Zauber vom Letzigrund

Thun: 1961 bislang letzter ÖLV-Sieger in Zürich

Sport-Mix
02.09.2024 10:12

Zauber vom Letzigrund. Diesen Donnerstag ist es wieder so weit. Das bereits 1928 erstmals ausgetragene weltbeste Leichtathletik-Meeting geht in Zürich in dem seit Monaten ausverkauften Stadion über die Bühne. Grund genug, einmal mehr unseren legendären Heinrich Thun, der am 14. August im Alter von 85 Jahren verstorben ist und am kommenden Freitag in Perchtoldsdorf beigesetzt wird, in Erinnerung zu rufen. 1961 sorgte er in Zürich für eine Sternstunde der österreichischen Leichtathletik.

Die „Krone“ berichtet aus Zürich

Der Wiener, einst einer der weltbesten Hammerwerfer, ist der bis jetzt letzte österreichische Männer-Leichtathlet, der im „Goldenen Buch“ der „Weltklasse“ als offizieller Sieger geführt wird. Heinrich Thuns historischer Triumph vor bereits 63 (!) Jahren ist jedoch selbst in Insiderkrisen meist vergessen.

Unter den vielen internationalen Erfolgen des immer so bescheidenen Hünen nimmt in der Retrospektive sein Hammerwurf-Sieg mit 63,20 m am 27. Juni 1961 in Zürich einen bedeutenden Platz ein – gerade wenn man bedenkt, welch herausragenden Status die „Weltklasse“ von Zürich besitzt und dass nur ein ÖLV-Trio bisher im Letzigrund siegreich war. Lediglich Rudi Klaban (800 m) und Josef Cegledi (1500 m) hatten vor Heinrich Thun 196 im Letzigrund gewonnen. Zwar setzte sich Robert Nemeth 1981 in Zürich in einem 1500-m-Lauf durch, doch Sebastian Coe war bei seinem Meilen-Weltrekord mit seiner Splitzeit um 4,20 Sekunden schneller als der Österreicher. Deshalb gilt Thun als Österreichs bislang letzter Männer-Sieger im Letzigrund.

Heinrich Thun beim Konditionstraining (Bild: Österreichisches Bundesheer)
Heinrich Thun beim Konditionstraining

„Bestes Stück des ÖLV“
Ein Erfolg, der von den heimischen Medien natürlich gewürdigt wurde. „Thun erobert nun auch Zürich“, titelte damals die „Illustrierte Kronen-Zeitung“. In dem Beitrag heißt es, dass es der Österreichische Leichtathletik-Verband „wirklich nicht zu bereuen hat, dass er seinem besten Stück, dem Hammerwerfer Thun, die Möglichkeit gibt, im Ausland zu starten. Nach seinem Sieg beim Prager Meeting gewann der Wiener am Dienstagabend im berühmten Züricher Letzigrund-Stadion die Konkurrenz mit 63,20 Metern.“ Bei „strömendem Regen“ war dies, wie die Fachzeitschrift „Sport“ (Zürich) berichtete, vor 8500 Zuschauern eine gewaltig große Weite. Der ÖLV freute sich in seinen „Mitteilungen, 4. Folge 1961“: „Thun setzt seine Siegesserie am Letzigrund fort. Den einzigen österreichischen Sieg an dem wieder prachtvoll besetzten internationalen Meeting des LC-Zürich am Letzigrund fixierte Heinrich Thun.“

Thun erobert Zürich. (Bild: Kronen Zeitung, 30. Juni 1961)
Thun erobert Zürich.

Neuer Letzigrund-Rekord
Nicht nur in Österreich, sondern auch international sorgte Heinrich Thun damals längst für Schlagzeilen. Im Züricher „Tages-Anzeiger“ hieß es am Tag nach dem Meeting, dass der Österreicher einer „der überragenden Werfer“ der „Weltklasse“ 1961 gewesen sei. „Mit dem Hammerwerfer Thun hatte man schon letztes Jahr Bekanntschaft geschlossen. Auch diesmal enttäuschte er nicht, verbesserte gleich im ersten Versuch (mit vier Drehungen) seinen eigenen Letzigrund-Rekord und distanzierte den stärksten Gegner um vier Meter.“ Thun, der vor dem jugoslawischen Olympia-Sechsten Zvonko Bezak (59,28 m) gewann, war ein „alter Bekannter“ in Zürich. Dort hatte er bereits 1960 im Rahmen des Länderkampfes Schweiz gegen Österreich (23./24. Juli) mit 62,48 m einen Stadionrekord geworfen.

Hammerwurf in Zürich 1961 (Bild: „Weltklasse“ 1961 (Archiv LCZ))
Hammerwurf in Zürich 1961

Ehrenplatz im Goldenen Buch
Natürlich war Heinrich Thun 1961 auch in dem damals gerade einmal 70 Rappen teuren Programmheft für „Weltklasse in Zürich“ als einer der Teilnehmer im Hammerwurf angekündigt, ein Jahr später wird der Österreicher im Programmheft mit seinem Stadionrekord von 63,20 m geführt. Für alle Zeiten wird Heinrich Thun schließlich im „Goldenen Buch Weltklasse Zürich“ in der Hammerwurf-Statistik als Sieger geführt. Da wird der Österreicher in einem Atemzug mit den Allzeitgrößen Gyula Zsivotzky, Anatoliy Bondartschuk, Karl-Hans Riehm, Juri Sedych und Sergey Litvinov genannt.

Goldenes Buch von „Weltklasse“ (Bild: 75 Jahre LCZ)
Goldenes Buch von „Weltklasse“

Beständigkeit als Trumpf
Unter dem Titel „Heinrich Thun auf einsamer Höhe“ fasste Dr. Walter Smekal im „Sportjahrbuch“ seinen Bericht über Österreichs Leichtathletik 1961 zusammen: „Heinrich Thuns sensationelle Leistungen im Hammerwerfen sprengten hier den Rahmen des Normalen!“ Thun, der neben seinen im Regen in Zürich erzielten 63,20 m weitere „Weltklassewürfe von 67 und 68 Metern“ aufwies, sei jetzt „wahrscheinlich der beste österreichische Leichtathlet aller Zeiten“. Seine „Glanzleistungen sind kein Zufall, sondern das Produkt härtester Trainingsarbeit.“

Minister Dr. Drimmel ehrt Thun. (Bild: Österreichisches Bundesheer)
Minister Dr. Drimmel ehrt Thun.

In der deutschen „Leichtathletik“ erschienen 1961 (und während seiner ganzen Karriere) häufig seitenweise Lobeshymnen auf Heinrich Thun. Seine Leistungsbeständigkeit, „seine großen Stärke“, „mit der er es schon jetzt mit allen Weltklassewerfern aufnehmen kann“ wurden immer wieder hervorgehoben. 1961 seien selbst Journalisten, „die sich sonst fast ausschließlich dem Fußball verschrieben haben, etwas aufgerüttelt worden und feierten die Leistung eines österreichischen Athleten mit knalligen Titeln.“

Selbstkritik: „Fauler Hund!“
Weiter hieß es in der deutschen „Leichtathletik“: „Thun besitzt mehrere Attribute, die im Allgemeinen bei österreichischen Sportlern wenig ausgeprägt sind. So vor allem eine Trainingsbeharrlichkeit. Dazu kommt noch, dass er im Gegensatz zu den meisten Sportlern sehr selbstkritisch veranlagt ist, was aus einer Eintragung in seinem Trainingsbuch, das er regelmäßig führt, entnommen werden kann. Da heißt es z. B.: ‘Keine Explosionskraft, keine Drehgeschwindigkeit, Form und Kondition auf dem Nullpunkt – fauler Hund!‘ Eine weitere besondere Stärke Thuns liegt in seiner Ruhe und Nervenkraft, die es ihm gestattet auch bei internationalen Großveranstaltungen seine volle Form auszuspielen.“ Wie an jenem für Österreichs Leichtathletik denkwürdigen Abend am 27. Juni 1961 in Zürich.

1963 Nummer 1 der Welt
Der Sieg im Letzigrund war einer der unzähligen Highlights in Heinrich Thuns großer Laufbahn, gekrönt (wie in der „Kronen Zeitung“ kürzlich gewürdigt) mit den Olympia-Finals 1960 und 1964 sowie Platz vier bei der EM 1962. Dennoch war 1963 sein größtes Wettkampfjahr. Da gewann er auch am 5. Oktober in Wien-Speising das bis heute unvergessene Duell gegen den US-Weltrekordler und Olympiasieger Harold Connolly und am Ende des Jahres war er Nummer 1 der Weltbestenliste.

Parte für Heinrich Thun (Bild: Familie Thun)
Parte für Heinrich Thun

All dies waren Sternstunden der österreichischen Leichtathletik, die meist in Vergessenheit geraten sind. Seinen Freunden aber, die am Freitag (13 Uhr) auf dem Friedhof in Perchtoldsdorf von ihm Abschied nehmen, bleibt er für immer als einer der erfolgreichsten österreichischen Leichtathleten der Geschichte und vor allem als liebevoller und bescheidener Mensch in Erinnerung.

Olaf Brockmann
Olaf Brockmann
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(Bild: KMM)



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