann, dann mache ich das gerne.
Christoph Freund
In Salzburg läuft es nach einer durchwachsenen Saison richtig gut, blühen Spieler wie Nene, Yeo oder Piatkowski, die Sie mit nach Salzburg geholt haben, auf. Wie viel Freude bereitet Ihnen ihre Entwicklung?
Es freut mich richtig für Stephan (Reiter) und Berni (Seonbuchner) und vielen langjährigen Mitarbeitern im Verein. Sie hatten ein schwieriges Jahr, jetzt gab es einen Umbruch, den sie super gemeistert haben. Als ich am Dienstag im Stadion gesessen bin und die Burschen auf dem Platz gesehen habe, habe ich mich daran zurückerinnert, wie wir sie geholt haben. Mit einigen hatte keiner mehr gerechnet, das ist dann besonders schön.
Ist es ein besonderes Merkmal Salzburgs, dass man an Spielern festhält?
Ja, schon. Das sind dann oft noch schönere Geschichten. Munas Dabbur haben wir zu den Grasshoppers verliehen, es war ganz schwierig, aber wir haben das gemeinsam durchgezogen. Das bindet dann noch mehr. Auch Kamil (Piatkowski) hatten viele abgeschrieben, jetzt zeigt er, was er kann. Die Quote in Salzburg ist sehr, sehr hoch, das ist sehr speziell.
Wie sehen Ihre Ziele für die kommenden Jahre aus?
Ein großes Ziel ist, dass wir Stabilität auf der Trainerposition reinkriegen und möglichst viel gewinnen. Wir wollen den Weg mit mehr jungen Spielen sukzessive fortsetzen und mehr Ruhe in den Klub bringen. Dafür braucht es aber Siege!
Abschließend noch eine Frage zu Ralf Rangnick und zum österreichischen Nationalteam. Glauben Sie, man kann die starke EM bestätigen und sich erstmals seit 1998 für eine WM qualifizieren?
Ich glaube, das Team wird das bestätigen. Für die starken Leistungen bei der EM sind sie zu früh ausgeschieden. Ich kenne Ralf, er wird jetzt am Gaspedal bleiben. Von den Jungs weiß ich, dass alle immer sehr gerne zum Nationalteam fahren. Daher bin ich davon überzeugt, dass wir zunächst gute Vorstellungen in der Nations League und dann auch eine gute WM-Quali sehen werden.
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